OMAR A. RODRIGUEZ-LOPEZ QUINTET   RADIO VAGO  
17.11.2005 @ Szene

Ein Abend, an dessen Beginn viel Neugier stand. Schließlich weiß man, was für ein Kreativling Omar A. Rodriguez-Lopez ist und zudem wusste niemand, mit dem ich an diesem Abend redete, was der MARS VOLTA-Gitarrero genau mit seinem Nebenprojekt macht. Einen Soundtrack zu einem Film, ja, aber wie das dann konkret ausschaut, keine Ahnung.

Zuerst bestiegen aber sowieso die drei Damen von RADIO VAGO die Bühne. Vermute ich. Ich mein’, sie sind ja selber schuld: in der Pressemitteilung steht was von wegen neuer Sängerin, auf der Homepage findet sich ein Bild von fünf Mädels, von denen nur eine auf der Bühne war, die Gitarristin, die aussah, als wäre sie die Blaupause für den Klischee-Emocoreler. Die anderen zwei sahen aus wie die sympathische Soulsista von neben an (Drums) und das schwedische H&M-Model (Saxophon). Gesang gab’s gar keinen, also auch keine neue Sängerin, die zum Beispiel Ansagen machen hätte können um uns mit so unwichtigen Details wie dem Namen der Band vertraut zu machen oder höflicherweise den Applaus mit mehr als einem schüchternen Winken zu quotieren. Naja, musikalisch war alles im grünen Bereich, man stelle sich straighte Drumgrooves und Sounds à la PORTISHEAD oder MASSIVE ATTACK aus der Konserve als Fundament und MARS VOLTA-mässige Gitarrenarbeit sowie ein Saxophon zwischen Melodie und Wahnsinn als Überbau vor. Ergibt nette Chill Out Musik für Leute, die kein Problem haben bei der körperlichen Entspannung die Synapsen ein wenig springen zu lassen. Nach einer halben Stunde, in der die Damen mit dem Publikum ausschließlich via Musik kommunizierten (nach dem Motto ein schöner Rücken kann auch entzücken wurde der Blickkontakt nur bandintern aufrecht erhalten…) war’s dann vorbei und schüchtern wie sie nun mal sind, verabschiedeten sie sich sang- und klanglos bis auf weiter oben bereits erwähntes Winken der Saxophonistin.

Beim OMAR A. RODRIGUEZ-LOPEZ QUINTET ging’s anschließend schon anders zu. Klar, sind ja auch – bis auf den Keyboarder – allesamt Latinos, die haben das Feuer im Blut (oder vor den Instrumenten, wie sich noch zeigen wird) und nicht bei den zuhause gelassenen Mitmusikern (anders lässt sich die Performance von RADIO VAGO mit den überschwänglichen „Newcomer of the year“-Kommentaren im Vorfeld nicht in Einklang bringen). Fünf Musiker, eine Basslinie und ein Ozean aus Noten, das sind die Zutaten aus denen sich die gebotene Musik zusammensetzte. Wenn MARS VOLTA immer wieder gerne mit dem Attribut Progressiv versehen werden, so fällt einem zum OMAR A RODRIGUEZ-LOPEZ QUINTET nur die Bezeichnung Fusion ein und zwar so, wie er in den Siebzigern in seiner Blüte stand: irgendwo zwischen COLTRANEscher Freitonalität und HENDRIXscher Lässigkeit. Soweit zum Überblick, gehen wir ins Detail.
Chef des Abends war natürlich Omar A Rodriguez-Lopez, der die Band mit seinem charakteristischen Gitarrespiel sowie ebensolcher Körpersprache durch die Langstreckenimprovisationen führte. Mindestens genauso wichtig war für das Gelingen dieses Unterfangens aber auch die ebenfalls von MARS VOLTA bekannte Rhythmusgruppe bestehend aus Drummer Marcel Rodriguez-Lopez und Überbassist Juan Alderete de la Pena (Ex-RACER X – ja, die Guitar Hero-Band - und Ex-Dozent am unter Saiteninstrumentalisten für feuchte Augen sorgenden Guitar Institute of Technology), bei dem man sich ständig fragte, wie ein derart versierter Bassist auch noch sichtlich Freude daran finden kann, oft über eine Viertelstunde immer nur dasselbe, eintaktige Pattern zu spielen. Auch der neben Chef Omar zweite Rodriguez-Lopez im Quintet hielt sich an seinem Instrument ziemlich zurück. Offensichtlich gibt es hier eine klare Arbeitsteilung: wo Omar der Kopf ist, sind die beiden anderen MARS VOLTAner das Herz. Die Lenden repräsentierte ganz klar der neben den schmächtigen Kollegen überdimensional wirkende Multiinstrumentalist auf der linken Bühnenseite. Egal ob eines der Percussioninstrumente, das Saxophon, die Querflöte oder die – tippe ich einmal – Klarinette, alles wusste er souverän zu bedienen. Dabei tanzte und lachte er sich noch zusätzlich zum teilweise ekstatischen Spiel (Saxophonsoli!) einen ab. Meiner Meinung nach der wahre Star des Abends… Auch nicht von schlechten Eltern war der einzige Nicht-Latino im Ausnahme-Kollektiv, der Mann an Keyboards und anderen seltsamen elektronischen Gerätschaften. Am erwähnenswertesten war hierbei mit Sicherheit das lustige Kisterl, das offensichtlich auf Wärme reagiert und so Töne erzeugt. Nicht mit Plektrum, Sticks oder Bogen wurde hier gearbeitet sondern mit einem Feuerzeug, das hin- und herbewegt wurde. Obwohl der Mastermind Omar alle seine Mitmusiker vorgestellt hat, sind mir leider die Namen der letzten beiden entfallen. Der Leser möchte mir das bitte verzeihen.
Neben den auf Basslinien aufgebauten Improvisationen ganz im Stil der Jazz-Innovatoren der 70er MILES DAVIS, JOHN MCLAUGHLIN und wie sie alle hießen, gab es auch eine eher kurze, kollagenartige Nummer, die psychedelisch wie David Lynchs Wandteppich durch die in rotes Licht getauchte Szene schwebte.

Auch wenn man sich Musik wie die des OMAR A. RODRIGUEZ-LOPEZ QUINTET vermutlich besser mit bunten Pillen und auf einem noch bunteren Teppich liegend oder zumindest mit einem Glas Rotwein in einem gemütlichen Jazzclub gibt, ein wunderbarer Abend bei dem trotz Endlosimprovisationen keine Langweile aufkam. Der tosende Applaus, der bis zum Ende jede Pause untermalte, bewies dies.




Kronos
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Beitrag vom 22.11.2005
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