PROZACK STAPLE - The Calm Behind The Chaos
Label: N.s.m. Records
"The Calm Behind The Chaos" ist das Debüt-Album der 1999 gegründeten Band PROZACK STAPLE. Vorweg: Lasst euch nicht sofort abschrecken, die CD braucht ihre Zeit, um wirklich zu zünden, hat das aber bei mir dann ziemlich anständig getan.
Es beginnt, wie es ja oft so üblich ist, ziemlich unscheinbar, der erste Track beginnt ruhig mit einem Mini-Intro, das mich zuerst auf den Gedanken brachte, es würde sich hier um ein Live-Album handeln, was aber zum Glück, sobald die Stimme einsetzt, klar nicht so ist. Alles klingt auf Anhieb eher sonderbar, der Sänger verfügt zwar über eine in meinen Augen sehr gute Stimme, spielt sich aber sehr oft mit langen Noten, welche er dann mit einem östlichen Anhauch versieht (in dem er ganz einfach die Stimme um Viertel-Ton-Schritte hinauf und hinab setzt). Und obwohl, oder gerade weil alles ein wenig seltsam klingt, wurde meine Neugier geweckt, und das ist einiges. Nicht nur, dass bei eben diesem ersten Song schon viel mit dem Gehör des Zuhörers gespielt wird, in dem verschiedene Themen mit den Instrumenten angespielt werden, teilweise dann von der Stimme fortgeführt werden, andererseits aber auch zuweilen einen Konkurrenzkampf mit dieser führen. Zudem verblüfft der Sänger Thomas Nate auch gleich mit ziemlich gut gelungenen Shoutings, die einige sehr ansprechende Ansätze in die Musik bringen.
Zwar halten sich diese Eigenschaften die gesamte CD über, doch wird die komplette Einschätzung, die man nach dem Opener versucht aufzustellen, vollends über Board geworfen. Die Musik, die einem bei "Silent Sirens" entgegentritt, wirkt wiederum völlig neu und unverbraucht, versucht den Hörer stets zu fordern, was auch durch geschickt gesetzte Pausen, massig an Tempi-Wechseln und viel Abwechslung beinahe ohne Unterbrechung gelingt. Und trotz all diesen, oft fremd erscheinenden Dinge, schaffen es melodiöse Parts immer wieder ohne Umwege direkt ins Gehirn und setzen sich dort fest.
Das Songwriting des Quartetts wirkt ausgesprochen erwachsen (und das am Debüt-Album!!!). Man versucht von vorhinein nicht, in eine Schublade zu passen, im Gegenteil: PROZACK STAPLE machen einfach ihr eigenes Dinge, welches zwar schwer zu vergleichen ist, jedoch (mir zumindest) sehr gut gefällt.
Selbst der Album-Titel hätte nicht besser gewählt werden können, die Ruhe hinter dem Chaos wurde greifbar gemacht und hier vertont. Umfassende Death-ähnliche Parts (teilweise mit lang gezogenen Hintergrund-Shoutings) gepaart mit eingängigen Melodien oder ganzen Themen. Mit anscheinend willkürlichem Songwriting und verwirrend wirkenden Lyrics schaffen es PROZACK STAPLE sehr gut, den Hörer zum Nachdenken zu bewegen. Man versucht, sich in die Musik hineinzuversetzen und diese Rechnung geht für die Band auf. Jedes Anhören vergrößert die Faszination, die man verspürt, und alles, was zunächst nach Sinnlosigkeit aussieht, wird zu intelligenter Struktur. Wie gesagt, den Platten-Titel hätte man wohl nicht besser wählen können.
Tief aus den Gedanken gerissen wird man dann, wenn der fünfte Track "Discover Of Origin" beginnt. Andächtig wird gelauscht, bis man sich ungefähr nach der ersten Hälfte dieses Songs wieder findet, von der puren Verzweiflung, die Thomas beim seufzen der Worte

"Unblur your eyes and realize
Lift your head and listen
Listen…"

herüber bringt angesteckt, und der Traurigkeit beinahe hilflos entgegensieht. Doch schnell macht dieses Gefühl dem Hass Platz, der durch geschickt eingesetzte Shoutings aufkommt und dann an Größe gewinnt, bis er die Überhand erworben hat. Diese zwei Emotionen, Trauer und Hass, wechseln sich ab und man findet sich schon mit Tränen in den Augen, resultierend aus der Ungleichheit, der Hektik und dem Überschwall an Empfindungen, auf dem Boden liegen, wimmernd.
Nicht zum ersten Mal fällt mir TOOL ein, da ich aber einen solchen Vergleich nicht voreilig machen wollte, hab ich ihn etwas hinausgezogen, nun ist es aber beinahe unumgänglich, und ich muss diese recht neue Gruppe mit den alten Meistern ihres Faches beinahe schon gleichstellen.

Was auch an dieser CD sehr positiv auffällt ist die zusammenhängende Grundstimmung, die eigentlich ausnahmslos besteht. Der Zuhörer befindet sich in einem riesigen Meer aus Eindrücken, alles fließt auf einen ein, irgendwie sucht man etwas, um sich daran festzuhalten, findet aber nichts und verirrt sich in sich selbst, ohne jemals diesen Ozean zu verlassen.

In den Stücken wird zum Teil ziemlich mit Sarkasmus gespielt. So wechselt man bei dem Track "Live In The Mow" immer wieder zwischen netten, freundlichen Riffs, und der dunklen und oft sogar bedrohend wirkenden Stimme, die einen wieder ins Hier und Jetzt zurückholt.
Weiters wurde mit "Our Glass Vision" ein traurig, sehr langsam und düster beginnender Song geschaffen, bei dessen natürlich auch die Härte immer wieder zurückschlägt. Doch sanft bleibt der Grund, welcher einem beinahe die Angst ins Gehirn wispert. Wunderschön.

Der letzte Track, auf den ich eingehen möchte, ist zugleich der letzte auf dem Album. Ob man ihn nun als normalen Song und einem versteckten ansieht, oder, so wie ich, ihn als Longtrack bezeichnet, ist genau genommen egal. Fakt ist aber, dass der Song "Behind Me" einer der besten, wenn nicht sogar DER beste Track ist, den ich in diesem Genre je gehört habe. Einfach nur überwältigend, was die Jungs hier geschaffen haben. Über 20 Minuten hat diese letzte Nummer, und die bietet Unterhaltung en Masse, ob man nun auf sanfte, leicht melancholische, oder Death-angehauchte Shouts steht. Ich halte ihn schlichtweg für perfekt gelungen.

Fazit: Ich bin ja bekanntlich (oder auch nicht ;-)) kein großer Fan von alternativer oder experimenteller Musik, doch dieses Stück Musik hat wahrlich seine Spuren in mir hinterlassen. Sehr anspruchsvoll anzuhören, nicht weil es so kompliziert ist, aber jeder Song ungeteilte Aufmerksamkeit verlangt, die er sich notfalls auch mit starken Überraschungen holt.
Wem egal ist, dass mehrere Stil-Richtungen verschmolzen wurden und TOOL und Konsorten mag, sollte hier schleunigst zuschlagen, wenn sich irgendwie die Gelegenheit bietet.

www.prozackstaple.com/


6.5 von 7 Punkten

Tracklist:
1. Successpool
2. Silent Sirens
3. Obelisk
4. Phoenix Pyre
5. Discovery Of Origin
6. Infra-red
7. Feeling Normal
8. Live In The Mow
9. Our Glass Vision
10. Collide-a-scope
11. Behind Me
Gesamtspielzeit: 76:16

shark
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Beitrag vom 05.11.2003
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