ROCK AM SEE MIT DIE TOTEN HOSEN   NICKELBACK   FRENZAL RHOMB   PUDDLE OF MUDD   NOFX   THE SHELL   DONOTS  
31.08.2002 @ Konstanz

Drei Akkorde mit Biss

Auf der Bühne fühlen sich DIE TOTEN HOSEN wohl. Als Punkrocker fühlen sich DIE TOTEN HOSEN wohl. Den Musikern aus Düsseldorf liegt viel daran, in diese Tradition eingebettet zu sein. „Heute versteht jeder etwas anderes unter Punkrock und jeder weiß, wer DIE TOTEN HOSEN sind und muss für sich selbst beurteilen, ob er das gut oder schlecht findet“, betont Bassist Andi. Das will heißen: Die HOSEN wollen sich selbst nicht in eine genau vordefinierte Schublade stecken. Wie sehr sie aber ihren Punk zelebrieren können, da staunten die 25000 Besucher bei Rock am See in Konstanz am Bodensee nicht schlecht. Sie waren schon oft in der Gegend, aber diesesmal war es der wohl beste Auftritt der Band. Zugegeben: Deutschlands Urgestein in der Punkrock-Szene hat es nicht schwer, die Massen zu begeistern. Doch auch noch nach Jahrzehnten als Musiker verstanden es die HOSEN in Konstanz, ihre Musik, die sich bekanntlichermaßen über drei Akkorde definiert, mit einer erstaunlich abgeklärten Lässigkeit zu präsentieren. Bei den Düsseldorfern hat sich nie Routine eingeschlichen. Der Fan kann jedes Mal gespannt sein, wie sich seine Band in wenigen Minuten auf der Bühne geben wird. Auch Gassenhauer wie „Liebesspieler“ oder „Hier kommt Alex“ kommen bei der 1001. Live-Version knackig und frisch rüber wie am ersten Tag. Das macht eine Live-Band aus. Mindestens genauso wie die vielleicht schon angestaubten, aber immer noch beliebten Gassenhauer, feierten die 25000 Fans die aktuelle Single „Nur zu Besuch“ oder „Steh auf, wenn Du am Boden liegst“. Angeheizt werden sie von Sänger Campino. Bei manchen mag vielleicht im Alter der Elan nachlassen. Bei dem Hosen-Shouter keine Frage, er versteht die Menge vor sich hinter sich zu bringen, sie anzufeuern, sie zu Hüpf-Exzessen zu verleiten. Selbst bei ihren Cover-Versionen wie „Should I stay oder Should I go“, dem Clash-Klassiker, oder „The Passenger“ von Iggy Pop. Punkrocker eben, wie sie im Buche stehen und denen es wichtig ist, mit wem sie auf Tour oder Festival sind. Kürzlich waren die HOSEN mit T.V. Smith unterwegs. „T.V. Smith ist ein guter Freund von uns. Uns verbindet eine Menge mit ihm. Wir sorgen dafür, dass Leute mit auf Tour kommen, die wir mögen“, erläutert Bassist Andi im Interview.

Bei Rock am See in Konstanz hatte Andi von den HOSEN das Line-Up gefallen, denn: „Wenn das lauter Bands sind, die wir nicht mögen, sagen wir nicht zu“, sagte er mit Blick auf das diesjährige Billing. Immerhin waren mit NICKLEBACK, PUDDLE OF MUDD und DONOTS richtige Kracher an den Bodensee gekommen, die das Stadion schon vor dem Festival ausverkauft sein ließ. Das gab es seit Jahren nicht mehr, zuletzt, als LENNY KRAVITZ mit auf dem Programm war. Bei NICKLEBACK kreischten die 25000 Besucher bei Rock am See auf. Chad Kroeger betrat die Bühne. Mit grimmiger Miene, aber so ist der Sänger und Gitarrist der kanadischen Band eben. Noch kurz das Plektrum in die Finger genommen , dann ging es los für die Fans mit einer Stunde hüpfen, einer Stunde kreischen, einer Stunde mitsingen. Ein
Lächen kommt Kroeger bei seinem Auftritt und dem seiner drei Band-Kollegen so gut wie nie auf die Lippen. Abgeklärt in amerikanischer Manier stehen die Kanadier auf der Bühne und spielen ihre rockig-groovigen Lieder runter – eines nach dem anderen, der Kontakt zum Publikum ist verhalten. Musikalisch lassen sie keine Wünsche offen. Die Gitarrenriffs kommen präzise rüber, auch die wenigen Soli. Überraschend ist Krogers gesangliche Leistung. Selbst beim halb-balladesken „How you remind me“ kann er den Ton exakt halten wie auch beim rockigeren „Leader of men“. Andere Sänger wie Nick Holmes von PARADISE LOST können sich eine Scheibe abschneiden.
Positiv überrascht hat bei diesem Rock am See in Konstanz FRENZAL RHOMB. In Österreich und Deutschland gelten die vier Jungs aus Australien eher als unterbewertet. In ihrer Heimat sind sie eine der größten Indie-Bands. Ihr Stil von Ska und Punk schmiegt sich an Größen wie BAD RELIGION an. Was FRENZAL RHOMB aber überlegener macht: Ihr überaus agiler Sänger, der sich mächtig ins Zeug legt – und sie sind um einiges vielseitiger als BAD RELIGION. Der punkige Rhythmus zieht sich bei den Australiern nicht durchgängig von Anfang bis Ende eines Liedes, sondern wird durch spielerische Elemente erweitert. Zwischen den Stücken klingen Töne von AC/DC an oder die erste Strophe von DEPECHE MODES „Just can’t get enough“. Hut ab, das hat wirklich gerockt.
Wesley Reid Scantlin ist ein Lama. Er muss es einfach sein, so wie er die Bühne in Konstanz mit seiner Spucke überzog. Klar, der Sänger und Gitarrist von PUDDLE OF MUDD hatte Probleme mit seiner Stimme. Aber nur leichte, die in den Tausenden von Watt der Musikanlange untergingen. Sie boten eine geniale Show, die Jungs aus Kansas City, die ungekrönten Könige des US-Alternative-Rocks. Ihre Agilität, ihr Drang, den Fans hervorragende Musik um die Ohren zu hauen entlud sich in komplexen Gitarrenexzessen, aber im Vergleich zu den anderen Bands, die an diesem Tag bei Rock am See auftraten, eine gemächliche Gangart.
Schnell, hart und laut sind dagegen NOFX. Doch auf eine Besprechung verzichtet der Journalist. Vor einem Jahr stand auf dieser Bühne MARILYN MANSON, er fragte: „Hello Germany, how is it to feel as so beautiful people?“ Diese Anspielung sagte alles, NOFX nannten ihr Publikum mehrfach „Krauts“ (So wie auch die amerikanischen Besatzer die Deutschen während des 2. Weltkrieges titulierten... , Anm. martin), bevor sie ihre Töne von „Fuck the Kids“ anspielten. So nicht NOFX.
THE SHELL dagegen waren fast Lokalmatadoren. Sie kommen aus dem schweizerischen St. Gallen, eine halbe Autostunde von Konstanz entfernt. Diese Jungs stehen noch am Anfang ihrer Karriere. Das zeigt sich auch dadurch, dass sie ihr Equipment in ihren Kleinwagen selbst anfuhren und aufbauten. Ihre Show war okay. Nichts Atemberaubendes, im weiten Sinne Grunge. Aber dynamisch, an manchen Stellen an SENTENCED erinnernd. Nur dem Sänger bedarf es noch etwas der Übung.
Ganz anders THE DONOTS. Geniale Band, hervorragende Show, geile Musik. Sie zählen wohl zu den besten Live-Bands Deutschlands. Sänger Ingo wirbelt über die Bühne und schreit seine Songs nicht nur des aktuellen Albums ins Publikum. Rock’n’Roll ohne Schnickschnack, ohne Gefrickle an der Gitarre, einfach nur gute Riffs mit Soli, treibend unter die Fans geschmettert, Pogo lässt grüßen. Aber mit zum Teil poppigem Hintergrund, wer kennt sie nicht die DONOTS-Hymne „What ever happened to the 80s“. Weiter so Jungs.

www.rock-am-see.de/

Philipp
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Beitrag vom 22.09.2002
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