SLIPKNOT   FEAR FACTORY   CHIMAIRA   SWORN ENEMY  
12.04.2004 @ Rosebowl, New York

Dem Großteil der mit 3200 Besuchern ausverkauften Halle scheint die
Perfomance des SLIPKNOT-Frontmans durchaus zu gefallen, doch nicht nur mir
spricht der Ami, der mit diesem Schrei lautstark seinen Unmut bekundet hat,
aus der Seele – ringsum entdecke ich ausdruckslose Gesichter, die Blicke
ungläubig auf die Bühne gerichtet.

SWORN ENEMRY, CHIMAIRA & FEAR FACTORY haben die New Yorker Roseland Ballroom zu diesem Zeitpunkt bereits zum Beben gebracht – und sichtlich ihre Spuren an mir hinterlassen:
Neben einigen blauen Flecken und einer aufgeplatzten Unterlippe zeugt das aufgeschlagene Schienbein für die Intensität des Moshpits.
Generell scheinen die Leute hier viel hungriger auf ihrer Bands zu sein, als dies bei uns in Österreich der Fall ist:
Sprechchöre vor dem Eingang der Halle, übermotivierte Fans, die von den Securities rausgezerrt werden und der unpackbare Moshpit machen deutlich, wie entfesselt die Leute hier an der Östküste an diesem Abend sind.
Da einer Freundin eben der Recorder konfisziert wurde, nachdem uns Securites
dabei erwischt haben, als wir klären wollten, ob die FEAR FACTORY-Aufnahmen
etwas geworden sind, und ich keine Dollars mehr in der Tasche habe um mir
ein kühles Helles zu gönnen, lehne ich recht demotiviert an der Bar.
Ein ruhiges Gitarrenstück, wie ich anschließend erfahren sollte, "Circle" vom im
Mai erscheinenden "Subliminal Verses" leitet den SLIPKNOT-Gig ein, geht aber
in der Menge ziemlich unter, durch den Wirbel, der ausgebrochen war
als das Licht ausgegangen war.
Hat recht interessant geklungen was da aus den Boxen dröhnte, umgehaun hat
es mich jedoch nicht – viel eher dann der Beginn des Barcode-Intros, wie ein
elektrischer Schlag hat es mich getroffen, als Slipknot erstmals seit vier
Jahren wieder ein Konzert mit dem Intro der "S/T" eröffneten.

Ich eile vor in die Menge, vorbei an einer überdimensionalen,
aufgeblasenen Jägermeisterflasche und dränge mich in Richtung Bühne vor.
Bei einer Gruppe aufgepumpter Hardcoreler, die sich gerade auf einen
brachialen Pit vorbereiten, bleib' ich stehen, dreh mich um und beseh' mir die
herrlich Halle genauer:
Eine Vielzahl roter Novogramme werden auf die Decke, die Logen und die
Tribüne, welche steil hinter dem mit einem Teppichboden (!) belegten
Stehplatzbereich hinaufragt, projiziert. Sie huschen umher, tauchen die
Halle in ein rötliches, schimmerndes Licht und untermalen so visuell optimal
das Barcode-Intro.
Nach wenigen Minuten ist auch schon Joey zu sehen und nimmt seinen Platz
hinter dem Drumkit ein. Auch die anderen lassen nicht lang auf sich warten &
zu meiner Überraschung treiben sie die Spannung nicht wie sonst immer auf
den Höhepunkt indem sie minutenlang zu den irren „the world is just sick“
Samples posen.
Mit "(sic)" lassen sie es gleichmal heftig loskrachen.
Ab dem Zeitpunkt an dem Corey seine Stimmbänder einsetzt, ist all meine
Vorfreude an das Konzert verflogen, meine Befürchtung hat sich bewahrheitet.
Erst möchte ich erwähnen, dass ich nach dem Hören einiger neuer SLIPKNOT-Songs die im weltweiten Netz die Runde machten, meine Erwartungen ziemlich
nach unten geschraubt habe.

"Doch was soll´s", war mein Gedanke, solange sie die alten Klassiker wie
üblich zum Besten geben, kann sich das Konzert nur ausgezahlt haben.

Doch Corey hat selbst diese alten Songs verschandelt, in dem auch in sie
sein furchtbarer neuer Style zu singen eingeflossen ist.
Unverständlich außerdem, warum er kaum den gewohnt hohen Einsatz gezeigt hat,
wie angewurzelt ist er das gesamte Konzert an einer Position gestanden, in
früheren Zeiten ist er wie ein Flummi herumgesprungen, nun muss man sich
also über ein Heabangen wundern.
Die von der einen auf die andere Sekunde erloschene Freude flammte jedoch
schon beim nächsten Song wieder auf: "The Blister Exists".
Einige Percussion-Einlagen von Shawn & Chris leiten den Song auf
beeindruckende Arte ein. In der Mitte des Songs sind die beiden dann kurz
verschwunden um mit umgeschnallten Trommeln eine weitere Einlage zu
inszenieren, erinnerte stark an Marschmusik, nicht übel, was die beiden den
gesamten Song im Zusammenspiel mit Joey fabrizierten.
Der Percussion-geschwängerte Song, den ich an SLIPKNOT immer vermisst habe
konnte mich aber dennoch nicht überzeugen, woran das lag? Abermals an Corey,
dessen unpassender Refrain den Song zerhaut hatte.
Wenn ich die neuen Stücke wie "The Blister Exists", "Duality" oder "Three Nil",
als schlecht bezeichne, würde ich mich selbst belügen, es ist aber einfach
so, dass sie schlicht und einfach typische STONE SOUR-Songs sind, mit
stellenweise großartigen Melodien – aber das ist einfach nicht die Band wie
ich sie kennen und lieben gelernt habe.

Ich musste mich fragen, ob den alle anderen nur noch zu Marionetten von Corey
verkommen waren. Sein Gesangsstil hat nicht mehr viel mit den früheren Alben
gemein, passt auch kaum zur Musik. Wo sind die Emotionen geblieben, das
klingt alles so halbherzig und kraftlos dahingeleiert, dass es schmerzt.

Selbst als Sid "Eyeless" einleitete, meinen Lieblingssong auf der "S/T",
vermochte das nicht meine Stimmung aufzubessern, das Konzert war gelaufen.
SLIPKNOT schien mir nur noch eine schlechte Coverband ihrer selbst zu sein.
Der Sound fiel insgesamt zu wenig druckvoll aus, was mir aber auch schon bei
den Vorbands unangenehm aufgestossen hatte, war die Lautstärke, welche den gesamten Abend ruhigen Gewissens um einige Dezibel lauter hätte sein können.

Allesamt zeigen sie nicht den gewohnten Einsatz, Sid verzichtet auf seine
Stage Diving-Aktionen, Chris und Shawn halten sich zurück und selbst Mick
scheint die Nackenfäule bekommen zu haben.
Clown maletriert sein Drumkit neuerdings unter anderem mit einer Art
gebogenem Brecheisen. Zwischenzeitlich betreibt er damit peinliches Gepose
wie etwa "Cowboy schießt Indianer im Publikum über den Haufen", Chris machte
es ihm mit zwei Mikros im Desperado-Style nach.

Die Zeiten der hydraulischen Drumkits auf denen die beiden Percussionisten
eher lachhafte Zirkuseinlagen lieferten sind glücklicherweise wieder vorbei,
ebenso wie Pyroshow-Effekte - generell war Bühnenshow-mäßig ein sehr starker
Kontrast zur vergangenen "Iowa"-Tour bemerkbar.

Abgesehen von einer großen SLIPKNOT-Flagge hinter Joeys Drumkit ist die
Bühne nur mit ein paar dezenten Tribal-S dekoriert.

Anschließend spielen sie "Three Nil", "Duality", "Disaster Piece", "Purity", "Pulse of the Maggots" (die Studioversion hat sehr zusammengeschustert geklungen, live kommt er aber eine Spur rauer hinüber und hinterlässt den besten Eindruck der neuen Songs, auch wenn Coreys Stimme ein weiteres Mal versagt), "Iowa" – die ersten zwei Strophen-, "Heretic Anthem", "Spit it Out", "Wait and Bleed", "[515]", "People = Shit", "Surfacing".
"Iowa" überrascht mich positiv, sie verstehen die Spannung aufzubauen, anfangs
spielt Paul beispielsweise noch in entspannter Sitzposition bei den hinteren
Boxen.
Dass die Band aber nicht so mutig ist und die ganzen 15 Minuten des Songs
spielt, kann ich nicht nachvollziehen, anscheinend trauen sie ihrem Publikum
soviel Geduld nicht zu. Als der Song langsam härter wird, brechen sie abrupt
ab und Corey spricht: „If you´re 555 then I´m (666) ... this song is called the
heretic anthem!“

Was für eine selten beschissene Ansange und zu welch unpassendem Zeitpunkt,
den Übergang hätte man nicht schlechter wählen können. Schade drum, hätte
"Iowa" gern zu Ende gehört, "Heretic Anthem" ist dann wie zu erwarten eine
einzige Zumutung, Corey bringt es einfach nicht an diesem Abend.

Vor "Spit it Out" schwört uns Corey ein weiteres Mal (wie in jeder Stadt, in
der ich SLIPKNOT gesehen habe) dass wir das sickeste Publikum von ganz
Amerika wären.

Mitten im Song dann der gewohnte Break und der Song wird erst nach der
altbekannten „Jumpthefuckup“-Aktion fortgesetzt, die ihren Reiz längst wieder verloren hat.
Wobei seine Aufforderung, sich niederzusetzen die schlechteste seit jeher
ist: „This was part I, you know what part II is, don´t even think about it, be a
part of the fucking legend, sit down...“ und das ganze in so einem zufriedenen Ami Proll-Style, dass ich ihm am liebsten die Fresse poliert hätte. Wohin die Zeiten in denen er sich die Seele aus dem Leib geschrien hat um gehört zu werden?

Der letzte Song der diesen schwachen Gig abschließen wird, ist das „new
national fucking anthem... SURFACING!“. War dann wohl die Krönung des Abends
als er bei dem versuchten Schrei kläglich versagt hat und lässt die Frage
aufkommen, ob Corey an jenem Abend gesundheitsbedingt die Songs nicht so
hingebracht hat wie man es von ihm gewohnt ist.
So rasch wie sie gekommen waren, verlassen sie auch wieder die Bühne und ich
drehe mich nach einer Gruppe Amis, die neben mir vorbeimarschiert: „If this
wasn´t THE shit, I don´t fucking know what it is man!“

Ich schüttle den Kopf, wische mir das Blut von dem traurigen Grinsen und
bereite mich auf einen Spaziergang durch die verregneten Gassen New Yorks
bei Nacht vor, es geht auf in Richtung Hotel und somit einer wohltemperierten
Flasche Whisky entgegen...


Antihero
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Beitrag vom 21.04.2004
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