Trotz engster verwandtschaftlicher Beziehung sind sich die Anhänger von melodischem und so genanntem True Black Metal oftmals spinnefeind. Rein ideologisch befinden sich die fundamentalistischen Old School-Fürsprecher wie GORGOROTH und natürlich DARKTHRONE im Recht, wenn sie argumentieren jegliches Anwenden moderner Mittel (ergo alles, was über die Basisrezeptur von Drums, Bass und Gitarren hinausläuft) oder übermäßiger Melodie verweichliche und verwässere die Intention des Black Metal. Das ändert allerdings nichts an der letztendlichen Eindimensionalität dieses Sounds. Der Musiker an sich ist jedoch bestrebt sich weiterzuentwickeln und zu experimentieren, was die Entstehung der zweiten Black Metal-Generation, der melodischen, unausweichlich werden ließ. Diese lief der ersten, mit ihren technisch sauberen, beinah massentauglichen Klängen, schnell den Rang ab, nicht ohne die Szene ausgiebig zu verwässern und zu verweichlichen und das Tragen von CRADLE OF FILTH- oder DIMMU-Shirts zur hippen Pseudoprovokation für den Religionsunterricht zu erheben. Insofern also kein Wunder, dass sich Anhänger der ersten Stunde vehement gegen neuere Strömungen abgrenzen, auch wenn sie musikalisch zweifelsohne ihre Berechtigung haben.
Wenigstens auf Label-Ebene firmieren noch beide Stile unter gemeinsamen Banner, das sich in diesem Fall Neon Knights nennt und nach dem Ende von Last Episode vielen verwaisten Bands ein neues Zuhause bot, so auch ZORN.
Nachdem kürzlich
DIES ATER und
CRYOGENIC der melodischen Fraktion zu zwei neuen Alben verhalf, vertreten nun ZORN die Ideale der Traditionalisten, und das geradezu exemplarisch: Von der spartanischen Instrumentierung über den nackten, ungemasterten Proberaumsound bis zu den üblichen Provokationen mit Nazi-Bezug – ZORN haben einfach an alles gedacht. Noch relativ jung (Gründung war im Jahre 2000), verfügt man bereits über einen klangvoll betitelten Back Katalog (2001: Debut bei Last Episode, ein Jahr später die „Genickschuss“-EP, heuer „Menschenfeind“ sowie „Todesschwadron“-EP). Die limitierten Ansprüche des Genres werden vollauf erfüllt: Die dreckigen Riffs sind von simpler Effektivität, die Vocals abartig viehisch, die dazugehörigen Texte misanthropisch, nur die Drums sind drucklos, holprig, um ehrlich zu sein habe ich nie schlechtere gehört. ZORN jedoch hoch anzurechnen ist die ausgewogene Mischung von Mid und Up Tempo-Songs, die bei Laune hält. Das Aggressionslevel bewegt sich über die gesamten fünfzig Minuten Spiellänge auf konstant brutalem Niveau, und das sowohl bei Brechern wie dem fiesen „Faustschlag (in die christliche Welt)“, als auch bei teilweise an der acht Minuten-Marke kratzenden Epen („Mordlust“, klasse arrangiert; „Sohn der …“, geiler Bass).
Die Vocals, wie gesagt, überzeugen, nur das, was sie verbal auskotzen, soll hier näher beleuchtet werden. Da mir die Texte nicht zur Verfügung stehen, respektive laut Label überhaupt nicht existieren, bin ich auf meine Sinneseindrücke angewiesen. Bei „Kristallnacht“ (sic) beispielsweise ist klar und deutlich die Zeile: „Gestalten der Nacht / Der Holocaust erwacht“, wahrzunehmen. Am Ende des Tracks sind überdies Samples zersplitternden Glases zu hören, was wohl genug Bezug zur so genannten Reichskristallnacht vom 09. November 1938 herstellt. Gängige Schlagwörter dieser Zeit ziehen sich durch die Tracklist („Endsieg“, „Die Gegenoffensive“), durch die Diskographie (sieh oben) und begegnen dem Hörer ebenfalls in den Lyrics (Herrenrasse und Parasiten führen diesbezüglich in der Gesamtwertung). Auch Provokation hat ihre Grenze, welche da heißt Verfassung. Gelegenheit meine Interpretation zu widerlegen, mögen ZORN in Form eines Interviews wahrnehmen, die alibihafte Stellungnahme "Jegliche politische Anbiederung weisen ZORN energisch zurück" ist jedenfalls nicht ausreichend.