GHOST BRIGADE   INTRONAUT   A STORM OF LIGHT  
19.10.2011 @ Arena

Gut gefüllt ist sie, die Arena, an diesem Abend des 19. Oktobers, dabei aber nicht überfüllt. Während sich in der großen Halle die Anhänger Joey Capes (LAGWAGON) tummeln, verspricht die kleine Halle ein ganz anderes Programm: die finnischen GHOST BRIGADE sollen dem geneigten Hörer den Abend verschönern, garniert von A STORM OF LIGHT und INTRONAUT, beide aus den Vereinigten Staaten. In der Tat eine recht gewagte Mischung – man darf gespannt sein, wo das enden soll.

Verhältnismäßig früh entern INTRONAUT die Bühne, um ihren Postrock-Progressive-Atmospheric-Jazzy-Funky-Groovy-Doomy-ExperiMetal mit deutlicher (Post)-Hardcore-Ecke an den Mann zu bringen – was gewiss kein leichtes Unterfangen ist, aber gar nicht so schlecht zu funktionieren scheint. Der angenehm progressive, dabei aber nicht aufdringliche Sound fügt sich perfekt in die Stimmung ein, was nicht zuletzt an der Spielfreude liegt, die die vier kalifornischen Sunnyboys auf der Bühne vermitteln können: So polyphon und isorhythmisch das Hervorgebrachte auch sein mag, man zweifelt in keiner Sekunde an der Authentizität. Dabei werden die Musikanten aber niemals arrogant, das überlassen sie lieber so manchen Gestalten im Publikum, die durch mal mehr, mal weniger erfolgreiches Im-Takt-Kopfnicken ihr Rhythmusgefühl darzustellen versuchen. Dafür bleibt es zumindest ruhig unter den wenigen Leuten, die sich jetzt schon vor der Bühne eingefunden haben und dafür aber umso mehr bei der Sache sind. INTRONAUT danken es ihnen mit einem gelungenen Querschnitt durch ihr bisheriges Schaffen (insbesondere der jüngste 2010er-Output "Valley Of Smoke" kommt zum Zug), einer sauberen und (scheinbar) fehlerfreien Umsetzung und einem konstant strahlenden Lächeln aus vier Gesichtern.





A STORM OF LIGHT ziehen im Folgenden ganz andere Geschütze auf. Sympathisch gelächelt wird hier nicht, sondern bestenfalls schmerzverzerrt gegrinst, während tonnenschwerer Sludge zäh und laut aus den Boxen rinnt. Dazu drehen auf der Leinwand im Hintergrund postapokalyptische Endzeit-Filmchen ihre Schleifen, was prinzipiell eine nette und passende, wenngleich nicht mehr besonders originelle Idee ist; aber Visualisierungen bei Musikdarbietungen sind ohnehin Geschmackssache. Die drei New Yorker Herren inkl. Dame selbst, fokussieren sich glücklicherweise auf das, was sie selbst am besten tun können, und das liegt darin, der mittlerweile schon etwas dichter gewordenen Hörerschar gnadenlos doomigen Hardcore ums Hirn zu blasen, wobei auch hier der Fokus auf dem jüngsten Machwerk "As the Valley Of Death Becomes Us, Our Silver Memories Fade" liegt. Bewundernswert ist, dass die gelegentlichen atmosphärischen, ja richtig „ruhigen“ Momente trotzdem funktionieren, was allerdings noch schöner hätte sein können, wenn ein zwar fähiger, aber etwas übereifriger Soundmann die Gesamtlautstärke nicht ständig bis zum Anschlag aufgedreht hätte, so dass selbst die alteingesessensten Die-Hard-Postpunks nicht umhin kommen, sich gelegentlich etwas verunsichert am Ohr zu kratzen. Aber was solls, immerhin wirken besagte Atmosphärik-Passagen so dafür gleich doppelt entspannend. Dennoch schleicht sich gegen Ende des Auftrittes langsam, aber sicher ein gewisses Gefühl der Langeweile ein. Bei all der Epicness und Monumentalität, die hier dargeboten wird, wirkt das Ganze auf Dauer leider ein bisschen schematisch, um nicht zu sagen einfallslos. Hätten A STORM OF LIGHT ihr Vorspiel etwas früher beendet, wäre das vielleicht anders – aber auch wenn sie ein bisschen später aufgehört haben als da, wo es am schönsten gewesen wäre, so hinterlassen sie für den Headliner doch ein im Großen und Ganzen schon vorab günstig gestimmtes Publikum.





Pünktlich zum Beginn des letzten Auftrittes des Abends findet sich schließlich alles vor der Bühne ein, was vorher noch an der Bar oder in sonstigen Ecken herumgelegen ist, was die Halle einerseits bis zum Rande füllt, andererseits aber auch deutlich macht, dass man es hier mit einem Liebhaberpublikum zu tun hat, das genau weiß, warum es hergekommen ist. Und GHOST BRIGADE wissen diese Spannung schon zu Beginn zu nutzen und bis an den Rand auszureizen. Nach einem sehr interessanten Remix des ersten Tracks des aktuellen Albums "Until Fear No Longer Defines Us", „In the Woods“, der als Intro fungiert, stürmen die Finnen die Bühne und zeigen mit dem auch auf dem Album an zweiter Stelle platzierten „Clawmaster“, was Sache ist. Manne Ikonen, seines Zeichens Sänger mit glasigen Blick, growlt erst lauthals los, als hätte er Zeit seines Lebens nichts anderes getan, um dann bei der ersten Cleanvocal-Passage genau einenhalb Noten lang mit der Intonation zu kämpfen, sie dann sogleich zu finden und den restlichen Abend nicht mehr zu verlieren – das soll ihm erstmal wer nachmachen! Auch der Rest der Band legt beispiellose Souveränität an den Tag.

Der Soundmann hat die Lautstärkeregler glücklicherweise nochmals zurechtgerückt – einzig und allein über die Gitarren könnte man sich streiten, die verhältnismäßig zum restlichen Instrumentarium eher leise ausfallen. Das lässt sich dadurch erklären, dass der Abend bis jetzt eher im Zeichen des eher tiefen, basslastigen Hardcore-Sludge stand, wo die für GHOST BRIGADE typischen hohen Gitarrenläufe nicht wirklich dazugehören – doch das eigentlich Überraschende: Es funktioniert trotzdem. Wer bis jetzt der Meinung war, GHOST BRIGADE seien eine Dark- oder Doom-Metal-Band im Stile von KATATONIA oder SWALLOW THE SUN, wie es von manchen Kritikern mitunter suggeriert werden will, dem dürfte spätestens jetzt klar sein, dass dies nicht der Fall ist. Diese Band spielt Post-Hardcore, finnischen Post-Hardcore, daran besteht kein Zweifel. Freilich werden auch ruhige Nummern gespielt – das rein instrumentale „22:22 – Nihil“ etwa hat Gänsehautpotenzial, auch wenn bei einer rhetorischen Effektpause in der Mitte des Stücks ein Mensch dazwischenlallt, woraufhin 15 weitere durch gut gemeintes „Pschhhhhht!!“ den Moment völlig zunichte machen. Den Finnen auf der Bühne ist das recht egal, die machen munter weiter mit ihrem Programm, spielen viel Neues und ein bisschen Altes, etwa das schon fast obligatorische „Into The Black Light“. Das Gebotene bemüht sich um Abwechslung, energische Nummern werden vom Publikum ebenso gut aufgenommen wie getragene Stücke, die man so eher mit finnischer Musik in Verbindung bringt.

„Soulcarvers“ soll als letztes Stück nochmal Gänsehaut bringen, aber die sympathischen Skandinavier lassen sich nicht lumpen und schenken auch noch zwei spritzige Zugaben, ehe sie eine Horde friedlicher Konzertbesucher mit zufriedenen Gesichtern wieder in die Nacht entlassen.





Ein sehr kurzweiliges Event, muss man doch sagen – kein völlig entwurzelnder Gewittersturm, aber ein äußerst gemütlicher und interessanter Abend, der gewiss allen drei Bands eine kleine, aber feine Live-Fanbasis sichern konnte, sollten sie es in Betracht ziehen, (Ost-)Österreich eines schönen Tages wieder zu beehren – was durchaus möglich ist.


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strudl
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Beitrag vom 05.11.2011
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