FESTIVAL INTERNACIONAL DI BENICASSIM 2003 - SAMSTAG - TRAVIS   GROOVE ARMADA   THE RAVEONETTES   LOUIE AUSTEN   JJ 72  
09.08.2003 @ Benicassim, Spanien

Abgesehen von der Musik gibt es in Benicassim auch sonst noch einiges zu
sehen. Beispielsweise ein Kurzfilmfestival, das jedoch hauptsächlich aus
spanischsprachigen Filmen besteht und daher für die rund 25% ausländischen
Festivalbesucher weniger interessant sein dürfte, ebenso verhält es sich mit dem
Theatre Showcase, das ebenso nur spanischsprachiges bieten kann. Darüber hinaus
gibt es am Strand noch eine sehenswerte Kunstmeile, sowie ein Tanzfestival.
Dabei ist es auf Grund des dichten Programms leider unmöglich alles zu sehen.
Das galt auch für den zweiten Festivaltag zum Beispiel für DEATH IN VEGAS.

Aber beginnen wir von vorne: Erstmal waren TAHITI 80 am Programm, die sich
als die größte positive Überraschung herauskristallisierten. Schon einmal ihre
Performance war überwältigend: Mit unglaublicher Energie bretterten sie
durch ihr Set und zeigten damit wie sehr sie hinter der Sache stehen. Alle
Mitglieder dieser Band sind nebenbei noch musikalische Multitalente und wechseln
zwischen den verschiedensten Instrumenten hin und her - oder sind auch mal
zu zweit an den Drums. Am quirligsten war definitiv der "hauptsächliche"
Bassist, der es mit einer Mineralwasserflasche zu gut gemeint hatte und einen
Zuhörer damit fast erschlagen hätte. Nebenbei schlug er noch das eine oder andere Rad.
Musikalisch gesehen war ihr erster Song der exotischste und erinnerte sehr
an MASSIVE ATTACK in seiner Langsamkeit und Getragenheit. Die darauffolgenden
Songs waren schlussendlich eine ausgewogene Mischung aus elektronischen und
poppigeren Stücken. Elektronische Passagen konnten dabei durchaus ins
experimentell-dissonante gehen. Die engelsgleiche Stimme und Erscheinung des Sängers Xavier Boyer trug noch ein Stück dazu bei dieses Konzert kurzweilig und äußerst unterhaltsam zu machen.

Als nächster vielversprechender Act waren THE RAVEONETTES an der Reihe.
Schon auf Grund der nur spärlich vertretenen Rockfraktion ein Muss. Diese Band
einfach nur als Begleiterscheinung des THE-Hypes abzutun wäre einfach, würde
den Dänen aber nicht gerecht werden. Zwar spielen auch sie garagigen
Retro-Rock, doch haben sie dennoch das gewisse Etwas, das sie unverwechselbar macht.
Referenzen sind auf jeden Fall PRIMAL SCREAM oder THE JESUS AND MARY CHAIN.
THE KILLS machen seit einer Weile auch so etwas ähnliches, nur nicht ganz so
laut.
Anfangs- und Endpunkt ihres Konzerts waren jeweils sehr lärmige Songs, die
hauptsächlich aus Rückkopplungen und Verzerrungen bestanden, der Rest ihres
Sets war melodischer und reichlich mit Ohrwürmern besetzt. Nur der Gesang war
teilweise - so auch bei der famosen Single "Attack Of The Ghostrider" - viel
zu leise. Ganz füllen konnten das Duo das Zelt zwar nicht, das vorhandene
Publikum war sich zum abrocken aber nicht zu schade. Ein Manko bleibt aber, dass
die Songs besonders live ihre Eigenständigkeit verlieren und sehr, sehr
ähnlich klingen. Ansonsten aber ein gelungenes Konzert.

THE CORAL konnte ich mir nur im Vorbeigehen anhören, was zu hören war klang
aber durchaus vielversprechend. Einerseits bieten sie eher verzichtbare
Pop-Balladen, andererseits auch eine kräftige Mischung Folk und Rock, die sehr
mitreißend ist. Ihr furioses Lärmfinale setzte da noch eines drauf.

Gleich darauf gab sich neben KRUDER der einzige österreichische Act die
Ehre: LOUIE AUSTEN. Der große Publikumsstrom blieb zwar aus, die vorhandenen
BesucherInnen (alle aus Österreich?) gingen aber ab dem ersten Lied mit der Musik mit, und das obwohl AUSTENs Vorbilder als Crooner DEAN MARTIN, FRANK SINATRA und MILES DAVIS sind. Crooning und elektronische Musik (unter anderem von PULSINGER beigesteuert) sind für ihn die perfekte Kombination, das das auch
funktioniert bewies er eindrucksvoll, wozu auch sein Talent als
Showmaster beiträgt.

Leider spielten gleichzeitig auf der Hauptbühne TRAVIS, weshalb ich den
symphatischen Crooner vorzeitig verlassen musste - eine Entscheidung die ich
später noch bereuen sollte (nicht zuletzt wegen des angeblich genial "My Way" Covers) denn stimmungsmäßig hatten TRAVIS eher weniger zu bieten. Einzig und allein die altbewährten Hits versprühten Charme, der Rest war eher Routine. Auch die Appetizer der neuen Platte waren keine wirkliche Überraschung, sondern ruhiger Pop mit Akustikgitarre, wie gewohnt.

Solchermaßen sediert fiel die nächste Wahl auf die GROOVE ARMADA und nicht
auf BECK. Bei ihnen bewahrheitete sich wieder einmal eindrucksvoll, was tags
zuvor auch bei MOLOKO zu sehen gewesen war: Bei elektronischen Acts ist die
Stimmung durchwegs besser und die Zahl der Nicht-Tanzenden bewegt sich gegen
null. Deshalb war auch für die GROOVE ARMADA das Zelt eigentlich zu klein und
die Tanzfläche wurde kurzer Hand nach draußen erweitert. Kaum zu glauben auch,
wie viele Hits dieses Konglomerat schon produziert hat. "Superstylin" und "I
See You Baby" sind da wahrlich nur die Spitze des Eisbergs.

BECK inszenierte in der Zwischenzeit effektvoll seinen Bühnentod in
Leuchtröhrenverkleidung. Viel mehr von seinem Konzert zu erleben war mir leider nicht vergönnt.

Den Abschluss an diesem Tag bildeten JJ72. Eine Band die PLACEBO ähnlicher
ist als ihnen vielleicht selbst lieb ist. Die sensationelle Stimme des Sängers
verleitet aber geradezu zu diesem Vergleich. Sehr gut machte sich auf jeden
Fall auch live der zweistimmige Gesang. Das "Wicked Game" Cover war ganz gut,
aber nicht sehr innovativ. So wie es sich auch mit dem Rest des Konzerts von
JJ72 verhalten hat: ohne besöndere Höhen, aber auch ohne besondere Tiefen
(außer vielleicht die Bühnenperformance, die kaum bis gar nicht vorhanden war).

Nachdem KRUDER noch eine Zeitlang auf sich warten ließ, das Schlafbedürfnis aber übermächtig wurde, wurde trotz Österreich-Bonus beschlossen den Heimweg anzutreten.
www.fiberfib.de

Doris

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Beitrag vom 31.08.2003
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