ROCK AM RING I: KORN   MOTÖRHEAD   EVANESCENCE...  
04.06.2004 @ Nürburgring

Rock am Ring hat Kultstatus. Wissen wir. Dieser Kultstatus hat im vergangenen Jahr geordnetere Bahnen bekommen. Der Veranstalter Marek Lieberberg gab die Prämisse aus, dass es eingeteilte Camping- und Parkplätze gibt. Keine wilde Rumstreunerei mehr, alles wohl organisiert. Vergangenes Jahr klappte es. Auch mit den sanitären Anlagen. Ausreichend befestigt, die Dixi-Klos wurden auch öfter mal geleert und mit Toilettenpapier aufgestockt. So weit, so gut. Das war vergangenes Jahr. Anno 2004 sah alles wieder ganz anders aus. Bereits am Donnerstag, und damit noch vor Festivalbeginn, waren so viele Menschen angereist (laut Ordner bereits 100 000), dass die Campingplätze überfüllt waren. Sie wurden abgeriegelt. Wer am Freitagmorgen kam, hatte Pech. Er musste warten, bis der Veranstalter noch mal einen Blick auf die Camping-Plätze geworfen hatte, dann zur Erkenntnis kam, dass hier und dort noch ein Plätzchen frei war, und weiter ging die Siedleraktion. Da bleibt die Frage offen: Wieso hat der Veranstalter nicht schon früher absehen können, wie viele Menschen kommen? Das sieht er doch am Vorverkauf. So eine große Zahl an Open-Air-Gängern wird nicht an der Tageskasse gekauft haben, als dass dieses Chaos nicht hätte umgangen werden können.
Es ging nämlich an der Festival-Bändchen-Ausgabe weiter. Was dort geschah, hätte fast zu einem Überkochen der guten Gemüter geführt. Zwei Ausgabe-Häuschen mit jeweils vier kleinen Fensterchen – davor am Freitag eine Meute von Tausenden Fans, die tobten. Solch eine Unterorganisation gibt es beim Southside-Festival nicht, nicht beim Summerbreeze und auch nicht in St. Gallen. Gut, diese Open Airs sind kleiner. Die Massen strömen aber in gleichen Intervallen ein. Zwar gab es auf wenigen Campingplätzen auch Bändchen-Ausgaben, die waren ähnlich überlaufen. Es ging doch schon mal besser, Marek Lieberberg, wieso wieder diese marode Organisation? Verbesserungsbedarf, Minuspunkte.

Wer es mal ins Festivalgelände geschafft hatte, erlebte schon gleich den Hammer schlechthin. Die Boxen wummerten, eine raue, verraucht-versoffene Stimme ließ die Luft erbeben: Lemmy und MOTÖRHEAD entluden ihre Brachialität auf der Centerstage. Es ist diese Mischung aus Kultstatus und der dröhnenden Eleganz, die diese Band ausmacht. Wobei viele Kids die Truppe höchstens vom Hörensagen kennen und nicht wissen, dass Lemmy und Co. mit Musikgeschichte geschrieben haben. Stattdessen stehen sie auf den hyper-präzis-produzierten Mainstream. Es sei ihnen vergönnt. Ganz klar: Höhepunkt der MOTÖRHEAD-Show war „Ace of Spades“. Es ist und bleibt einfach das Aushängeschild dieser Band, die das Stück einwandfrei daherrotzten. Genial.
Kommen wir wieder zum hyper-präzis-produzierten Mainstream. Dazu lässt sich auch EVANESCENCE zählen. Dieses Jahr hat es geklappt. Im vergangenen Jahr lieferte die Band eine katastrophale Leistung ab, was weniger an der Band als an ihrem Mann hinterm Mischpult lag. Sängerin Amy Lee war nicht zu hören, die Gitarren vom Schlagzeug übertönt, der Bass wummerte haltlos aus den Boxen. Diesmal passte alles. Musik und Show waren gut. Doch: Es fehlt einfach der einstige Gitarrist Ben Moody. Er brachte erst die Dynamik hinein, war erstklassig an seinem Instrument. Nun gut, die Band hat es einigermaßen mit Moody-Nachfolger Terry Balsamo aufgewogen. Den Glanzpunkt setzt Sängerin Amy Lee vor allem in den gefühlvollen Momenten. Die Nuancen ihrer Stimme erzeugen eine Romantik, wenn es an die balladesken Passagen geht. Dann entfaltet Amy Lee die gesamte Bandbreite ihres Organs, obwohl ihr auch die druckvollen Lagen sehr gut zu Gesicht stehen. Erstklassig: „My Immortal“ und „Bring Me To Life“. Hervorragend umgesetzt, auch wenn sehr an die Album-Vorlage gehalten.
Den Abschuss brachten KORN. Was für ein Konzert. Die Amerikaner entfalteten eine Dynamik, mit der ihnen der Rang als Headliner an diesem Abend gerecht wurde. Um einen Tick härter als auf den Platten knallten die Kracher aus den Boxen. Dementsprechend Energie geladen war das Publikum, hier und dort eine Schlägerei. Neben Sänger Jonathan Davis überzeugte vor allem Bassist Reginald Arvizu. Seine Arbeit an dem Instrument machte den Auftritt von KORN erst so druckvoll. Das entfaltete sich vor allem auch in den instrumentalen Zwischenspielen. Sie sind einfach eine Instanz in diesem Genre. Interessant auch, dass Sänger Jonathan zwischen den Stücken immer hinter die Bühne verschwand. Warum? Er nahm einige Züge aus einer Sauerstoffmaske und bekam zu trinken gereicht. Sehr seltsame Angewohnheit.
www.rock-am-ring.de

Philipp
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Beitrag vom 18.06.2004
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