THE DRESDEN DOLLS - Same
Label: 8ft. Records
Bertolt Brecht, deutscher Schriftsteller sowie Regisseur von Weltrang, vertrat stets die Auffassung, dass das Theater nicht nur die Gefühle des Zusehers ansprechen sollte, sondern vielmehr mittels einer Identifizierung mit einzelnen Figuren der jeweiligen Vorführung zu einer engeren Involvierung des Außenstehenden führen sollte, und möglichst nach Ende der Vorstellung bei diesem in einem intensiven Nachdenkprozess münden sollte.

THE DRESDEN DOLLS kommen aus Boston (USA), werden von den US-Medien als einer ganz großen Hoffnungen der USA gefeiert, und bestehen aus lediglich zwei Mitgliedern: Amanda Palmer (Gesang, Klavier) und Brian Viglione (Gitarre, Schlagzeug). Die beiden Charaktere verstehen sich als Performancekünstler, was bedeudet, dass sie ausdrucksstarke Musik mit sozialkritsicher Message und passender Theatralik (inklusive Kostümierung) auf der Bühne verbinden. Die Palette an Einfüssen reicht dabei von u.a. KURT VEILL, PATTI SMITH und NICK CAVE bis zum Weimarer Theater.

Wenn man so will, versucht das Duo den Spagat, traditionelle Zutaten aus dem unerschöpflichen Fundus aus unzähligen Jahren Theater- und Rockmusikgeschichte mit zeitgemäßen Einflüssen zu einem (bedingt durch die Umsetzung äußerst schräger Ideen) hörbar unorthodoxen Konglomerat zu vereinigen.

Dabei beginnt das Hörerlebnis geradezu unverdächtig: Der Beginn von "Good Day" könnte auch der Feder Konstantin Weckers entsprungen sein, ehe sich das Stück zu einer schwungvollen Rocknummer entwickelt. Der nachfolgende Track „Girls Anachronism“ bietet einerseits typischen Musicalstoff a la „Rocky Horror Picture Show“ usw., andererseits verzichten THE DRESDEN DOLLS aber auf den 10.000 Aufguss altbekannter Erfolgsrezepte. Im Gegenteil: Es wird hemmungsvoll drauflos improvisiert, und bewusst jegliche musikalische Begrenzung für nichtig erklärt. Kompositionen wie „Missed Me“ oder „Half Jack“ klingen bewusst nicht immer allzu rund, sondern erfrischend kantig, und vor allem unkonventionell-eigenständig.

Der Sound des Trio fußt prinzipiell auf dem selben Fundament, auf dem auch unzählige andere Bands ihre Stücke schneidern, aber in Ausführung unterscheidet man sich wesentlich von ähnlich gearteten Gruppen, da man sich nicht um einzelne Stilschubladen kümmert, und sich auch unbekümmert und trotzdem erfolgreich über sämtliche Gesetze des Songwritings hinwegsetzt, und das alles ohne dilettantisch erscheinen.

Nein, die Songs haben durchaus ihre Reize, entpuppen sich aber als durchaus sperrige Gebilde, deren Klasse sich erst nach und nach erschließt. Trotz ihrer nicht ganz gebräuchlichen Art, Stücke zu schaffen, wo gerade Überraschungsmomenten genauso eine wesentliche Rolle zugedacht wird wie dem Ausleben der eigenen Kreativität ohne jegliche Schranken, gelingt es aber auch, die Gefühle der Protagonisten auf die Hörerschaft zu transferieren, was vielen Bands dieser Gattung verwehrt bleibt. THE DRESDEN DOLLS überschreiten bewusst Grenzen, geben sich völlig ihrer Spontanität hin, und provozieren und polarisieren gleichermaßen.

Und gerade dadurch erhält die Musik, das Theater, die Literatur ja die Kunst ganz allgemein stets neue Impulse. Nicht das bloße Interpretieren der Hits oder seine Songs in eine ähnliche Korsett zu stecken, sondern das Aufbrechen/Hinterfragen althergebrachter Strukturen/Denkweisen, um neuen Ideen Freiraum zu bieten, bewahrt jegliche künstlerische Tätigkeit vor dem Stillstand. THE DRESDEN DOLLS muss man wohl als Ganzes erfassen, denn THE DRESDEN DOLLS sind nicht nur ein musikalisches, sondern bedingt durch die Theaterperformance auf der Bühne auch als ein visuelles Kunstwerk zu verstehen. Am 27.02.05 hat man im Flex in Wien Gelegenheit dazu.

www.dresdendolls.com


5 von 7 Punkten

Tracklist:
1. Good Day
2. Girl Anachronism
3. Missed Me
4. Half Jack
5. 672
6. Coin-operated Boy
7. Gravity
8. Bad Habit
9. The Perfect Fit
10. The Jeep Song
11. Slide
12. Truce
Gesamtspielzeit: 56:55

Hutti
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Beitrag vom 22.02.2005
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