FANTOMAS   GUAPO  
08.05.2004 @ Planet Music

Nach der zwar recht netten aber vergleichsweise lahmen Vorband GUAPO, an denen der rote Umhang des einen Keyboarders noch das interessanteste war (ihre rein instrumental dargebotene Musik wirkte live bemüht aber auf Dauer etwas unspektakulär), lieferten FANTOMAS einen Gig der Superlative für Wiens Musikfreaks und solche, die es gerne wären.
An dieser Stelle vielleicht ein kurzer Exkurs.
Vor der Bühne drängte es sich dichter als von mir erwartet und man mag mich wegen meiner gelegentlich zum Vorschein kommenden elitären Musikansprüche verurteilen, aber wenn besoffenen Bauernschädeln schon der Zutritt zu solch einer Veranstaltung gewährt wird, dann sollen diese bitte ihre Klappen halten und nicht (und da nützt es auch nichts, dass sie – ganz „Bravo“-Style eigentlich - alle Platten von FANTOMAS zu Hause oder alle G’schichtln über Mike Patton im Kopf haben) gröhlenderweise versuchen, den Nachwuchs-Patton zugeben. Es ist okay, im Vorfeld von AC/DC-Konzerten zehntausendmal „I’m on a Highway to Hell“ zu gröhlen, das ist lustig, das ist Rock’n’Roll, das muss so sein. Aber hier… also bitte Burschen, irgendwas habt ihr da falsch verstanden.

Für Leser, die nicht das Glück hatten, im Planet Music gewesen zu sein, zunächst eine kurze Beschreibung der Bühnenaufstellung der vier Ausnahmekönner Patton, Osborne, Lombardo und Dunn: vom Publikum aus rechts gesehen war mit Blick zur Bühnenmitte Zeremonienmeister, Dirigent und Startenor der etwas sick-eren Art Mike Patton samt Gerätschaft bestehend aus unter anderem zwei Mikros, einer Sirene, einer Melodika, die gleich zum „Godfather“-Intro zum Einsatz kam und zwei Keyboards angetreten, um ordentlich Unterkiefer herunterklappen zu lassen. Ihm gegenüber befand sich das Drumset von Dave Lombardo. Die sich vereinzelt im Publikum befindlichen Old School Metaler, die wohl hauptsächlich wegen den Drum-Künsten des SLAYER-Schlagwerkers gekommen waren, wurden vielleicht ein wenig enttäuscht, denn entsprechend der Musik, ist Lombardos Set bei FANTOMAS nicht in erster Linie auf Metal ausgerichtet und so befanden sich statt Wäldern aus Becken und Gebirgen aus Toms für den Metaler eher seltsam anmutende Ringe, Bögen und andere Zeug-schaften am linken Bühnenrand. Zwischen den beiden bereits erwähnten standen vergleichsweise traditionell ausgestattet und ausgerichtet (Blick Richtung Publikum!) Buzz Osborne mit etatmäßiger Gibson-Gitarre und Trevor Dunn mit Fender-Bass Seite an Seite.
Bald wurde auch klar, warum FANTOMAS nicht in traditioneller Populärmusikaufstellung musizieren, sondern wie Jazzbands eine kommunikationsbegünstigende Aufstellung nicht nur bevorzugen sondern benötigen: ohne Augenkontakt, Handzeichen, Zuzwinkern oder was auch immer auf der Bühne zwischen den Musikern vor sich geht, geht da gar nichts. Mastermind Mike Patton nimmt natürlich quasi den Taktstock in die Hand und so waren alle anderen Blicke zumeist auf ihn gerichtet bei Passagen, die die besagte Kommunikation verlangen. Ist auf CD zunächst die alleinige Idee etwa ruhige, filmmusikartige Klänge von wüsten Grindcore-Attacken durchbrechen zu lassen interessant, so erscheint live vor allem die Durchführung faszinierend: vom Bruchteil einer Sekunde zum anderen schaffen die vier Musiker es präzisestens musikalische Universen zu wechseln und gleich wieder zurückzukehren ohne dabei zu wirken, als würde die Form den Inhalt bestimmen. Unglaublich.
Mit musikalischem Expressionismus begnügte sich Frontmann Patton natürlich nicht, auch tänzerischer und mimischer gehören zu seinem Repertoire und er ist halt durch die Kombination all dieser Fähigkeiten mit seinem prollig-arschlochmässigen Auftreten (Goldkette, Turnschuhe, Gel en masse,…) ein Unikat.
Ob Meister Patton auch sonst so arrogant und wortkarg ist, vermag ich nicht zu beurteilen, kann es mir aber gut vorstellen, es würde passen. Falls nicht, so würde ich dennoch nicht, wie ein anderer Kritiker, den Abend des 8.5. als „stiefmütterlich gebotene Show“ (Standard S. 22, Ausgabe vom 10.5.) bezeichnen. Ist halt doch ein bisschen kopflastig, ihre Musik. Aber auch das passt.


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Kronos
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Beitrag vom 19.05.2004
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