PLACEBO   WITHIN TEMPTATION   FANTASTISCHEN VIER   THE CURE   ...  
27.06.2004 @ Neuhausen ob Eck

Wer hätte das gedacht. Das Southside-Festival in Neuhausen ob Eck, unfern der deutschen Seite des Bodensees zwischen Stockach und Tuttlingen gelegen, hat sich zu einem unverzichtbaren Bestandteil im Open-Air-Kalender gemausert. Noch vor fünf Jahren sah es nach den ersten zwei Auflagen so aus, als würde das Festival wegen mangelnder Besucherresonanz sang- und klanglos untergehen. Weit gefehlt. Vergangenes Jahr brachen die Hamburger Veranstalter von Scorpio den Besucherrekord von 38000 Fans, dieses Jahr waren es 40000. Das Limit ist erreicht. Und das, obwohl in der Nähe des Southsides zwei weitere große Festivals über die Bühne gingen. Die Hiobsbotschaft kam aber, als David Bowie seinen Auftritt beim Southside absagen musste. Ein eingeklemmter Nerv machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Am Freitag spielte er seinen Set noch auf dem Parallel-Festival Hurrican im niedersächsischen Scheeßel runter, musste aber danach ins Krankenhaus eingeliefert werden. Das Southside war damit gecancelt.

Im vergangenen Jahr dominierte noch das Alternative-Genre das Programm. Dieses Jahr war es ein Mix aus HipHop, Rap, Alternative und Gothic Metal. Allen voran WITHIN TEMPTATION. Die Holländer um die Sängerin Sharon den Adel trat am Freitagabend als Headliner auf der Nebenbühne auf. Ihr Auftritt war fesselnd und ließ die zum Großteil unbedarften Zuhörer vor der Stage nicht mehr los. Die Band hatte die Lauschenden sofort auf ihrer Seite. Sharon den Adel betonte zwar desöfteren, dass sie Probleme mit der Stimme habe. Davon war aber nix zu hören. Gewohnt gut und tupfengleich wie auf den Alben sang sie die Lieder der Holländer runter – untermalt mit dem gewohnt-synthetischen Gothic-Stil. Es war schon engelsgleich, wie der sphärische Teppich in Symbiose mit Sharons Stimme und dem schrammenden Gitarren die Luft beim Southside erfüllte. Klar, zum gefeierten Song wurde unter anderem „Ice Queen“. Die Bühne war durchgängig mit Multimedia-Darstellungen im Hintergrund versehen und die Bühne glich einer Szene aus „Die unendliche Geschichte“. Mit diesem Auftritt haben die Holländer weitere Fans hinzugewonnen. Kompliment.

Auf der Hauptbühne rappten unterdessen DIE FANTASTISCHEN VIER. Mit Verlaub. Es war kein glanzvoller Auftritt. Während der ersten Stücke konnte die Band ja noch amüsieren, unter anderem mit „Was geht“. Aber mit jedem Stück mehr legte sich eine Letargie auf die Vorstellung, es wurde flach und monoton. Da konnten sich Thomas D., Smudo und Co. noch so anstrengen, das vorgegebene Level der ersten Stücke hielten sie nicht. Zudem streute Thomas D. noch sein Solostück „Der Falke“ ein. Gewiss ein erstklassiges Lied. Aber zu brav für ein Open Air, an dem alle nur abhotten wollen. Schade.

Dass man beim Southside THE CURE noch live sehen durfte, grenzt schon an ein Wunder. Nicht, dass sich Sänger Robert Smith beim Extrem-Schminking verletzt hätte, sondern aufgrund des Alters der Band. Zugegeben: Man sieht es Smith an, dass er in die Jahre gekommen ist. Das tut seiner Stimme aber keinen Abbruch. Noch wie in den jungen Jahren rattert er die Weisen herunter wie „Just Like Heaven“, „Love Song“ und „High“. Sie spielten auch Stücke des neu erschienen und mittlerweile 13. Albums mit schlichtem Namen „The Cure“. Man muss sich einmal den Kontrast auf der Zunge zergehen lassen. Produzent der Scheibe ist Ross Robinson aus der Nu Metal-Ecke, der schon mit LIMP BIZKIT und SLIPKNOT zusammenarbeitete. Auch das neue Material klingt gut. Gut, aber nix Neues. Einst prägten THE CURE einen Stil mit, aber von Album zu Album blieb es das Gleiche. So klang es auch auf dem Southside. Die Show war gut, fast nur Hits, aber eben immer auf dem gleichen musikalischen Niveau. Aber man muss sie mal gesehen haben.

Wie es ging, das bewiesen die SPORTFREUNDE STILLER. Es war einfach eine Gute-Laune-Musik, die die drei Musiker zelebrierten. Mit einer Leichtigkeit und launigen Worten zogen sie ihren Set ab. Diese Band hat es verdient, auf den großen Bühnen stehen zu dürfen. Tingelten sie Jahre lang durch die kleinsten Rock-Clubs, kam ihr Durchbruch erst im Frühjahr 2002 mit der Single „Ein Kompliment“. In Neuhausen ob Eck spielten sie ihren gefälligen, stark von der anglo-amerikansichen Indie-Tradition geprägten Schrammelgitarren-Pop. Die Mischung aus griffigen Melodien und deutschen Texten macht die Jungs einfach sympathisch. Geile Show, die durch Kletteraktionen auf die Boxen-Türme der drei Musiker beendet wurde. Ihre Instrumente übersteuerten sie solange, bis sie zum grande Finale zeitgleich von den Türmen auf die Bühne sprangen. Gute-Laune-Musik eben.

Gespannte Erwartungen dominierten hingegen die Stimmung vor dem Gig der PIXIES. Über zehn Jahre lang war diese einst stilprägende US-Indie-Formation nicht mehr öffentlich aufgetreten.l Gleich in den ersten paar Minuten demonstrierte sie, warum sie von so vielen Musikern als maßgeblicher Einfluss auf das eigene Schaffen genannt wird. Die verzerrten, übersteuerten Gitarren, die das PIXIES-Klanguniversum dominieren, die abrupten Tempi- und Rhythmuswechsel: Man fand sie in den 90ern im Sound vieler Bands wieder, von NIRVANA bis hin zu PLACEBO.

Auch LIFE OF AGONY können den Einfluss der PIXIES auf ihre Musik nicht leugnen. Noch ruppiger als Frank Black & Co. malträtieren sie ihre Gitarren, entlockten ihnen Splitterakkorde von sinister Schönheit – aber der Auftritt ihres Lebens war ihr Southside-Gastspiel eher nicht. Nicht so recht bei Stimme schien Sänger Keith Caputo, und ziemlich bemüht wirkten seine Animierungsversuche Richtung Publikum.

Da waren die Jung-Punker von ANTI-FLAG, die ihre berühmten drei Akkorde fast zeitgleich zum zum LIFE OF AGONY-Gig auf der Nebenbühne zelebrierten, schon wesentlich erfolgreicher: So heftig wurde von den vordersten Fan-Hundertschaften Pogo getanzt, dass sich ein Staubnebel entwickelte, der die Sicht auf die Bühne zu verdecken drohte.

Einen grandiosen Auftritt legten die BEATSTEAKS hin. Diese Show kam den DONOTS gleich, die bekanntlich zu den besten Live-Formationen gehören. BEATSTEAKS-Sänger Arnim wusste, wie er das Publikum mitreißen musste. Nicht schwer bei der Musik der Berliner Band, die wie geschaffen ist für Konzerte. Es ist diese englichse Note, vor allem im Titel „Hand in Hand“, gepaart mit mitsing-gerechten Refrains, was diesen Auftritt zu etwas Besonderem werden ließ. Das hat gerockt.


Alle Jahre wieder lässt sich zu DIE HAPPY sagen. Das dritte Mal hintereinander heizte die Ulmer Band um Ausnahme-Sängerin Marta Jandova dem Publikum beimSouthside ein. Sie können es einfach nicht lassen, die Menge mitzureißen. Der abgelutschte Vergleich zu GUANO APES ist dahin. Die Göttinger kommen an die Ulmer nicht ran. Bitte nächstes Jahr wieder.

An ihrer experimentellen Fähigkeit missen ließ es PJ HARVEY. Die Engländer spielten von ihren Scheiben eher das, was bei den Fans ankommt – oder das, womit man neue hinzugewinnen kann. Keines der Stücke fiel aus dem Takt, alles kam schnurgerade über den Äther. Im Gegensatz zu FRANZ FERDINAND. Sie spielten die Lieder ihres einzigen und selbstbetitelten Albums, klar, mehr haben die Engländer nicht im Petto. Zwar taten sich die Engländer etwas schwer, bei den ruhigern Passagen die Menge zu begeistern. Ging es aber an die Refrains, sang das Publikum lauthals mit. Die Band bewies, dass sie nicht nur auf CD gute Musik rüberbringen kann, sondern auch live.


FOTOS + E-CARDS
www.suedkurier.de/festivals

Philipp
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Beitrag vom 18.07.2004
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