BLUMFELD   BRITTA  
22.11.2003 @ Posthof

BLUMFELD, einer der erfolgreichsten und namhaftesten Exporte der so genannten „Hamburger Schule“ beehrte wieder einmal die Alpenrepublik mit einer Gastspielreise. Während bei früheren Tourneen der Deutschen ausschließlich der Alte Schl8hof in Wels als Austragungsstätte für eine Show auf oberösterreichischem Boden in Frage kam, gastieren BLUMFELD an diesem Tag erstmals im Linzer Posthof. Dies mag wohl auch damit zusammenhängen, dass man ganz offensichtlich damit rechnete, dass ein Gig der Hamburger mittlerweile weitaus mehr Leute anziehen würde, als im großen Saal des Schl8hofes Platz finden würden. (Maximales Fassungsvermögen: ca. 800 Personen) Ursprünglich sollte dieses Konzert übrigens in der großen Halle des Posthofes, die (inkl. Tribüne) rund 1.200 Menschen Platz bietet, vonstatten gehen. Da der Vorverkauf anscheinend aber doch nicht ganz so erfolgreich verlief, wie es sich die Verantwortlichen erhofft hatten, wurde die Veranstaltung kurzerhand in den Mittleren Saal verlegt, der bei geöffneter Tribüne sowie Galerie maximal rund 900 Personen in sich beherbergen kann, und auch fast zur Gänze gefüllt werden konnte. Zum Vergleich: Die SPORTFREUNDE STILLER schafften es im Mai 2002 scheinbar mühelos den erwähnten großen Saal bis auf den letzten Platz zu füllen, so dass am Veranstaltungstag jegliche Spätentschlossene an der (geschlossenen) Abendkasse mit der Tatsache konfrontiert, dass die Veranstaltung restlos ausverkauft sei, wieder enttäuscht von dannen ziehen mussten. Ein Umstand, der wohl nur damit zu erklären ist, dass die SPORTFREUNDE STILLER mit ihrem Veröffentlichungen bisher wesentlich Besser bei jüngeren Semestern punkten konnten, obwohl sich freilich auch das BLUMFELD-Publikum als altersmäßig bunt gemischt erwies.

Als Supportact durfte BRITTA, eine All-Girl-Band aus Berlin, in Erscheinung treten, die einst aus dem Trümmern der gar nicht so unbekannten Kombo LASSIE SINGERS hervorgegangen war, und im Gepäck ihr drittes Werk mit sich führte, das den Titel „Lichtjahre voraus“ trägt, und natürlich ausführlichtst in Form von Songbeispielen vorgestellt werden wollte. („Chinesisches Roulette“; „Britta – um Lichtjahre voraus“; „Es ist nicht immer leicht“). BRITTA tendieren – ähnlich wie der Headliner – musikalische naturgemäß eher in Richtung Gitarrenpop, der unterm Strich sicherlich durchaus gefühlvoll und hörenswert ausfällt, und von deutschsprachigen Texten begleitet wird, die meist eher gesellschaftskritisch gehalten sind, aber auch alltägliche Probleme (Beziehung usw.) behandeln, und das alles unter Einbeziehung eines kräftigen Schusses Humor, was sich auch sehr in den Zwischenansagen von Frontfrau Christiane Rösinger wiederspiegelte, die dabei auch mehrfach bewies, mit einer waschechten „frechen Berliner Schnauze“ ausgestattet zu sein. Der Gig ging auf alle Fälle durchaus in Ordnung, und fand bei der Menschenmasse auch großteils entsprechenden Anklang.

Danach begann jene Band ihre Performance, deren beachtliche Karriere sich bereits im Jahre 1990 ihren Anfang nahm, und bei der Suche nach einem geeigneten Bandnamen bei einer Erzählung von Franz Kafka („Blumfeld, ein älterer Junggeselle“) fündig wurde.

Als Eröffnungsnummer durfte das Stück „Sonntag“ herhalten, das vom aktuellen Werk „Jenseits von jedem“ stammt, und auch auf diesem die Pole Position in der Tracklist einnimmt. Selbstverständlich legte man erwartungsgemäß allgemein Wert darauf, vorwiegend Auszüge aus diesem Album darzubieten, um dieses somit bestens zu promoten. Und: Das Publikum zeigte sich absolut begeistert, und feierte die Band nach allen Regeln der Kunst ab. Jochen Distelmeyer, Sänger/Gitarrist und Hauptakteur bei den Norddeutschen zeigte sich als charmanter und sympathischer Frontmann ohne jegliche Starallüren, der wohl aufgrund seines Aussehens und seinen ureigenen Bewegungen bei jeglicher Art von Castingshow von Jury und Publikum schon in der Vorrunde gnadenlos des Feldes verwiesen werden würde, aber das soll jetzt keine Schelte darstellen (Im Gegenteil!), denn bei BLUMFELD ging es stets um Inhalte, und vor allem um einen ehrlichen Zugang zu Text und Musik, und niemals um versprühte Coolness und ein aufgesetztes vermarktungsfähiges Image, auch wenn die neueren Kompositionen gegenüber jenen ihrer Anfangsphase wesentlich melodischer und zugänglich erscheinen, und die Schwerverdaulichkeit und Beklemmtheit, welche die ersten Werke noch dominierte, bei den neuen Titeln in dieser Form nicht präsent ist. Dass aber BLUMFELD nicht von ihrer Vergangenheit zehren müssen, belegten die Stücke ihres neuen Albums auf eindrucksvolle Art und Weise.

Als einer der Höhepunkte der Show darf aus meiner Sicht neben der aktuelle Single „Wir sind frei“ auch „Der Sturm“ sowie das Titelstück „Jenseits von jedem“ angeführt werden, und BLUMFELD gelang es generell, ihrem Ruf als ausgezeichnete Liveband gerecht zu werden, da es wahrlich glückte, ihre Stücke auch auf der Bühne adäquat wiederzugeben. Dass Distelmeyer diesen Gig gesundheitlich angeschlagen bestritt, fiel übrigens genauso wenig ins Gewicht, wie die Tatsache, dass die Band bedingt durch den Ausstieg von Bassist Peter Thiessen neuerdings als Trio agiert, aber für die Liveauftritte extra einen Keyboarder rekrutierte. Auch die aus Funk und Fernsehen bekannte Polithymne „Die Diktatur der Angepassten“ durfte genauso wenig fehlen, wie weitere Höhepunkte der vorletzten CD „Testament der Angst“ wie „Weil es Liebe ist“; „Anders als Glücklich“ oder das dem depressivem Bayern-Star Sebastian Deisler gewidmete „Graue Wolken“. Das Phänomen BLUMFELD und den damit verbundenen Erfolg zu erklären, fällt freilich schwer, aber die (scheinbare) Unvereinbarkeit, (sozial-)kritische, rebellische und teils frustrierte Lyrics mit positiver und motivierender Musik zu unterlegen, wird von Jochen Distelmeyer und Co. jedenfalls für nichtig erklärt, und gerade diese Widersprüchlichkeit zeichnet die Band aus, obwohl natürlich nicht alle Texte deprimiert ausfallen. Zudem existieren nur wenige vergleichbare Bands, die mit so viele Herzblut am Werk sind. Aber natürlich wurden auch die Fans älterer Veröffentlichungen mit Stücken wie „Viel zu früh und immer wieder Liebeslieder“, „Verstärker“ und „Tausend Tränen tief“, das Distelmeyer quasi Halbplayback im Alleingang performte, befriedigt. Nachdem den Forderderungen nach Zugaben mehrfach Folge geleistet worden war, verabschiedeten sich BLUMFELD mit „Die Welt ist schön“, und hinterließen massenhaft zufriedenen Gesichter. Einige visuelle Highlights finden sich unter unten angebenen Link zur Bildergalerie der Homepage des Posthofes.
bilder.posthof.at/20031122/page.htm

Hutti
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Beitrag vom 05.12.2003
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