Interview mit SATYRICON - Die Black n’ Roll-Tautologie


Im Rahmen der „Tour Diabolical“ benannten Rückkehr der Szenegötter SATYRICON bot sich mir die Ehre, ein paar Takte mit Fronter Satyr zu plaudern. Mehr als 20 Minuten gab’s zwar nicht, und die musste ich mir mit dem Kollegen Michi von adl.at teilen. Doch obwohl der Ober-Satyr sichtlich erschöpft war, zeigte er sich bemüht um ausführliche Antworten, die hier in gestraffter Form nachzulesen sind. Grund für die Kürze? Probleme mit der Stimme...

Marian: Darf ich rauchen?

Satyr: Nein, bitte echt nicht. Ich rauche selbst nicht mehr, it was fucking up my voice...

Marian: ok...

Michael: Trainierst du viel vor den Shows

Satyr: Ja, ich trainiere zu hause viel! Du musst hart trainieren, um gute Resultate zu bekommen. Um dich mental und körperlich stärker zu fühlen. Du musst eine Balance finden, denn wenn du zu hart arbeitest laugt es dich aus. Je stärker du bist, desto mehr Kraft hast du, um die Herausforderungen zu meistern, die sich in meinem Leben stellen – denn es ist schon hart. It’s a good life, but it’s a tough life! Ich versuche es sehr ernst zu nehmen, vorbereitet zu sein.
Auf Tour hab ich es allerdings bei weitem nicht so viel gemacht wie ich gewollt habe, aber ich muss auch nicht super-hart trainieren, es geht mehr darum, dass ich mich besser fühle. Frost macht das selbe, er muss auch viel trainieren, weil er so viele Verletzungen vom Drummen hat.


Marian: Zum neuen Album – wie waren die Reaktionen bisher, vom Publikum und von den Kritikern?

Satyr: Wir werden ja heute sehen. Um ehrlich zu sein, die österreichische Menge ist manchmal – wie auch in Norwegen – schon sehr ruhig. Auf dieser Tour ging es aber fast immer ziemlich ab, nur drei Shows hatten mäßige Reaktionen. Das wichtigste ist, wie die Leute live auf das neue Material reagieren. Wir waren jetzt vier Wochen unterwegs, und generell waren die Reaktionen auf Songs wie „King“ oder „Now, Diabolical“ zehn mal (!) besser als auf Songs von, sagen wir, der „Nemesis Divina“ – ausgenommen natürlich „Mother North“, das ist ja unsere Hymne. Wir spielen auch „Du Som hater Gud“, diesen Song mag ich immer noch sehr, aber verglichen zu einem Song wie „Now, Diabolical“ ist er nichts.
Die Kritiken seitens der großen Magazine waren fast ausnahmslos Höchstnoten. Das ist natürlich schön, aber die spontanen Live-Reaktionen sind mir wichtiger. Das ist wohl auch der Grund, warum ich den Vergleich zu „Nemesis Divina“ heranziehe; als dieses Album herauskam hatte es den selben Effekt auf die Leute – vom ersten Akkord an waren die Konzertbesucher voll dabei.


Marian: Bleiben wir beim neuen Album: Ich habe sehr konträre Ansichten zu „Now, Diabolical“ mitbekommen; manche alte Fans haben sich sogar von SATYRICON losgesagt.

Satyr: Ok, aber ich habe eigentlich eher das Gegenteil mitbekommen. Demonaz z.B., den ich nicht so oft sehe, weil er ja nicht mehr live mit IMMORTAL unterwegs ist, habe ich am Hole in the Sky getroffen, und er mag das neue Album total, es gibt ihm diesen Old-School-Vibe. Frost hat genau das selbe von Fenriz gehört. Ich glaube, manche alte Fans wollen uns sehr melodisch haben, mit Piano und Panflöten und Akustikgitarren, Folk und Mittelalter-Kram. Als wir das taten wollte ich das auch so, aber jetzt will ich das nicht mehr.
Leute sagen dies und das über Musik, aber geben nie zu, dass sie es einfach *persönlich* melodischer mögen und nicht auf auf diese dunklere Art, die wir jetzt verfolgen. Eins ist unleugbar, wenn du einen Song wie „The Rite of our Cross“ nimmst – du kannst ihn hassen, aber er ist definitiv düsterer als alles auf „Dark Medieval Times“, „The Shadowthrone“ oder „Nemesis Divina“! Das ist der Unterschied, früher waren wir melodischer, „softer“ (sic!), jetzt sind wir nur mehr Gitarren, Bass und Drums, viel mehr VENOM oder BATHORY-Denkweise; nur mehr vier, fünf Riffs und einen griffigen Chorus. Ich bin als Musikfans zurückgekehrt zu alten Sachen wie VENOM und orientierte mich daran – es ist mein leading star.


Michael: Du hast wieder fast alle Instrumente selbst eingespielt. Wieso nimmst du nicht mit deinen Bandleuten auf, die ja schon ein gut eingespieltes Team sind?

Satyr: Die Chemie zwischen mir und Frost ist eine ganz eigene; wir sind wie ein Gespann mit vier Rädern, es kann keine fünf geben. Wir haben das oft probiert, aber es funktioniert einfach nie! (Na, wenn das Leute wie Nocturno Culto hören... Anm. Marian) Ab „Rebel Extravaganza“ beschloss ich das sein zu lassen!
Aber Lars hat auf Now, Diabolical den Bass eingespielt, ganz einfach deswegen, weil ich dachte, dass für die meisten Songs ein Finger-Basser besser sei als einer, der ein Plektrum benutzt.


Michael: Was hat sich beim Aufnahmeprozess geändert? Heute gehen ja viele weg von den großen Studios und ziehen sich in Home Recording-Studios zurück?
Satyr: Nein, das machen wir nicht wirklich. Wir haben viel Zeit in einem sehr kleinen Studio verbracht, wo wir Stimme, Gitarre und Bass aufgenommen haben, aber Drums und Mix sind in einem größeren Studio gemacht worden.

Marian: Ich habe es interessant gefunden, dass du „Now, Diabolical“ so als VENOM-inspiriertes Old-School-Album beschreibst. Viele Reviewer haben von „Back to the Roots“ gesprochen, und was den Minimalismus angeht stimmt das ja auch – aber ich glaube, dass SATYRICON spätestens seit der „Rebel Extravaganza“ viel zu avantgardistisch sind, um auf „Old School“ reduziert werden zu können?

Satyr: Jaja, ich verstehe das sehr gut! Kennst du AURA NOIR, ja? Das ist eine gute Band, aber so was könnte ich nie machen! Eine Band, die wie eine 80ies Band klingen muss – ich könnte das nicht. Band wie KREATOR, DESTRUCTION, SODOM waren besonders in ihrer Zeit, aber die Zeiten sind nicht mehr die selben, du kannst das nur mehr imitieren.
Wenn ich Aufnahmen mache, versuche ich den jeweiligen Moment zu definieren, ich bin sehr analytisch. Ich versuche herauszufinden, was ich gerade wirklich gern höre, was ich will. Ich schreibe auch nieder was ich denke. Erst kürzlich habe ich diese Notizen durchgesehen, das war interessant: Ich habe notiert, dass ich nur eine handvoll Teile wollte, die einen Song auf ihren Schultern tragen können, und einen griffigen Chorus. Es war nicht leicht, mit diesen Vorgaben Songs zu schreiben, z.B. in einem vorgegebenen Tempo zu bleiben. Es wirkt aber viel natürlicher, wenn ein Song von, sagen wir 135 bpm, bei seinem anfänglichen Tempo bleibt; ich habe Tempovariationen versucht, aber sie haben sich nie richtig angefühlt.
Diese analytische Herangehensweise ist natürlich etwas völlig anderes als Quorthon oder Kronos getan haben. Es ist die Natur SATYRICONS sich Konventionen zu widersetzen. Wenn ich unter Nicht-Blackern bin, dann verteidige ich den Black Metal, wenn ich unter Black Metallern bin, dann sage ich aber „Fuck Black Metal“ (lacht). So bin ich, und so ist meine Band – wir machen die Sachen halt auf unsere Weise, und wir schauen lieber in die Zukunft als vergangene Zeiten zu imitieren, deshalb sind wir auch in unserer Position.


Michael: Richtig catchy Sachen zu machen ist im Black Metal ja fast schon ein Trend, wie bei „I“ oder „Chrome Division“. Siehst du euch in dieser Bewegung, weg vom traditionellen und hin zu einem „moderneren“ Black n’ Roll?

Satyr: Gute Frage! Ich muss da etwas ausholen: ich verstehe, was du mit Black n’ Roll meinst, und viele sagen das so, aber das ist falsch! Denn Rock n’ Roll war immer schon eine Hauptingredienz von Black Metal, und wenn du das so sagst klingt das, als ob er keinen traditionellen Platz in dieser Musik hätte. Songs wie „In League with Satan“, der ging ja so (singt daadada daadada daadada daadaa, lacht) – das war Black Metal! Oder dieser alte BATHORY-Song, „The Reaper“, das war schnellere MÖTÖRHEAD. Dann kamen progressive Bands wie EMPEROR mit ihrem progressiven Touch und haben das Verständnis von Black Metal verändert. Aber ich liebe Black Metal dann, wenn die Rock n’ Roll-Roots klar zu erkennen sind – ich höre selbst gern, nennen wir es mal „Hard Rock“, wie AC/DC, BLACK SABBATH, DEEP PURPLE oder LED ZEPPELIN.
SATYRICON haben allerdings schon ihren Teil zu dieser Richtung beigetragen. Wir haben schon mit dem elektro-Remix-Zeug angefangen, das machte dann bald jeder. Rebel Extravaganza bekam großartige Reviews, aber viele haben es furchtbar gehasst. Aber viele haben später auch gesagt, dass sie es später total gut gefunden haben. Es ist ähnlich wie bei Euronymous, der einen sehr kompromisslose Herangehensweise hatte, er hat sich für nichts entschuldigt, sein Ding gemacht und sehr viele damit beeinflusst – SATYRICON haben mit Songs wie „Fuel for Hatred“ auch sehr viele beeinflusst.


Marian: Ok, letzte Frage! Ich kann verstehen, wenn du sie nicht beantworten möchtest, weil es dir zu persönlich sein könnte: Mit dem Tod von Quorthon und Dimebag hat die Metalszene zwei tragische Verluste hinnehmen müssen, du hast zwei Freunde (?) verloren – was bleibt?

Satyr: Nein, das ist schon ok. Also, so nahe waren mir beide nicht. Ich war einer der wenigen Privilegierten, die mit Quorthon telefonieren durften, und es gab lange und intensive Gespräche, aber ein Freund war er nicht direkt, das selbe gilt für Dimebag. Bei ihm ist es ein ähnliches Phänomen wie wenn ein Polizist erschossen wird und alle Polizisten durchdrehen, oder bei einem Feuerwehrmann: Er ist ein Musikerkollege, der erschossen worden ist – wir sitzen letztlich alle im selben Boot!
Mit Quorthon war das was anderes, Herzversagen, glaube ich, ja? Es ist natürlich tragisch für seine Angehörigen, seine Freundin, wenn er eine gehabt hat – aber ich glaube, es war ihm wohl vorbestimmt. So große Menschen haben ein solches Schicksal, es ist wie bei HENDRIX oder ELVIS – er war gewissermaßen der King der Black Metal-Szene!


Marian: Na, dann hoffen wir, dass es das Schicksal mit dir besser meint!

Satyr: Ach, so wichtig bin ich nicht!




Autor: marian

Weitere Beiträge von marian


Zurück

Beitrag vom 10.10.2006
War dieses Interview
interessant?

5 Stimme(n)
Durchschnitt: 6.8

Diesen Beitrag bewerten:
  
Diesen Beitrag per E - Mail verschicken:
An:
Von:
Kommentar: