DEICIDE   DESTRUCTION   NILE   AMON AMARTH   DEW-SCENTED   GRAVEWORM   MISERY INDEX  
14.12.2003 @ Planet Music

Dieses Jahr gastierte der X-Mass Festival-Tross wieder im Wiener Planet Music, wo die Tour 2002 aufgrund von Problemen mit gewissen Bands im Line Up erstmals halt machte. Auch für den diesjährigen Europa-Feldzug war mit DEICIDE als Headliner eine Band geladen, die in der Vergangenheit durchaus für die eine oder andere Kontroverse zu sorgen vermochte.
Etwas verwundert war ich, als ich kurz nach 16.00 Uhr die ebenerdigen Räumlichkeiten des Planet's gerammelt voll vorfand, was zwar ob des Mobilisierungspotenzials der angekündigten Bands nicht weiter verwunderlich war, an dem Zeitplan des Abends allerdings Zweifel aufkommen ließ. Wie sich alsbald herausstellte, war der Einlass aus unerklärlichen Gründen für eineinhalb Stunden später angesetzt als ursprünglich bekanntgegeben.

Den musikalischen Reigen an diesem Abend eröffneten MISERY INDEX, die recht frisch-fruchtig losknüppelten. Bei einem leider eher unterdurchschnittlichen Sound legten sich die vier Amis trotzdem ordentlich ins Zeug und ernteten für ihre brachialen Death Metal-Kreationen, die mal stärker, mal schwächer einen Hardcore-Einschlag durchblicken – oder besser durchhören – ließen, breite Zustimmung. Obwohl die Band ohne weiteres einen Tick Eigenständigkeit verbuchen kann, merkt man Jason Netherton & Co. eindeutig ihre Vergangenheit an und gewisse musikalische Parallelen zu DYING FETUS lassen sich nicht verleugnen. Über eine halbe Stunde lang, bot man dem geneigten Publikum ein Auf und Ab zwischen ratternden Blastpassagen und schweren, groovenden Parts, die förmlich zum Mitbangen zwangen. Trotz der soundtechnisch eher widrigen Verhältnisse, wusste das Quartett sein Songmaterial – mit Hauptaugenmerk auf die neue Scheibe „Retaliate“ - durch sehr engagiertes Aufgeigen überzeugend zu transportieren.

Bei weitem nicht so brutal, aber nichtsdestotrotz ausgesprochen fetzig präsentierten sich dann GRAVEWORM. Die Melodic Black-Kapelle konnte im Gegensatz zu ihrem Auftritt im Rahmen des diesjährigen Metalfests in der Wiener Arena eindeutig mehr überzeugen, da das Sextett äußerst motiviert zu werke ging. Die durchwegs sehr melodischen Songs wurden bei einem überraschend transparenten Sound teils von den Gitarren, teils vom Keyboard getragen und die bisweilen episch-hymnischen Passagen wechselten sich sehr stimmig mit mitreißenden Parts ab. Insgesamt schienen die Herren (und Dame) rund um Sänger Stefan Fiori – der kurzzeitig auch bei den Österreichern SHADOWCAST ausgeholfen hat – diesmal eher auf schnellere Songs zu setzen, womit sie keinesfalls falsch lagen, denn ein Gutteil des Publikums fühlte sich zum Mitmachen animiert. Angestachelt von der unübersehbaren Bewegung vor der Bühne, durchmaß Fronter Fiori mal kreischend, mal gröhlend die Längen und Breiten der Planet-Bühne und bewies seine Fähigkeiten als Anheizer, während seine Bandkollegen – insbesondere seine Bandkollegin am Keyboard – heftig am Bangen waren. Viel mehr als eine halbe Stunde GRAVEWORM war aber anscheinend trotz aller Bemühungen nicht in der sehr rigiden Running Order drin.

DEW-SCENTED machten dann stimmungsmäßig dort weiter, wo ihre Vorband aufgehört hatte und rockten mit ihren energetischen Thrash-Krachern das Haus. Die Deutschen, die das Problem mit der vakanten Bassisten-Stelle nun so ziemlich gelöst zu haben scheinen, bretterten von der ersten Minute mit enormen Elan und Spielfreude los und sorgten für einige kreisende Köpfe im Auditorium. In der geschätzten Dreiviertelstunde, die ihnen zur Verfügung stand, ließen DEW-SCENTED ihre bisherigen Schaffensperioden im Schnelldurchlauf Revue passieren, wobei natürlich nicht darauf vergessen wurde, einen bleibenden Eindruck davon zu hinterlassen wie das akutelle Album "Impact" (Review hier nachzulesen) so klingt. Bei dieser Fast-Forward-Show zeigte sich, dass die anfangs doch sehr präsenten Death Metal-Einflüsse im Profil der Band zunehmend zugunsten purer Thrash-Formate reduziert wurden und bei der unverkennbaren (musikalischen) Affinität – nicht umsonst hat die Band auch ein "War Ensemble"-Cover im Repertoire – war es nicht weiter verwunderlich, dass zwischen den Liedern der eine oder andere "SLAYER!"-Schlachtruf erklang. Soundmäßig waren die fünf Herren leider nicht ganz so gesegnet, wie GRAVEWORM zuvor und auch auch der Umstand, dass anscheinend jemand den Volume-Regler deutlich aufgedreht hatte, war nicht unbedingt wirklich förderlich.

Nach einer etwas längeren Umbaupause, in der sehr umständlich und mit ziemlich viel Aufwand rechts und links vom Schlagzeug Banner mit nordisch-mythologischen Bildern befestigt wurden, legten AMON AMARTH mit dem Opener ihres letzten Albums "Versus The World" los und testeten ausgiebig die Live-Tauglichkeit ihres neueren Materials. Und es schien auch ziemlich gut anzukommen, war das Publikum durch die drei vorigen Bands ja gut aufgewärmt und wahrscheinlich auch durch das eine oder andere Bier gestärkt und so dauerte es nicht lange, bis der erste größere Moshpit des Abends um sich griff. Hatten die fünf Herren rund um Wikingerhäuptling Johan Hegg beim diesjährigen Metalfest eine eher mittelmäßige Show geboten – angeblich waren die hohen Temperaturen daran schuld - , legten sie sich diesmal wieder in gewohnter Frische ins Zeug und ließen es gehörig krachen. Nachdem man mit dem Publikum etwa 45 Minuten auf Raubzug gegangen war, diverse Schlachten ausgefochten hatte und Ragnarøk, das Ende aller Tage, heraufbeschworen hatte, wurde das vordere Drittel der Halle kurzerhand rekrutiert, um beim "Victorious March" mitzumarschieren – inzwischen ein Fixpunkt bei jedem AMON AMARTH-Auftritt!

Auf NILE hatte ich mich persönlich sehr gefreut, doch leider trat genau das ein, was ich befürchtet hatte: Der Tontechniker exekutierte die Band ohne viel Federlesens! Die hochkomplexen Technik-Orgien, Blastgewitter und Double Bass-Stürme der vier Amis mit der Preferenz für Blut und Beuschl in vorchristlichen Kulturen verkamen zu einer einzigen Klangwand. Das einzige, was einwandfrei und klar aus den Boxen kam waren die Intros vom Band, ansonsten konnte man nur erahnen, welche Kunststücke jeder einzelne der vier Akteure an seinem Instrument vollbrachte. Ab und zu schaffte es mal eines der halsbrecherischen Gitarren-Soli aus dem Soundbrei hervorzustechen, alles in allem war aber die an sich faszinierende Klangwelt von NILE vollkommen ihrer Dynamik und ihrer Höhepunkte beraubt. Das hinderte die Musikanten zwar nicht im geringsten daran, sich ziemlich zu verausgaben, aber das Publikum schien einerseits von den bisherigen Bands schon ein bisschen geschafft und angesichts des niederprasselnden Tonhagels auch etwas überfordert. Mit Müh und Not gelang es mir, das eine oder andere mir bekannte Stück herauszuhören, aber auch eines der live-wirksamsten Lieder, "Black Seeds Of Vengeance", konnte ich nur anhand des Intros und dem markanten Schlusspart einwandfrei identifizieren.

Nach dieser Enttäuschung folgte erstmal eine einstündige Pause, in der auf der Bühne reges Umbautreiben herrschte und noch letzte Soundchecks für die vorletzte Band des Abends, DESTRUCTION, vorgenommen wurden. Dem Aufwand angemessen war dann auch der Sound, den Schmier & Co. dann abbekamen der beste des Abends. Über die Show des legendären Thrash-Trios kann ich leider recht wenig sagen, da mich die Band in keinster Weise begeistern kann. Ein Großteil der Anwesenden war jedoch eindeutig anderer Meinung und feierte die Band ordentlich ab. Ich habe mir dann auch sagen lassen, dass es ein verhältnismäßig recht feiner Auftritt gewesen sein soll.

Während das Equipment von DESTRUCTION rasch abgebaut wurde, wuchs die Spannung in der Halle deutlich, schließlich hatten uns DEICIDE schon des längeren nicht mehr beehrt. Trotz der immer lauter werdenden "DEICIDE, DEICIDE!"-Rufe dauerte es noch ein bisschen, bis die Herren Benton, Asheim, E. und B. Hoffmann auf der Bühne erschienen. Ohne große Umschweife begrüßte Mr. Benton die erfreute Menge mit "Hey, children of the underworld!" und jeder wusste, was Sache war. In gewohnter DEICIDE-Manier wurde das Set gnadenlos und (fast) auf den Punkt genau heruntergefiedelt und die Band machte ihrem Ruf als eine DER Live-Bands im extremen Metalbereich wieder einmal alle Ehre. Zwar war der Sound nicht so tight und transparent, wie man das ursprünglich hätte annehmen können, die Routine der Akteure und die grundsolide Performance machten jedoch alles wett. Doch DEICIDE wäre nicht DEICIDE, wenn nicht der perfekten Show eine ziemliche Distanz zum Publikum und gewisse Star-Allüren gegenüberstünden. So sah sich Mr. Benton nicht genötigt – im krassen Gegensatz zu allen anderen Bands des Abends – zwischen den Songs ein bisschen Konversation zu betreiben und verlegte sich hauptsächlich auf die Ansagen der folgenden Tracks. Nichtsdestotrotz konnte sich das Auditorium recht ausgiebig für die gebotene Unterhaltung erwärmen, blieben doch wenig Wünsche offen – eine Ausnahme bildet hier der Wunsch nach mehr als einer Zugabe, dem die Band aber leider nicht nachkam. Die Tracklist des knapp einstündigen Auftritts liest sich wie eine Art "Best Of":
Children Of The Underworld
Bastards Of Christ
Bible Basher
Lunatic Of God's Creation
Serpents Of The Light
Sacrificial Suicide
Once Upon The Cross
Deicide
Dead But Dreaming
When Satan Rules His World
Dead By Dawn
Crucifixation

Fazit: Ein ziemlich gelungener Abend mit einem interessanten und abwechslungsreichen Band-Line Up in dem – für X-Mass-Verhältnisse sehr ungewöhnlich – ausnahmsweise weder VADER, noch MARDUK, noch CANNIBAL CORPSE aufschienen. Auch ganz in Ordnung war das preislich sehr moderate und vor allem vielfältige Merchandise, was bei großen Touren auch zunehmend leider eher Seltenheitswert hat. Die Platzverhältnisse waren ob der nicht übermäßig hohen Besucherzahlen eigentlich sehr angenehm und die Stimmung im Allgemeinen sehr gut. Einzig bei der Erstellung des Zeitplans hätte man ein bisschen mehr Umsicht walten lassen können, schließlich macht es nicht unbedingt Spaß, zuerst vor Beginn des Konzertes eineinhalb Stunden und dann noch während der Veranstaltung eine Stunde warten zu müssen.


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Christoph
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Beitrag vom 23.12.2003
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