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CYNIC - Kindly Bent To Free Us
Label: Season Of Mist |
Ein paar warnende Worte zu Beginn: Wer hier ist um zu sehen ob CYNIC wieder zu Focus zurückkehren, braucht schon ab hier nicht mehr weiterzulesen. Wer erwartet eine völlig nüchterne und womöglich gar objektive Meinung zu bekommen, wird ebenfalls enttäuscht werden. Ich sehe die Welt durch die rosaroten CYNIC-Brille, ganz einfach weil ich zur Meinung gelangt bin, dass alles (vielleicht mit Ausnahme der PORTAL-Sachen) was die Herren Masvidal und Reinert angreifen zu reinem Gold wird. Egal ob ihre beiden so unterschiedlichen Alben, die beiden EPs oder auch ihr Nebenprojekt AEON SPOKE mit dem sie sich vom Metal noch viel weiter entfernt haben als mit CYNIC.
Und damit kommen wir jetzt auch wirklich zur sehnlichst erwarteten neuen Scheibe „Kindly Bent To Free Us“. Es wäre nach der 2011er EP „Carbon Based Anatomy“ nicht allzu überraschend gewesen, wenn sie diesen Weg weiter verfolgt hätten, aber das ist so nicht der Fall. Es wäre zu viel des Guten zu sagen, sie wären wieder zum Metal zurückgekehrt, aber im Gegensatz zur EP gibt es hier keine reinen Ambient-Stücke, dafür aber ein paar mehr Gitarrensoli. Die Gitarren haben zwar vom Sound her nicht mehr viel mit Metal zu tun, aber die Riffs selber bieten schon noch Ecke und Kanten. „Die Gitarren“ ist natürlich falsch, es handelt sich nur um eine, und das führt zum nächsten Punkt. CYNIC ist heute wieder ein Trio, also eben Masvidal, Reinert und dazu der langjährige Bassist Sean Malone. Viele Bands mit nur einem Gitarristen umgehen dieses Problem, indem sie diesen einfach verschiedene Spuren einspielen lassen, CYNIC nicht. Bei CYNIC gibt es keine Schubladen, auch nicht was die traditionelle Rollenverteilung hinsichtlich Rhythmus-/Leadgitarre oder auch Melodie-/Rhythmusinstrumente betrifft. Alle drei Instrumente plus Gesang sind gleichberechtigt für die Melodie zuständig. Gitarre und Bass harmonieren fantastisch, was sicher auch daran liegt, dass der Bass (gezwungenermaßen) sehr gut zu hören ist und eine vollkommen selbständige Rolle ausübt. Es gibt wohl nur wenige Alben für die der (hier standesgemäß fretless) Bass derartig wichtig ist, wie für dieses.
Es gibt auch nur wenige, wenn überhaupt irgendwelche, Alben in denen das Schlagzeug mehr Melodieinstrument als sonst irgendetwas ist. Aber es gibt halt auch nur wenige, nein, gar keine zweiten Sean Reinerts auf dieser Welt. Sein Spiel mag nicht das schnellste und technisch komplexeste sein, aber bei ihm geht es um Dinge die man nicht lernen und messen kann. Sein Gespür mit der Musik mitzugehen, diese zu ergänzen, auszubauen und Melodien weiterzuführen tritt bei „Kindly Bent To Free Us“ wieder einmal sehr in den Vordergrund. Spielerisch, fast verspielt und sehr jazzig, schwebt dieser Mann durch die Musik und lässt einen ebenso schwebend zurück. Für diejenigen die die 20 Jahre seit Focus noch immer nicht verkraftet haben findet sich auch ein besonderes Geschenk: Double Bass! Ja, tatsächlich, für einen ganz kurzen aber sehr passenden Moment macht einen ein kurzer Double Bass-Einsatz glauben, es würde sich hier um ein Metal-Album handeln. Um welchen Song es sich handelt sei dabei nicht verraten, man möchte den Überraschungseffekt dieses Augenblicks ja nicht zu verderben.
Ein letztes Wort noch zum Gesang: Der Vocoder auf „Focus“ bei den klaren Vocals war sicher nicht jedermanns Sache und auf „Traced In Air“ war der Gesang dann nicht mehr so stark verzerrt. So ist der Gesang hier nun völlig klar und unverändert. Besonders schön sind die Passagen in denen die Musik an sich eher schnell unterwegs ist, der Gesang aber langsam und gemächlich darüber ruht. Growls gibt es selbstverständlich keine, das sollte vielleicht noch erwähnt werden, weil sicher nicht alle die Entwicklung seit „Traced In Air“ genau mitverfolgt haben und auf dieser ja noch vereinzelte Growls auftauchten.
Als voreingenommenes und höchst parteiisches Fazit lässt sich sagen, dass sich das lange, sehnsüchtige Warten zu 100% gelohnt hat. CYNIC hat seine Hörer immer schon gefordert und wer ab einem gewissen Punkt nicht mehr bereit war diesen Weg mitzugehen, wird auch von „Kindly Bent To Free Us“ eher noch weiter abgeschreckt als zurück ins Boot geholt. Wer sich aufgeschlossen zeigt für im Wortsinn progressiven Rock, der bei aller Eingängigkeit durchaus auch recht herausfordernd ist, vorgetragen von drei fantastischen Musikern, wird hier aber in den Genuss eines grandiosen Albums kommen.
www.cyniconline.com/
Beitrag vom 20.02.2014 Zurück
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