AYREON - THE THEATER EQUATION  
19.09.2015 @ Luxor Theater

Wer den niederländischen Progressive Metal Meister Arjen Anthony Lucassen und seine Projekte wie AYREON, STAR ONE, GUILT MACHINE, STREAM OF PASSION oder THE GENTLE STORM kennt, weiß, dass der Mann sich selbst als „social recluse“ bezeichnet und sich seit gut einer Dekade nicht mehr auf die Bühnen bewegt. Ein Projekt wie sein Magnum Opus AYREON auf Tour zu bringen, wäre mit all den Gastmusikern und Sängern logistisch sowie finanziell ein Ding der Unmöglichkeit.

Doch nun haben es sich die „Shadow Freaks“ zur Aufgabe gemacht, das meiner Meinung nach nach wie vor beste Album von AYREON, nämlich „The Human Equation“ von 2004 auf die Bühne zu bringen, wenn auch nur an einem Wochenende und das in Rotterdam in Form der „The Theater Equation“. Als langjähriger Fan seiner Meisterwerke, folgte ich trotz der weiten Anreise sowie einem Ticketpreis jenseits der 90€ dem Ruf, dieses einmalige Event zu erleben – und es war jeden Kilometer, jeden Cent und jede Sekunde wert!



Wudstik, James LaBrie, Marcela Bovio - (c)Christel Brouwer


Zwar bekamen die Veranstalter nicht den kompletten Original-Cast zusammen - Devin Townsend und Mikael Akerfeldt (OPETH) konnten aus terminlichen Gründen nicht mitwirken und Mike Baker (SHADOW GALLERY) weilt ja leider seit ein paar Jahren nicht mehr unter uns. Arjen selbst spielt weder ein Instrument noch seinen Part als Best Friend, war aber als Ratgeber für die Veranstalter zur Stelle.

Doch Hauptdarsteller James LaBrie (DREAM THEATER), Magnus Ekwall (Ex-THE QUILL), Eric Clayten (SAVIOUR MACHINE), Heather Findlay (MOSTLEY AUTUMN), Irene Jansen, Devon Graves (PSYCHOTIC WALTZ, DEAD SOUL TRIBE) sowie Marcela Bovio (STREAM OF PASSION) folgten den Ruf und machten diesen Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis. Zudem saß auch langjähriger Weggefährte Ed Warby, der die meisten AYREON Alben einspielte und auch die Death Metal Legende GOREFEST mit Druck versorgte, hinter dem Schlagzeug. Als Ersatzleute wurden Jermain van der Bogt aka „Wudstik“, der auf AYREONS „01011001“ schon zu hören war, Michael Mills, den man von TOEHIDER und dem letzten Release „The Theory Of Everything“ kennt sowie THE GENTLE STORM Goldkehlchen Anneke van Giersbergen rekrutiert – somit alles Leute die Arjen kennt und denen er blind vertraut.
(Das komplette LineUp: siehe unten)



Magnus Ekwall, James LaBrie & Eric Clayton (c)Christel Brouwer


Die Story wurde von der ersten Sekunde genial umgesetzt, so dass bereits zu den ersten Tönen Gänsehaut aufkam. Wer die Geschichte nicht kennt, in Kurzform: Ein Mann fällt nach einem Autounfall ins Koma und „erwacht“ in seiner visuell manifestierten Gefühlswelt und durchlebt verschiedene Epochen und Facetten seines Lebens, inklusive Konflikte mit seinem Vater, seiner Frau, seinem besten Freund, dunkle Abschnitte seines Lebens und so manch Verrat und Betrug, jedoch aber auch die schönenen Seiten des Lebens. Die Gefühle „Pride“, „Reason“, „Love“, „Agony“, „Rage“, „Fear“ und „Passion“ werden dabei jeweils von einem Sänger porträtiert, während Wudstik, James und Marcella die Rollen der beteiligten Menschen übernahmen. So startet der erste Song am ersten der 20 Tage des Komas des Protagonisten, der seinen Weg zurück zu den Lebenden erkämpfen will und muss.



Anneke van Giersbergen & James LaBrie (c)Christel Brouwer


In „Day One: Vigil“ hadern der „Best Friend“ und „Wife“ um das Leben des Helden. Das Intro wurde etwas improvisiert und ließ den zahlreichen Musikern (zwei Gitarristen, Bassisten, Schlagzeuger, Cellistin, Violinist, Flötist) gleich mal etwas Freiraum, ehe man mit einer perfekten Umsetzung der Songs startete. Darauf folgte sogleich der erste Mammut-Track „Day Two: „Isolation“. LaBrie steigt aus seinem Unfallauto und landet sogleich in der erwähnten Gefühlswelt, in der er von „Fear“, dargestellt von Anneke in diese eingeführt wird. So genial ihre Stimme auch ist, warum man sie für den Part eines Mikael Akerfeldt einsetzen musste, bleibt schleierhaft, denn als großer Fan des Albums, ist man dann doch auf eine Stimme und dem dazugehörigen Feeling eingestellt. Das trübte zwar den Spaß nicht, irritierte aber gerade in den heftigen Momenten doch etwas. Rundherum um das Auto waren auf drei Ebenen verschiedene Szenerien aufgebaut, die aber noch im Dunkeln lagen und sich darin die anderen Charaktere, somit Gefühle, versteckten, die nach und nach erwachten um verbal und auch physisch mit LaBrie zu interagieren. So durften in dem Tack sobald die tiefe Stimme von Clayten als „Reason“, die rockige Stimme von Magnus Ekwall als „Pride“ und das intensive Organ von Jansen als Passion alle Emotionen rauslassen.



Devon Graves (c)Christel Brouwer


Im Publikum war es totenstill egal ob 18 oder 60 Jahre alt, das bunt gemischte Publikum aus der ganzen Welt (wir trafen Engländer, Deutsche, Österreicher, Holländer und sogar Amerikaner und Mexikaner - und auch Floor Janesn, Irenes Schwester und Fronterin von NIGHTWISH war im Publikum zu finden) war gebannt von der Show und sicher nicht minder mit Gänsehaut ausgestattet. Bei „Day Three: Pain“, einer meiner absoluten Lieblingstracks, durfte Devon Graves als „Agony“, der in gelbem Outfit und mit schickem Gehstock eine geniale Figur machte, sein Können perfekt unter Beweis stellen. Außerdem gab es den ersten Auftritt von Michael Mills, der nicht nur optisch einiges her machte, sondern auch Devin Townsend wunderbar zu ersetzen wusste. Nur seine Interpretation von „Day 16: Loser“, wo er auch den „Father“ gleich mit übernahm, war improvisiert und doch etwas gewöhnungsbedürftig, dennoch war gerade hier der Applaus verdammt laut. Zusätzlich zu den 20 Original-Tracks, baute man noch ein paar sehr gelungene Reprises von verschiedenen Tagen ein, die meist recht künstlerisch daher kamen, sowie einmal „Pain“, das vom sogenannten Epic Rock-Choir, bestehend aus 19 starken Sängern und Sängerinnen bestand, im Canon a capella vorgetragen wurden.



Mike Mills (c)Christel Brouwer


Alle Protagonisten waren farblich ihrer Rolle entsprechend gekleidet und boten eine ganz bestimmte Performance, die natürlich auch dazu passt. Und hier stachen vor allem Mills und Graves besonders hervor, die mit Ekstase in ihre Rolle schlüpften. Nach einer guten Stunde fiel nach dem wunderbarschönen „Day Eleven: Love“, bei dem der Chor in schicke Anzüge und Abendkleider stieg um die Szene des Kennenlernen und Verliebens nachzustellen, nach einem richtigen Knall der Vorhang für eine Pause. Der Jubel und Applaus wurde von Song zu Song lauter und man freute sich nach Highlights wie „Day Seven: Hope“, oder „Day Ten: Memories“ auf den zweiten Teil.



(c)Christel Brouwer


Setlist Part1:

Day One: Vigil
Overture
Day Two: Isolation
Day Three: Pain
Day Four: Mystery
Day Five: Voices
Pain II
Day Six: Childhood
Day Seven: Hope
Day Eight: School
Childhood II
Day Nine: Playground
Day Ten: Memories
Pain III
Day Eleven: Love

Der zweite Teil fiel im allgemeinen etwas anstrengender und vor allem dramatischer aus, konnte aber mit genialen Momenten wie das angedeutete „Loser“, bei dem Mills rund um das Krankenbett des tragischen Hauptcharakters tänzelte, das herzzerreißende „Day Fifteen: Betrayal“ in dem einiges ans Licht kam sowie das rockige „Day Fourteen: Pride“. Immer wieder bedeckten die Gefühle die einzelnen Szenerien aus seiner Vergangenheit und wühlten buchstäblich darin herum, doch LaBrie kämpfte dagegen an und legte seinen Bürotisch, das Kinderzimmer, die Schulklasse oder den Park immer wieder frei. Auch neue Rollen wurden zugeteilt und so bekamen auch ein Arzt und eine Schwester ein paar Strophen passenderweise zugeteilt. LaBrie wurde immer wieder durch die Gegend geschubst, was verschiedene Momente wunderbar unterstrich, während Wudstik und Bovio perfekt die trauernden Angehörigen mimten. Ich kann gar nicht genug betonen, wie diese Eindrücke zur abwechslungsreichen und intensiven Musik unter die Haut gingen. Von Folk über Indie, Rock, etwas Pop, Bombast bis hin zum beinharten Metal war alles dabei und das immer verdammt gefühlsbetont. Man konnte die Musik, die Story, den Gesang und das Gesamtmeisterwerk nicht nur sehen und hören sondern wirklich spüren und mitfühlen, so dass beim großen Finale „Day Twenty: Confrontation“ die Zuschauer wirklich mitfieberten und mit Standing Ovations das Ensemble würdig und lautstark verabschiedeten. Sogar jetzt während ich diese Zeilen schreibe, bekomme ich erneut Gänsehaut.



(c)Christel Brouwer


Doch wer das Gesamtbild von AYREON kennt, weiß, es gibt ja noch die Alien-Rasse „Forever“, die auch in „The Human Equation“ ihre Hände im Spiel hatten. So gab es noch einen kleinen Epilog, über den Dream Sequencer (mehr möchte ich hierzu auch nicht sagen), doch als dieser aufging, saß darin plötzlich ein grinsender Arjen Anthony Lucassen, der den Applaus nochmal von neuem und lauter denn je entfachte. „What a ride...“



Arjen Anthony Lucassen - (c)Christel Brouwer


Setlist Part2:

Overture II
Day Twelve: Trauma
Day Thirteen: Sign
Day Fourteen: Pride
Vigil II
Day Fifteen: Betrayal
School II
Day Sixteen: Loser
Day Seventeen: Accident?
Pain IV
Day Eighteen: Realization
Trauma II
Day Nineteen: Disclosure
Day Twenty: Confrontation
Finale (Dream Sequencer)

Der Vorhang fiel erneut und nach und nach kamen alle Beteiligten nochmal auf die Bühne um sich feiern zu lassen, Blumen überreicht zu bekommen und sich zu verabschieden. Ich habe ja viel von diesem Abend erwartet, doch was in den knapp zwei Stunden geboten wurde, übertraf diese noch mühelos. Ein Overkill an Emotionen, Gänsehaut und intensiver Musik der Extraklasse. Ich bin gespannt ob man nach diesen vier Shows das Ganze nochmal wiederholt oder vielleicht sogar noch ein anderes AYREON Werk irgendwann in Angriff nimmt. Ich wäre sofort wieder dabei, egal wann und wo!


Besetzung - The Theater Equation:

Arjen Anthony Lucassen - Music & Lyrics

James Labrie - as "Me"
Jermain van der Bogt - as "Best Friend"
Marcela Bovio - as "Wife"
Anneke van Giersbergen - as "Fear"
Eric Clayton - as "Reason"
Irene Jansen - as "Passion"
Magnus Ekwall - as "Pride"
Heather Findlay - as "Love"
Devon Graves - as "Agony"
Mike Mills - as "Rage & Father"
Peter Moltmaker - as "Doctor"
Nienke Verboom - as "Nurse#1"
Katinka van der Harst - as "Nurse#2"
Anita van der Hoeven - as "Mom"

Ed Warby - Drums
Johan van Stratum - Bass
Marcel Coenen - Guitars
Freek Gielen - Guitars
Erik van Ittersum - Keys
Ruben Wijga - Keys
Jeroen Goossens - Flutes
Ben Mathot - Violin
Maaike Peterse - Cello


Epic Rock Choir:
Agoston Szabo, Andreas Schröder, Anita van der Hoeven, Bojan Kovic, Cons Marg, Elsemiek Prins, Jan willem Ketelaers; José A. Gallardo, Katinka van der Harst, Laura Guldenmond, Lisette van den Berg, Marcus Becker, Maria Catherina Schuitemaker, Marjolein Hüsken, Nienke Verboom, Peter Moltmaker, Radina Dimcheva, Thina Chat

www.thetheaterequation.com

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Beitrag vom 28.09.2015
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