War “Gran Tourismo” ein Ausflug in die damalige Gegenwart (alles was die CARDIGANS vor dieser CD gemacht hatten, war doch recht retro und dann kam diese zwar eigenständige aber vollkommen ins Jahr 1998 passende Veröffentlichung), so stellt “Long Before Daylight” wieder eine Reise im Rückwärtsgang dar. Allerdings klingt das hier nicht wie die ersten Veröffentlichungen der Band aus Malmö, “Long Before Daylight” erinnert mehr an Akustikgitarren-lastigen, relaxten Pop der späten Sechziger und frühen Siebziger als an Easy Listening-Pop.

Beim Hören von “Long Before Daylight” schließe ich die Augen und sitze plötzlich auf einer Decke in einer malerischen Landschaft, es ist Sonntagnachmittag, wir sind mit einem MGA Roadster-Cabrio (cremefarben versteht sich) hierher in die Toskana gefahren, um es uns gut gehen zu lassen und nun geht es uns gut.
Ein lauer Luftzug trägt ein paar Noten von “Ruby Tuesday” (die Version der Folksängerin MELANIE und nicht die der STONES, versteht sich) vom Autoradio herüber, die letzten zwei Nummern davor waren “Here Comes The Sun” und “In My Life“ von den BEATLES, und Nina Persson erzählt mir mit ihrer Engelsstimme Geschichten, ich sehe sie dabei verträumt an. Dabei nehmen wir ab und zu einen Schluck vom leichten und süßen Wein oder einen Bissen von den Köstlichkeiten, die wir im Korb mitgebracht haben. Nina sagt: ”Men I‘ve had a few, but they wouldn’t quite blow me like you” (“And Then You Kissed Me”). Sie trägt ein leichtes Sommerkleid und Blumen im Haar, ich natürlich einen Strohhut. Was dieses Picknick dann endgültig zu einem klassisch-zeitlosen Erlebnis machen wird, ist der Sonnenuntergang, der sich bereits darauf vorbereitet, von uns bewundert zu werden. Unter seinem herrlichen Farbenspiel werden wir unser Liebesspiel beginnen und uns gegenseitig in die Nacht führen (“Lead Me Into The Night”) bis wir um dreiviertel vier völlig erschöpft nebeneinander liegend die Sterne ansehen und auf den Schlaf warten, auf das wir nie aus diesem Traum erwachen (“03:45 - No Sleep”).

Was wie eine Römerquellewerbung ohne zweiten Jüngling klingt, ist nichts anderes als die Atmosphäre, die diese Platte vermittelt. Alle Songs gehen so gut runter wie Frozen Yoghurt bei 35 Grad im Schatten und werden mich mit Sicherheit auch nach diesem Sommer begleiten.
Hut ab!