FRANZ HERMANN REISCHL - Folta Für John Travolta
Label: Freya Verlag
„Folta für John Travolta“, eine alter Song der deutschen Punkband KFZ, durfte also gleichzeitig als (übrigens sehr passender) Titel für die Buchveröffentlichung des Welser Deutschlehrers, (freien) Journalisten und Kopf der Band FRONTAL, Franz Reischl (alias Znarf Negativ), herhalten. Mit diesem Werk hat Reischl nicht nur die Bandgeschichte seiner eigenen Kombo chronologisch aufgearbeitet, sondern gewährt auch teils faszinierende Einblicke in sein Leben als junger Punk Anfang der 80er des vorigen Jahrhunderts in Oberösterreich. Somit kann das Buch durchaus als Autobiographie aufgefasst werden, was das Konzept hinter diesem Druckwerk aber nur zum Teil erklärt, da nicht nur Reischls Leben als junger Rebell und Frontmann von FRONTAL ausführlichst dokumentiert wurde, sondern auch auf das allgemeine Musikgeschehen in diesem Zeitraum genauestens eingegangen wird, wobei man sich dabei natürlich hauptsächlich auf Punkbewegung und ihre Folgeerscheinungen bezieht. Allerdings ist anzumerken, dass Reischl hier quasi in einem Guss berichtet, und es keinerlei Unterteilungen zwischen seiner Lebensgeschichte und den Verweisen auf das damals aktuelle Musikgeschehen durchgeführt wurden, so dass die Story stellenweise wie ein innerer Monolog erscheint, was zwar manchmal ein klein wenig verwirrt, da es natürlich zu unvermuteten Übergängen kommt, aber ansonsten nicht weiter stört. Insgesamt ist augenscheinlich, dass Reischl kein reines Sachbuch verfassen wollte, sondern bedingt durch seinen emotionalen Schreibstil auch seinen Bezug zum Wesen des Punks und der damit verknüpften Ideologie nicht verleugnet, und auch noch knapp 20 Jahre später zu seinen seinerzeitigen Aktivitäten steht.
Die Geschichte beginnt und spielt hauptsächlich in Wels, der Heimatstadt von Reischl und FRONTAL, wo anno 1980 die ersten musikalischen Gehversuche unternommen wurden. Nach einigen Besetzungswechseln und dem Selbstmord eines Mitgliedes kristallisierte sich jenes Line-Up heraus, das noch heute (nach der Reunion von 1997) aktiv ist, nämlich Franz Reischl (v/b), Dieter Esterer (g), Klaus Buttinger (dr) und Thomas Trauner (k). Der Anfang war denkbar schwer, aber nach und nach konnten doch beachtliche Erfolge eingefahren werden: Neben unzähligen Shows (u.a. als Support von DRAHDIWABERL in Wels im April 1983), mehr oder weniger erfolgreicher Teilnahmen bei diversen Bandwettbewerben (Welser Bandwettbewerb, Pop-O-Drom), und der Veröffentlichung einiger Demokassetten kann auch u.a. die Beisteuerung einer Komposition („Keine Ahnung“) zum Sampler „Traunstadtkinder“, der 1982 erschien, und ausschließlich Stücke von Welser Bands enthielt, genannt werden. Da man später auf musikalischer Ebene eine Entwicklung vom ungestümen Punkrock zu massekompatibleren „New Pop“ unternahm, der in diesem Zeitraum bekanntlich seine Hochblüte erlebte, und eine Bassistin in die Band aufnahm, so dass sich Mastermind Franz Reischl voll und ganz auf seine Gesangsarbeit konzentrieren konnte, wurde eine Namensumrennung ins Auge gefasst, und auch realisiert. Fortan nannte man sich TINA 4, aber nachdem sich die besagte Bassistin nach Amerika absetzt hatte, und nach einem weniger erfolgreichen Versuch eines Neustarts unter altem Namen strich man Mitte der 80er schließlich endgültig die Segel, ehe man nach über zehn Jahren Pause ein Comeback wagte. Wie aber bereits erwähnt, ging es dem Autor eben nicht ausschließlich darum, die Geschichte von FRONTAL bzw. eine Ansammlung der damaligen Musikentwicklungen und deren wichtigen Vertreter samt Veröffentlichungen auf Papier zu bringen, sondern vielmehr das Leben vom Punkgeschehen bewegten, aufmüpfigen Jugendlichen Anfang der 80er zu beschreiben, was eben auch bedeutet, dass nicht mit Gesellschaftskritik gespart wird, was auch zahlreiche abgedruckte FRONTAL-Texte belegen, die sich zum Teil natürlich vorwiegend gegen das sogenannte Establishment richten, aber auch alltägliche Probleme beschreiben. Aber auch die sonstigen Freizeitaktivitäten wie Besuche eines alternativen Lokales in Wels, das auf den klingenden „Nudlaug“ hörte, und natürlich auch des „Cafe Landgraf“ in Linz, das seinerzeit ja auf gänzliche andere Gesellschaftsschichten zugeschnitten war als heute. Zu Linz pflegten FRONTAL damals ja eine ganz besondere Beziehung, war doch Znarf Negativ einige Zeit mit einer Linzerin liiert, der seinerzeit auch das erwähnte Stücke „Keine Ahnung“ gewidmet war, und auf den kultigen Spitznamen Elli Elending hörte. Auch auf so manches Konzerterlebnis aus dieser Zeit wird näher eingegangen. Ansonsten schildert Reischl lebhaft seine Ansichten, Träume und Ängste dieser Zeit, und befördert die Erlebnisse vom unangepassten und musikalisch aktiven Jugendlichen in den 80er Jahren ans Tageslicht, und das mit einer schonungslosen Offenheit, die stellenweise zu überraschen vermag. Aber auch anderwärtige Steckenpferde bzw. Aktivitäten Reischls werden ausführlich beschrieben: Etwa das von Reischl geführte Interview mit NENA für das Wochenblatt „Welser Rundschau“, seine frühere Tätigkeit beim ORF-Landesstudio OÖ, oder seine Karriere als Tourenwagen-Racing-Pilot werden in einigen Absätzen abgehandelt.
Resümee: Ein Buch, das auf jeden Fall als lesenswert eingestuft werden darf, da es eben das Leben eines vom Virus Punk infizierten Jugendlichen Anfang der 80er gut skizziert, und ob der gefühlvollen Art des Erzählens und dem Reichtum an Fakten und Anekdoten nicht wie eine stinknormale Autobiographie erscheint, und somit auch Vergleich zwischen der damaligen und heutigen Jugendkultur möglich macht, und daher empfohlen werden kann.

www.frontal.at.tt

Keine Bewertung
Hutti
Weitere Beiträge von Hutti

Weitere Beiträge über FRANZ HERMANN REISCHL

CD-Bewertung
1 Stimme(n)
Durchschnitt: 7
[LESERCHARTS]
Deine Bewertung:
  



War diese Kritik hilfreich?
5 Stimme(n)
Durchschnitt: 7
Deine Bewertung:
  


Beitrag vom 21.09.2003
Zurück


Diesen Beitrag per E - Mail verschicken:
An:
Von:
Kommentar: