BOHREN UND DER CLUB OF GORE   ALEXANDER TUCKER  
27.10.2008 @ Arena

Montagabend ist Weltuntergang. Den Soundtrack liefern BOHREN UND DER CLUB OF GORE. Das Mühlheimer Traditionsunternehmen in Sachen Weltschmerz und Untergang hat seine 15jährige Geschichte im Hardcore begonnen und sich im Laufe der Jahre als eine Institution des Doom-Jazz bzw. Suizid-Ambient etabliert. Das beklemmende Resultat ist trotz Low-Tempo-Rekorden und bizarr minimalistischer Instrumentierung nichts für Weicheier.

Doch zunächst darf Support-Act Steve, äh, ALEXANDER TUCKER, ran, und er ist tatsächlich allein. Oder doch nicht ganz: Nur mit Akustikgitarre bewaffnet, steuert sich Herr TUCKER per Pedal weitere Instrumente vom Band hinzu, was ein seltsames Ereignis ist: Glaubt man gerade, die Live-Spur identifiziert zu haben, legt der Musiker seine Gitarre aus der Hand, und die Gitarre tönt fröhlich weiter. Irritierend. Dabei ist ALEXANDER TUCKERS atmosphärischer Postcore gar nicht von schlechten Eltern, vielschichtig und stimmungsvoll – aber eben ein seltsames Live-Erlebnis, doch vielleicht soll das ja genau so sein.




Dann erfolgt eine der eindrucksvollsten musikalischen Trepanationen (=Schädelöffnungen), die die Arena in diesem heißen Herbst erleben durfte: „BOHREN“ bedeutet tatsächlich „Bohren“, so wie es ein Bohrer tut: Tiefe Löcher hinterlassend. Daraus quillt die Coolness eines Film Noir-Gangsters, der von allen verfolgt, mit gebrochenem Herzen und stinkbesoffen am Tresen lehnt. Wahrscheinlich hat er sogar noch Aids – laut Frontmann Christoph Clöser kriegt man das ja angeblich, wenn man als Kind seinen Teller nicht leer isst. Ein Fest des Makaberen, der Angst und des Zynismus. Clöser ist ein Kleinkunst-Genie, was seine mit bröckelnder Stimme gehauchten staubtrockenen Kommentare angeht – nur sein Saxophonspiel ist noch besser, wunderbare Intonation. Dazu kriecht die Percussion (wenn sie nicht unversehens ganz aufhört), orgelt der eisgekühlte Chor der Verdammten aus den Keys, summt eine verlorene Bassline. Das Publikum traut sich kaum zu husten, doch der Applaus ist frenetisch, zwei Zugaben werden schon in der Mitte des Sets versprochen, „weil es uns hier ja so gut gefällt“. Uns auch – wir sind schon längst tot. Seit mitte Oktober verfügbar: Das aktuelle Album „Dolores“.

www.bohrenundderclubofgore.de

marian
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Beitrag vom 30.10.2008
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