DELBO   SEN LOTUS  
12.06.2004 @ Posthof

An diesem Samstag sollte das größte Sportereignis dieses Jahres(abseits der olympischen Spiele) seinen Anfang nehmen, nämlich die Fußballeuropameisterschaft in Portugal. Und bereits beim Eröffnungsspiel sollten die Weichen für den großartigen Triumphzug der griechischen Sensationself gestellt werden.

Ob das Fernbleiben der Fans an diesem Abend ausschließlich damit zu erklären ist, dass viele diesen Samstagabend eben lieber vor dem Fernsehschirm verbrachten, um die EM mitzuverfolgen, sei allerdings dahinstellt.

Jedenfalls konnte anhand der äußerst enttäuschenden Besucherzahlen einmal mehr festgestellt werden, wo quasi der Mainstream aufhört und der Underground beginnt: Während BLUMFELD beispielweise im letzten November den mittleren Saal dieses Venues fast zur Gänze füllten (EARSHOT berichtete), war die Show der allseits beliebten Chartstürmern SPORTFREUNDE STILLER im großen Saal im heurigen April binnen weniger Wochen restlos ausverkauft. Selbst die Tickets für die Zusatzdarbietung der Deutschen vor wenigen Tagen ebendort waren ebenso rasch vergriffen. Zum Vergleich: DELBO aus Berlin sowie der Local Support, SEN LOTUS aus Linz, mussten sich mit einer schütteren Kulisse von etwa 15 bis 20 Fans begnügen, und das natürlich im kleinen Saal des Posthofs. (Auch der Eintrittspreis war mit 8 Euro durchaus im Bereich des Leistbaren anzusiedleln.) Ein Umstand, der sicherlich damit zu tun hat, dass DELBO hierzulande höchstens als Insidertipp gehandelt werden können, und über ein dementsprechend geringes Fanpotential verfügen.

Als Vorgruppe durften jedenfalls die Lokalmatadore SEN LOTUS in Erscheinung treten. Eine bereits seit 1996 existierende Formation um den einstigen SHY-Gitarristen Peter Trebo, der bei seiner Ex-Band aber noch des öfteren als (zweiter) Livegitarrist aushilft, und bei seinem eigentlichen Baby SEN LOTUS auch in die Rolle des Frontmann schlüpft. Auf musikalischer Ebene wird hier ein in höchstem Maße bermerkenswerter Stilmix aus Indie Pop-Sound mit Elektro-Zutaten forciert. Eine durchaus gewagte Mischung, die auch alles andere als alltäglich erscheint, aber besonders bei Livekonzerte ihre Wirkung wahrlich nicht verfehlt, und dabei gleichermaßen tanzbar wie bewegend-emotional ausfällt. Der Gig fiel jedenfalls absolut zufriedenstellend aus, und die Stahlstädter präsentierten eine angemessene Ansammlung alter und neuerer musikalischer Ergüsse: u.a. „Engel“; „Wie sehr“ (EP „Wog“ (1999)) oder auch „Dive“ („Automobile“ (2000)). Leider konnten SEN LOTUS eben nicht davon profitieren, als stadtansässige Kombo ein wachechtes Heimspiel zelebrieren zu dürften, denn allzu viele Fans/Freunde konnten nicht zum Besuch dieser Veranstaltung animiert werden.

Und dem Hauptact, DELBO, der an diesem Tag erstmals in der drittgrößten Stadt Österreichs gastierte, fehlt eindeutig die mediale Präsenz, um ausreichend Fans für seine Sache zu mobilisieren. So musste das Berliner Trio, das bereits seit Dezember 1999 unter dem Banner DELBO gemeinsame Sache macht, eben mit der Tatsache vorlieb nehmen, nur etwas mehr als einem Dutzend Auserwählter die Songs ihrer beiden Werke „innen/außen“ (2003) und "Holt Boerge" (2001) vorzustellen zu können. Vom sicherlich für die einzelnen Bandmitglieder demotivierenden Desinteresse der LinzerInnen lies man sicher aber nicht entmutigen, und machte einfach das Beste aus dieser Situation, und war wohl mit der gleichen Spielfreude bei der Sache, als hätte man vor wesentlich mehr Leuten gespielt. Die Klangfarben, die bei DELBO zur Zusammensetzung ihrer Soundcollagen Verwendungen finden, sind als durchaus kreative Vermischung von Stilelementen zu verstehen, die man am ehesten Bands aus der sogenannten „Hamburger Schule“ zuordnet (Gesangslinien, teils schwermütige Grundstimmung, lustig/schräge Texte), aber auch von experimentell-abgefahren bis progressiv agierenden Kombos wie FUGAZI und Konsorten kennt(Songstrukturen, Hang zu fast schon jazzigen Improvisationen, Überraschungsmomente usw.). Das Songmaterial erweist sich jedenfalls als durchaus schwerverdaulich und zum Teil durchaus hart rockend, und dementsprechend viele Hördurchgänge sollten vonnöten sein, um die Stücke komplett erfassen zu können. DELBO trugen es mit Fassung, und waren sich auch nicht zu schade, der kleinen Menschenansammlung vor der Bühne auch eine Zugabe zu gönnen. Alles in allem eine sicherlich gelungene Veranstaltung, die sich freilich weitaus mehr Anklang verdient hätte.


Hutti
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Beitrag vom 09.07.2004
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