BLINDED COLONY - Divine
Label: Scarlet Records
Ein Raum ohne Fenster, durch dichten blaugrauen Qualm schimmert fahles Beige, der Boden ist übersät mit Zigarettenstummeln, Holzspänen und ein wenig Erbrochenem. In der Ecke tummeln sich ein paar Spinnen in hoffnungsloser Erwartung auf etwas Beute. Vier kurze, dumpfe Schläge ertönen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen, kaum auszuhaltender Lärm folgt den Hieben. Eine Spinne weicht etwas zurück, winkelt die Beine an, doch sie scheint keine Gefahr zu wittern, das Geräusch ist ein vertrautes. Nach etwa 20 Sekunden hat das Spektakel ein Ende. Ein Mann erhebt sich von seinem Hocker ...

Der Schlagzeuger: „Mann, das Riff hab ich schon tausendmal gehört, außerdem fährt es irgendwie nicht!“
Ein Gitarrist: „Ja warte doch mal! Hey, Tobias, spiel doch nach dem ersten Turnaround die Terzen über meine Line, das rockt 100 pro!“
Der andere Gitarrist (Tobias): „Okay, und nachher Groovepart auf E mit deiner Melodie von vorher, später Palmmutes und uptempo!“

Bassist und Sänger nicken voller Enthusiasmus.
Die Gitarristen drehen an den Volumsknöpfen, alle blicken auf den Schlagzeuger, vier dumpfe Schläge ertönen ...

Ungefähr so könnte eine Szene aus dem Proberaum von BLINDED COLONY aussehen. Eines vorweg: BLINDED COLONY macht echt gute Musik, die Spaß macht und schmeckt. Nur: BOLT THROWER macht auch gute Musik – seit Jahrzehnten (wenn ihr versteht, was ich meine). Der einzige Unterschied besteht darin, dass sich besagte Band selber kopiert, wenn ich mal ganz frech sein darf, was bei Ersterer schon aus rein chronologischen Gründen unmöglich wäre. Darauf kommen wir aber später nochmals zurück.
Geboten wird schwedischer Trash à la SOILWORK und Co., laut Labelinformation sagt man jetzt „modern swedish sound“ dazu. So sei es. Also, dieser moderne schwedische Sound wird in exzellenter Manier dargebracht, und es mangelt nicht an altbewährten Klischees wie Gitarrenüberlagerungen als besondere Akzentsetzung eines Riffs, abrupt auftretenden Temposchwankungen zwecks Groove-Maximierung oder eingängigem Riffing. Die Stimme unterscheidet sich doch in nicht unerheblichem Ausmaß von der direkten Bandkonkurrenz, variiert sie doch zwischem kraftvollem Trash-Shouting und pathetischem Tremolo-Gesang der Marke Heavy Metal. Freilich alles sehr gut in Szene gesetzt. Die anno 2000 gegründete, schwedische Band wartet zu meiner Freude teilweise mit Titeln echten Ohrwurmcharakters auf, die vor schönen melodischen Riffs nur so strotzen, doch hab' ich das eine oder andere nicht schon bei DARK TRANQUILLITY oder anderen Göteborg-Größen gehört? Der Gedanke wird sofort verworfen, der Ohrwurm in seiner Qualität nicht geschmälert. Titel Nummer zwei namens "Thorned & Weak" bildet wohl die Speerspitze dieser Gattung des Songwritings. Geile Nummer, echt! Andererseits können die Burschen es auch etwas härter und trashen und grooven, was die Kacke hält, zwischenzeitlich stets mit schöner melodischer Untermalung manu Gitareros.

Die Produktion ist summa summarum eine gute, wie es die musikalische Orientierung auch verlangt, denn meiner Meinung nach gehört solch ein Stil entweder auf die Bühne oder auf eine fettigst aufgenommene Platte. Das erfordert die leicht verdauliche Musik im Metal!
Leider gibt es hier kleinere Mängel in puncto Schlagzeug, da ich mir etwas mehr Power und Dynamik wünschen würde. Anscheinend hat das auch der Tontechniker gemerkt und streute ab Song # 8 etwas mehr Pfeffer in die Drum-Suppe. Reichlich zu spät, wenn ihr mich fragt! Nichtsdestotrotz wird der Sound den erwähnten Ansprüchen aber mehr als gerecht.

Da mangelnder Einfallsreichtum tendenziell im redaktionellen Bereich mit eiserner Hand geahndet wird, schließe ich mich diesem Trend an und vergebe äußerst solide ...

www.blindedcolony.com


5.5 von 7 Punkten

Tracklist:
1. Contagious Sin
2. Thorned & Weak
3. Legacy (Slaves In The Name Of Christ)
4. Selfobtained Paranoia
5. Lifeless Dominion
6. Discrown The Holy
7. Kingdom Of Pain
8. Demoniser DCLXVI
9. Anno Domini 1224
Gesamtspielzeit: 36:41

Hansi
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Beitrag vom 01.10.2003
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