MINISTRY - Relapse
Label: Afm Records (soulfood)
Eigentlich sagt man ja, dass der Sozialrevolutionär keinen Mittagsschlaf kenne, aber nicht einmal um diese Konvention scheint sich unser guter Uncle Al von MINISTRY zu scheren. Nachdem 2008 sein lautestes musikalisches Sprachrohr nach sage und schreibe 27 Jahren eigentlich in den Ruhestand geschickt werden hätte sollen, schreit sich Uncle Al im ersten Song mit einem „I’m not dead yet!“ wieder zurück in die Existenz.

Musikalisch merkt man, dass sich Uncle Al in den letzten 4 Jahren vermehrt mit Country- und Rockklängen beschäftigt, klingt „Relapse“ streckenweise doch um einiges grooviger und rockiger als seine Vorgänger. Vielleicht liegt es auch daran, dass die letzten 3 Alben in der Ära von George W. Bush erschienen sind, von dem Uncle Al ja bekanntlich nicht sehr angetan war und die Alben deshalb nach einer aggressiveren und dunkleren Stimmung verlangt haben; wer weiß. Das soll nun aber nicht heißen, dass „Relapse“ eine Enttäuschung wäre, ganz im Gegenteil: die rockigen und groovigen Passagen bringen Würze in das musikalische Gemisch. Es ist eine gelungene Mixtur aus brachialer Härte und Groove und das steht MINISTRY eigentlich sehr gut.

Textlich geht man auf „Relapse“ in eine andere Richtung wie auf den letzten drei Alben. Die überwundenen Drogenprobleme werden in mehreren Lieder wie „FreeFall“, „Relapse“ oder „Weekend Warrior“ thematisiert und auch sonst neigt Uncle Al zu überraschend viel Selbstreflexion. Politisch hat MINISTRY aber seine Zähne verloren, ein bitterer Beigeschmack von „Relapse“. Provokante Texte wie „Dick Cheney, son of satan“ sucht man vergeblich, die für MINISTRY markanten Sprachsamples von diversen Politikern kommen auch kaum zum Einsatz. Politisch ist Uncle Al auf „Relapse“ zwar immer noch, man blicke nur auf seine Unterstützung der „Occupy Wall Street“ Bewegung in „99 Percenters“ oder die flammenden Wähler-Emanzipations-Aufrufe in „Get Up, Get Out and Vote“, aber es werden nur sehr weitläufige Themen angesprochen. Uncle Al scheint immer noch auf der „HOPE“-Welle der Obama-Kampagne zu schwimmen, ansonsten kann ich mir die Absenz von direkter Konfrontation kaum erklären. Zu kritisieren gäbe es ja bekanntlich genug.

Ums kurz zu machen: „Relapse“ ist ein wirklich gutes Album, das vor allem auf der musikalischen Ebene recht gelungen ist, aber politisch fehlt der Biss und das trübt die Freude ein bisschen. Vielleicht ist Uncle Al in seinen alten Tagen des politischen Kampfes müde geworden oder vielleicht fehlt ihm einfach ein Antagonist, der sich normalerweise in einem Mitglied des Bush-Clans manifestierte. Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn unter MINISTRY nun endgültig ein Schlussstrich gezogen wird, oder zumindest bis wieder ein Bush im Weißen Haus sitzt.

www.thirteenthplanet.com/ministry


6 von 7 Punkten

Tracklist:
1. Ghouldiggers
2. Double Tap
3. Freefall
4. Kleptocracy
5. United Forces
6. 99 Percenters
7. Relapse
8. Weekend Warrior
9. Get Up Get Out´n Vote
10. Bloodlust
Gesamtspielzeit: 52:00

Asator
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Beitrag vom 31.03.2012
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