BEHEMOTH   CRADLE OF FILTH   IN SOLITUDE   SVARTTJERN  
21.02.2014 @ Gasometer

Wenn sich sogar der österreichische Rundfunk dazu aufrafft von einem vermeintlichen gesellschaftlichen Randgruppenphänomen, wie einem Konzert extremer Musik zu berichten und dafür sogar ein Kamerateam abkommandiert, weiß man, dass man eigentlich schon mit einem Bein in der Gesellschaftstauglichkeit steht. Für ein Konzert, das ursprünglich drei mehr oder weniger eingesessene Black Metal Bands und CRADLE OF FILTH im Billing hatte ist das Wiener Gasometer eine ungewohnt große Location. Die im Vergleich eher ruhigeren Heavy Metaller von IN SOLITUDE waren auch mit von der Partie. Wer jetzt einwirft, dass das in Summe zu viele Bands sind hat völlig Recht, denn die amerikanischen Black Metaller von INQUISITION wurden aufgrund ihrer früheren Vergangenheit beim einschlägigen Label „No Colours“ von den Veranstaltern kurzerhand aus der Veranstaltung genommen. Das war übrigens auch nur in Wien der Fall. Überraschenderweise war auch die Reaktion der Band selbst auf diesen Umstand recht gelassen und so spielte man kurzfristig eine Show in Budapest. So gab’s für beide im Publikum vorherrschenden Lager, den CRADLE OF FILTH affinen Quasi-Goths und den hypermaskulinen Blackened-Death Metaller je zwei genrebedienende Bands. Gelebte Egalität durch und durch, abgesehen davon, dass die Merchandise-Stände der beiden Headliner strikt getrennt waren, aber man kann ja nicht zu viel verlangen. Zumindest wurden die Preise brav gleichgeschaltet.

Zugegeben, es wirkte schon etwas gewöhnungsbedürftig als SVARTTJERN kurz vor 19 Uhr mit ihrem Underground Flair auf die große Bühne des Gasometer kraxelten. Aufgemalte umgedrehte Kreuze, Lederkluft und Armschienen, in die man heillos überdimensionierte Nägel hinein schlug. Ein Bühnenbild, das man eher in den Kellergewölben von Escape oder Viper Room gewohnt ist. Die Show an sich war dann eigentlich Bilderbuch Black Metal. Vokalist Hans Fryste führte wild keifend und nie die Ottakringer Dose (wir sind schließlich in Wien) aus der Hand gebend durch das gut halbstündige Set, in der Basstrommel und Bassgitarre um die akustische Hegemonie fochten. Die Gitarren musste man sich, sofern man mittig in der Halle stand, dazu denken. Die Situation besserte sich zwar im Laufe der Show, aber richtig gut wurde der Sound leider nie. Man kann getrost davon ausgehen, dass sich SVARTTJERN auf wesentlich kleineren Bühnen und mit durchgehend wahrnehmbaren Gitarren um einiges besser verkaufen würden.






Der Stilbruch zu den folgenden IN SOLITUDE war dann gelinde ausgedrückt enorm. Von traditionellem Black Metal auf Heavy Metal mit Goth Rock-Allüren ist es schon ein weiter Schritt. Dafür konnte man jetzt auch hören, was die Gitarristen spielten und interessanterweise war auch der Lichttechniker merkbar motivierter als zuvor. Eine in tiefes Rot und Kunstnebel eingehüllte Bühne bot eine bessere Kulisse für eine Show als das karge Nichts, das zuvor dominierte. Ohne wirklich wahrnehmbare Patzer zog man souverän durch das Set und sorgte vor allem im Quasi-Goth-Block für Wohlgefallen, deren Klimax wohl aber erst im Anschluss erfolgen sollte.





Nach einer emsigen Umbauphase betrat von den mystischen Klängen von „At the Gates of Midian“ begleitet, eine in eine Robe gehüllte Gestalt mit würdevollem Gang die Bühne, vor sich einen Ziegenschädel auf einer Stange her tragend. Den jedoch noch kaum abgestellt entlarvte sich besagte Gestalt durch wiederum wenig würdevolles Herumgehopse als Dani Filth höchstpersönlich. Und das ganze bevor überhaupt die tiefe Kapuze der Robe ablegt wurde. Der Rest der Band folgte und mit „Cthulu Dawn“ wurde zugleich mit einem altbewährten Stück losgelegt. Als Blickfang in der Mitte fungierte eine Leinwand, auf die fleißig per Videoprojektor projiziert wurde. Zu einem Song, der gespielt wurde, wurde auch ein Video gedreht und man zeigte Ausschnitte daraus in einer Endlosschleife. Gab’s kein solches Video gab’s zwei Alternativen: Entweder wurden Szenen aus einem alten Stummfilm über die Walpurgisnacht gezeigt oder einfach ein paar sich manchmal wechselnde Fotos. Und darüber legte man bizarre Bildeffekte, die völlig willkürlich auftauchten und vermutlich mit dem Windows Movie Maker gemacht wurden, welcher bekannterweise für die Filmbearbeitung das ist, was Microsoft Paint für die Bildbearbeitung ist.





Nun gut, der zweite Blickfang war das nicht minder bizarr kleine Keyboard von Lindsay Schoolcraft, von dem es hinter dem verschnörkelten Ständer so wirkte, als hätte es exakt so viele Tasten wie die Keyboarderin Finger. Streckenweise schienen Klavierlinien, vor allem jene, die sich in den tieferen Regionen der Klaviatur abspielen, überhaupt gesampelt worden zu sein. Dafür saßen ihre Gesangspassagen recht gut, wie zum Beispiel im kritischen „Her Ghost In The Fog“. Wie die anderen Bands zuvor hatten auch CRADLE OF FILTH anfangs mit Soundproblemen zu kämpfen und auch hier galt: wer mittig stand, hörte anfangs von den Gitarren nicht viel. Nach und nach verbesserte sich das Klangbild aber und die Musiker legten eine tadellose Leistung ab, mit Ausnahme des ewig polarisierenden Dani Filth. Bekannt dafür, live mit seinem hohen Gekreische ohnehin mit großen Problemen in der Umsetzung konfrontiert, scheint sein Lösungsansatz zu sein, sie einfach so oft wie möglich einzubauen. Und immer gehen sie völlig daneben. Das nervt auf Dauer ein wenig, zu mal er sie dann auch einsetzt, wenn die Stimmung eigentlich nach tiefem Sprechgesang verlangen würde. Der ORF filmte übrigens für die ZIB 24 des Tages kurz CRADLE OF FILTH mit, was Herrn Filth auch dazu veranlasste einen wahren Schenkelklopfer über das bekanntlich böse Wort „Fuck“ los zu werden. Abgesehen davon war es über eine Stunde und 15 Minuten ein ganz ordentlicher Auftritt einer wohl ewig streitbaren und polarisierenden Band, mit einer eher schnelleren Playlist und einer guten Mischung aus altem und neuem Material.





Setlist CRADLE OF FILTH

At The Gates Of Midian
Cthulhu Dawn
A Dream Of Wolves In The Snow
Summer Dying Fast
The Principle Of Evil Made Flesh
Beneath The Howling Stars
For Your Vulgar Delectation
Haunted Shores
Nymphetamine (Fix)
Born In A Burial Gown
Cruelty Brought Thee Orchids
Her Ghost In The Fog
-
Ave Satani
Funeral In Carpathia

Als letzte Band des Abends betraten BEHEMOTH die Bühne. Zunächst noch in Roben gehüllt bezogen Orion (Bass) und Seth (Gitarre) auf den hohen Podesten neben dem noch höheren Drumpodest Stellung, bevor Nergal als Zeremonienmeister in die Mitte der Bühne trat. „Blow Your Trumpets Gabriel“ diente dabei als fulminanter Einstieg in das Set, gefolgt vom ebenfalls neuen „Pro Orba Nobis Lucifer“, das mit Flammentürmen und empor schießenden Rauchsäulen genussvoll zelebriert wurde. Überhaupt war die Show irgendwo zwischen Black Metal Konzert und schwarzer Messe mit Pop-Allüren aufgezogen. Wenn Nergal vor einem Song andächtig eine Weihrauchkelle schwingt oder Orion und Seth publikumstauglich zwei Metallkonstruktionen in Form von umgedrehten Kreuzen entzünden, weiß man, dass BEHEMOTH jeglichen Anspruch auf ein Underground-Dasein ohnehin schon längst über Bord geworfen haben. Die Auftritte sind penibel einstudiert, de facto jeder Handgriff sitzt, jede Geste passt. Egal, ob Orion nun mit seiner Faust auf sein Instrument schlägt, Seth zum Headbangen in die Knie oder Nergal für sein Gitarrensolo auf die Knie geht. Alles sitzt und macht dadurch die Show zu einem der intensivsten Erlebnisse, die man in diesem Musikgenre erfahren darf. Natürlich gibt es dann wieder Momente, wo metallische Wurschtigkeit durchdringt, zum Beispiel, wenn der etwas bullige und tätowierte Schlagzeug-Roadie zur Unterstützung beim Schlussteil von „At the Left Hand ov God“ mit in die Trommeln prügelt, dabei aber plötzlich aus unerfindlichen Gründen kein T-Shirt mehr trägt oder wenn Seth während „Chant For Eschaton 2000“ quer über die Bühne marschiert, den Kopf in den Nacken wirft und sich zunächst Wasser und dann Ottakringer aus der Dose von einem Roadie in den Mund leeren lässt, nur um dann pausbäckig zum Bühnenrand zu spazieren und das Publikum an eben diesem Bier teilhaben zu lassen. Eine schöne Dualität. Und technisch kann man ohnehin kein Haar an dem polnischen Quartett lassen.





Leider waren auch BEHEMOTH nicht von Soundproblemen verschont und wieder waren die Gitarren das Problem. Auch Nergals Stimme hätte einen Tick lauter verstärkt werden können, aber was will man machen. Dafür waren der Bass und die Drums sehr knackig und kraftvoll, dabei aber nie zu dominant. Die Stimmung im Publikum war ebenfalls sehr gut, wobei es überraschend wenig Bewegung zu beobachten gab. Das Geschehen auf der Bühne mit all seinen Showelementen zog erfolgreich Aufmerksamkeit auf sich. Als Verabschiedung wurde „Oh Father, Oh Satan, Oh Sun“ vom aktuellen Album „The Satanist“ intoniert, wobei man für den Schlusspart nach einer kurzer Pause während des Songs mit den aus den Promofotos für das Album bekannten Masken zurück auf die Bühne kehrte und einen imposanten Schlusspunkt setzte. Eigentlich dann doch etwas schade, dass das dem ORF wiederum völlig egal war.






Setlist BEHEMOTH

Intro
Blow Your Trumpets Gabriel
Ora Pro Nobis Lucifer
Conquer All
Decade Of Therion
Intermission
As Above So Below
Slaves Shall Serve
Intermission
Christians To The Lions
Driven By The Five-Winged Star
Intermission
The Satanist
Ov Fire And The Void
Furor Divinus
Alas, Lord Is Upon Me
At The Left Hand Of God
Chant For Eschaton 2000
-
O Father O Satan O Sun!


FOTOS + E-CARDS
behemoth.pl

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Beitrag vom 26.02.2014
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