FORESTGLADE TAG 2 MIT WIR SIND HELDEN   CYPRESS HILL   BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB   IN FLAMES   LAMBRETTA ...  
10.07.2004 @ Festivalgelände, Wiesen

Als erste durften am Samstag die Berliner SHE-MALE TROUBLE, die sich selbst gern das Attribut Motorpunk geben, den Festivaltag eröffnen. Die Band SHE-MALE TROUBLE ging ja eigentlich aus FEMALE TROUBLE hervor, die - der Name verrät es bereits - nur aus Frauen bestand. Übriggeblieben ist davon nur noch Sängerin Carola, die an diesem Tag vor nur wenigen Leuten abrocken musste. Dankenswerterweise verfällt sie nicht in die Rolle eines schmückenden Beiwerks einer männlichen Band, vielmehr ist sie hier der Chef.
Die Berliner gaben mit ihrer Performance wirklich ihr bestes, die - zumeist nur körperlich anwesenden - ZuseherInnen ließ das Konzert nichts desto trotz eher kalt, da half die ganze Energie melodischer Punksongs der Sängerin nichts, deren rockig-verrauchter Gesang wirklich gut rüberkam.

VIRGINIA JETZT!, ebenfalls aus Berlin kommend, betraten daraufhin die Bühne. Die Unterstützung die FM4 ihnen zukommen ließ machte sich dann auch vor allem in der großen Besucherschar bemerkbar.
Sie boten einerseits schmalztriefende Liebesschnulzen, die sicher nicht jedermanns/jederfraus Sache sind, trotzdem aber unter der Bezeichnung Indie Pop/Rock firmieren dürfen, und andererseits relativ eingängige schnellere Kracher, die erträglicher (auch von den Texten her gesehen) waren. In diese Kategorie fällt beispielsweise ihr Hit „Von guten Eltern“. Den Leuten gefiels dennoch mehrheitlich wie mir schien.

Von SKA P versäumte ich leider den Anfang, wenn ich vorher gewusst hätte was diese Spanier unter Performance verstehen hätte ich diesen Fehler sicherlich nicht gemacht.
Musikalisch stehen SKA P für guten aber nicht sonderlich innovativen Punkrock mit heftigem Bläsereinsatz, ihre Herkunft können sie in dieser Richtung kaum verleugnen, ein spanische/mexikanischer Touch durchzieht sämtliche Songs und gesungen wird natürlich auch auf spanisch. Die Bühnenshow war relativ chaotisch und unüberblickbar, herausragend dabei das als Kardinal (?) verkleidete Bandmitglied das zuerst mit einer hilflosen Gummipuppe alle möglichen sexuellen Andeutungen und Handlungen vollzog, um dann mit einem Riesenpenisimitat um die Hüften durch die Gegend zu hüpfen (mit dem Blick auf die Vorgänge in St. Pölten derzeit sehr stimmig). Kein Wunder dass da das Publikum kochte und die Stimmung kaum zu überbieten war.
Punkbands - aber auch Vorläufer wie IGGY POP am Sonntag oder Nachfolger wie THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY - liefern einfach immer noch die besten und unterhaltsamsten Bühnenshows soviel lässt sich nach diesem Wochenende klar sagen.

Dasselbe gilt auch für die nachfolgenden BEATSTEAKS, womit wir wiedermal in unserem Nachbarland angekommen wären. Für sie wäre sicherlich ein späterer Slot angebrachter gewesen - sie haben sich tatsächlich bereits eine nicht zu unterschätzende Zahl an Fans erspielt und punk-rockten sich höchst dynamisch durch ihren Auftritt.
Schließlich fischten die BEATSTEAKS noch einen Schlagzeuger aus dem Publikum raus der eine ganze Nummer spielen durfte und dies auch bravourös meisterte. Danach nahm man den Ausdruck Crowd Surfing wortwörtlich und er musste auf einem wahrhaftigen Surfbrett durch die Menge surfen.Die Stimmung war während des gesamten Konzerts äußerst fein und die Menge pogte.

Danach war es Zeit für den Schweden Schwerpunkt dieses Tages mit LAMBRETTA und IN FLAMES.
LAMBRETTA - an sich eine musikalisch belanglose Band Marke Mainstream Rock mit einer ebenso belanglosen Sängerin in grottenschlechtem Aufzug, das schlechte Beispiel für Frauen am Mikro an diesem Tag (Stichwort schmückendes Beiwerk, jedes Klischee wunderbar erfüllend). Apropos Mikro - ein Schraubverschluss ebendort war für die Sängerin scheinbar nur schwer zu durchschauen. Kein Wunder dass die Leute fernblieben und die wenigen Anwesenden statisch bis ungläubig verharrten.

IN FLAMES zogen da schon ganz andere Saiten auf. Auch sie hatten Probleme mit dem Mikro - der Sänger war teilweise beinahe gar nicht zu hören. Später flog das - inzwischen ausgetauschte - Mikro zehn Minuten vor Ablauf der Zeit in die hinteren Reihen des Publikums und der Sänger ging kommentarlos von der Bühne. Der Rest der Band spielte die Nummer noch brav runter und dann war Schluss. Wies dazu kam? Wie das nun mal so ist bei Konzerten der ausgelasseneren Sorte fliegen die (vollen) Bierbecher durch die Gegend - zwei gefüllte Exemplare bekam der Sänger ab - das war ihm scheinbar zu viel war (manche[r] würde wohl beleidigte Leberwurst dazu sagen). Später war die Rede davon er sei verletzt gewesen, zu sehen war davon aber nichts.
Wie auch immer, bis zu diesem Vorfall lieferten IN FLAMES eine solide Show und eine willkommene härtere Abwechslung im Line Up, was bei manchen im Publikum auch mit verstörtem Gesichtsausdruck aufgenommen wurde. Die Mehrzahl der Leute war aber zufrieden und die Head Banger begannen sich zu vermehren (auf der VIP Tribüne war dafür die LAMBRETTA Sängerin verantwortlich - sowas hätte man ihr gar nicht zugetraut).
Musikalisch boten die Schweden ein paar wenige ältere Songs die durch das uptempo Geknüppel aus der Menge der neueren und leichter verdaulichen Stücke herausstachen.

In ruhigere Gefilde ging es dann mit dem BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB. Bei den Forestglade Besuchern scheinen sie nicht gerade beliebt zu sein, los war sehr wenig, auch wenn klar ist dass ihre Musik (sehr Retro, sehr dark, sehr cool, sehr à la JESUS & MARY CHAIN) nicht immer gerade zum abshaken einlädt (ausgenommen Hits wie „Whatever Happened To My Rock‘n‘Roll“ oder „Love Burns“). Als Ausgleich dafür (oder um von der Langeweile abzulenken?) erreichte das Crowd Surfing nie gekannte Ausmaße. Das Trio auf der Bühne blieb statisch, man könnte beinahe von einer Anti-Show ausgehen, wenn sie nicht derart cool und distanziert wären, dass es schon wieder eher nach einer ausgetüftelten Performance aussieht. Das kann mensch nun mögen oder nervig finden, für die meisten war es wohl eher letzteres.

Die ersten wirklichen Headliner dieses Abends - CYPRESS HILL - wurden von einer tobenden Menge empfangen. Ihre missionarischen Botschaften (legalize it) verdeutlichten sie mit Hilfe eines einige Meter hohen aufblasbaren Buddhas, den mensch wohl auch Ganja Buddha nennen könnte und mit Hilfe von „Doctor Green Thumb“. Sie präsentierten ein sehr elektronisches Set, die Betonung lag auch klar auf den Percussions, der extrem guten Stimmung tat dies keinen Abbruch und das Publikum verwandelte sich von hinten gesehen in einen Hüpfteppich.
Nebenbei gabs Hits wie „Insane In The Brain“ oder „Busted In The Hood“ und als krönenden Abschluss den „Rock/Rap Superstar“, die auch Nicht-CYPRESS HILL Fans bei der Stange hielt und für ein kurzweiligen Auftritt sorgten.

Schlussendlich sollten dann WIR SIND HELDEN für ein würdiges Ende des zweiten Tages sorgen. Bei der Größe ihrer Fangemeinde stellte dies auch kein Problem dar. Bis auf zwei Songs gabs alle Stücke vom Album „Die Reklamation“ und auch einige neue Songs wurden vorgestellt, die jedoch keinen revolutionär anderen Sound boten. Am meisten abgeshaked wurde natürlich bei „Müssen nur wollen“, „Guten Tag“ und „Denkmal“, beinahe alle Songs wurden von den Helden rockiger vorgetragen als es auf dem Album der Fall ist.
Herausragend und bestimmend war ganz klar Bandchefin Judith „Engelstimme“ Holofernes, die andersartigen Texte der Helden spiegeln sich auch in den Zwischenansagen wieder. Gerade diese oft subversiv intelligenten Aussagen sind es die diese Band äußerst sympathisch machen.
Musikalisch gesehen sind sie nicht ganz so unvoreingenommen zu empfehlen, das war auch live klar zu sehen, vor allem bei den ruhigeren Stücken kann Langeweile aufkommen und ein Abrutschen ins kitschig-schnulzige kann Judith Holofernes auch nicht immer verhindern (beispielsweise bei „Du erkennst mich nicht wieder“).
Trotzdem wird beim Konzert deutlich dass WIR SIND HELDEN nicht ungerechtfertigt derartige Senkrechtstarter sind. Dieser Auftritt war der letzte für längere Zeit in Österreich, so die Sängerin, ein neues Album will eingespielt werden.
In diesem Sinne also ein doppelt würdiges Abschlusskonzert.

Das Line Up des zweiten Tages war rückblickend gesehen nicht gerade das stimmigste - zwar gab es einen kleinen Schwerpunkt auf Punk (SHE-MALE TROUBLE, SKA P und die BEATSTEAKS), IN FLAMES, CYPRESS HILL und WIR SIND HELDEN könnten im Gegensatz dazu verschiedener nicht sein.


FOTOS + E-CARDS
www.wiesen.at

Doris
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Beitrag vom 18.07.2004
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