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DIE ÄRZTE - Geräusch
Label: Hot Action Records |
Was haben die drei Knaben aus Berlin nicht schon alles mitgemacht? Die Welt in der Wandlung, die Achtziger, Live-Alben, Best-of-Alben, Split-offs, Reunions, Konzeptalben, Konzerte vor nicht vorstellbar vielen Leuten, Chart-Stürme, Solo-Projekte etc. Was fehlt denn da noch, oder besser gesagt: Was gibt es da denn noch, was nicht bereits durchlebt wäre? DIE ÄRZTE beweisen Humor und bringen mit „Geräusch“ eine Doppel-CD zum Preis von einer heraus. Gratulation, das haben nicht viele geschafft. Diese audiotechnisch dokumentierte Hyperaktivität kommt natürlich denjenigen zugute, die sich dazu bequemen, sich ganz auf Old School CDs in Form eines Kaufes zu ergattern - was ja heutzutage schon fast uncool anmutet -, statt in der großen weiten Welt des Internets nach den gewünschten Titeln zu graben. Ja vielleicht schafft man es sogar durch das überaus attraktiv und unkonventionell gestaltete Cover inklusive zwei Booklets, Zugangscode für den Special-Feature-Bereich auf der Homepage und dem speziellen, rillenförmigen Design der CDs, einigen Internet-Piraten wieder den rechten Pfad des Musikkonsums zu weisen. Tja, Fliegen fängt man eben nicht mit Essig.
In gewohnter Manier bieten DIE ÄRZTE einen bunten Mix quer durch den Dschungel der Musik. Samba, Bossa Nova, Jazz, Deutschrock und der gute, altbewährte Punkrock kommen eben nur bei der „Besten Band der Welt“ auf einen gemeinsamen Nenner, natürlich mit einem Hauch von Ironie und musikalischem Kabarettismus. Zugegeben ist manchmal der Grat zwischen Parodie und ernst Gemeintem sehr schmal, doch das stört absolut nicht, es ist vielmehr genau das, was man auch persönlich zu verkörpern versucht: die Dialektik zwischen den beiden Extremen. Auch wenn man im Grunde ganz witzig ist und gerne über Dieter Bohlen, den Zusammenhang von Intimpiercings samt entzundenem Schambereich und Liebestests der Angebeteten („Piercing“) oder den ominösen Erfolg von Drei-Akkord-Liedern („Als ich den Punk erfand“) philosophiert, zeigt man sich mitunter verantwortungsbewusst und gesellschaftskritisch, so etwa bei „Die klügsten Männer der Welt“, bei dem die Glaubwürdigkeit und Relevanz des politischen Daseins an den Pranger gestellt wird. „Ich kann auch anders“, sagte immer mein Mathe-Lehrer, hier haben wir jemanden, der’s wirklich kann. Auch die mit ziemlicher Regelmäßigkeit stattfindenden Wechsel von Bela B. und Farin am Mikrofon tragen zur sympathischen Heterogenität des Albums bei und sorgen demnach für die nötige Abwechslung bei einem 26 Lieder zählenden Tonträger.
Unter diesen finden sich erwartungsgemäß auch absolut Top-10-verdächtige Pop-Ohrgeziefer („T-error“), en contraire Back-to-the-Roots-Material, das die hartnäckigen Punk-Relikte aus den 80er-Jahren wohl auch zufrieden stellen sollte („Nicht allein“), sowie Kommerz-Punk für die Generation Skateboard - für jeden etwas dabei!
DIE ÄRZTE beweisen jede Menge Spielfreude, keine Spur von Rostflecken und trotz chaotischer und ironischer Grundstimmung sowohl musikalische als auch lyrische Intelligenz. Kaum zu glauben, dass vor einiger Zeit noch vom Exitus die Rede war.
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6 von 7 Punkten
Tracklist: 1. Als Ich Den Punk Erfand ... 2. System 3. T-error 4. Nicht Allein 5. Dinge Von Denen 6. Der Grund 7. Geisterhaus 8. Ein Mann 9. Anders Als Beim Letzten Mal 10. Ruhig Angehn 11. Jag Älskar Sverige! 12. Richtig Schön Evil 13. Schneller Leben 14. Unrockbar 15. Deine Schuld 16. Lovepower 17. Der Tag 18. Die Nacht 19. Nichts In Der Welt 20. Die Klügsten Männer Der Welt 21. Piercing 22. Besserwisserboy 23. Anti-zombie 24. Pro-Zombie 25. WAMMW 26. Nichtwissen Gesamtspielzeit: 96:06
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Beitrag vom 31.10.2003 Zurück
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