Interview mit VOR DIE HUNDE - Gewissenhafte Weltverbessererband


Mit VOR DIE HUNDE ist die nächste vielversprechende Zusammenarbeit zwischen Bayern und Oberösterreich. Die Jungs zelebrieren dabei klassischen Grindcore auf hohem Niveau mit allem was dazu gehört und prangern dabei auf ihrem Debüt "Ein Gehirn Wäscht Das Andere" so einiges, was auf unserem Planete schief läuft lautstark an. Wir sprachen mit Stefan über die Entstehung der Band und Platte:


Hey Stefan, erzähl uns zu Beginn kurz wie VOR DIE HUNDE entstanden ist.


Zunächst: Hi! Freut uns, dass ihr Interesse an unserem Geprügel zeigt! Hoffentlich tun es euch zahlreiche solvente Berufstätige und taschengelderhaltende Jugendliche gleich!

VOR DIE HUNDE ist auf eine relativ untypische Art und Weise entstanden: Wir haben eine seit langem bestehende Marktlücke auf dem Feld der sozialkritischen Musik erkannt. Es existiert nämlich bislang noch keine Band, die den Idealismus und Antimaterialismus von Punk und die Brutalität von Grindcore gepaart mit der Überheblichkeit und dem Angeberimage von Deutschrap in einem kompakten Bandkonstrukt vereint. Das mag zwar alles etwas paradox klingen, wird uns aber langfristig garantiert die goldenen Schallplatten sichern. Nach dieser bahnbrechenden Erkenntnis haben wir einfach spontan einen Studiotermin gebucht, die richtige Konstellation von Musikern zusammengestellt, Songs entweder geschrieben oder aus einem verstaubten Unterordner am Computer hervorgekramt und schlussendlich aufgenommen.




Das Ergebnis lässt sich glücklicherweise sehen; Armin kannte am Aufnahmetag nur die Hälfte der Songs, selbige waren teilweise noch nicht ganz fertig, die Texte waren noch nichtmal ansatzweise vorhanden und mussten ein paar Monate später separat eingesungen werden, und und und …



Bayrisch-Oberösterreichische Zusammenarbeiten gibt es im Bereich des Extreme Metal schon öfter recht erfolgreich. Was denkst du woran das liegt und wie managed ihr die Entfernung und die Verantwortung gegenüber anderen Bands und Projekten der Mitglieder?


Hier fliegt meine kleine Flunkerei aus dem vorherigen Absatz wohl auf. So rational sind wir bei der Bandgründung wohl doch nicht vorgegangen. Wir sind eben einfach vier Typen die sich schon länger kennen und sowohl genaue als auch kohärente Vorstellungen davon haben, wie Grindcore beim Endverbraucher anzukommen hat. Außerdem existiert in unserer Umgebung einfach seit Jahren ein kleiner Kreis aus Grindenthusiasten, aus dem sich im Laufe der Jahre verschiedene Bands gebildet haben.

Teilweise war unser Recordingtermin auch einfach nur ein Vorwand, um viele unserer Freunde aus besagtem Kreis, die entweder in einem anderen Eck von Europa wohnen oder sich einfach wegen Familie und Arbeit nicht mehr so oft sehen lassen an einem Wochenende zusammenzubekommen und mit ihnen zu feiern.

Die Entfernung ist bei uns neben der Tätigkeit in zahlreichen anderen Bands tatsächlich eine große Hürde, da wir einerseits viel beruflich und bandtechnisch unterwegs sind und andererseits mittlerweile bis Hessen (zeitweise Japan) verstreut sind. Aber wir kommunizieren regelmäßig und teilen uns viele Tätigkeiten untereinander auf. Wir sind auch alle von der Einstellung zur Musik und zur Band her ziemlich auf einer Linie und müssen nicht viele Sachen bandintern richtig groß absprechen.



VOR DIE HUNDE und der Albumtitel „Ein Gehirn Wäscht Das Andere“ sind beides schon recht sozialkritische Aussagen. Wie sind die jeweiligen Namen entstanden?


Die Findung des Bandnamens haben wir uns in der Tat nicht ganz einfach gemacht. Wir wollten ein Wort oder einen Ausdruck, der möglichst viel Schlechtes enthält und sehr düster klingt. Ob dieser Ausdruck jetzt die Konsumwut und Verbrauchsucht von Menschen, eine unangenehme Emotion oder eben eine Dystopie beschreibt war uns im ersten Schritt egal. Es sollte sich am Ende eben unheilvoll anhören. Der Bandname ist dann David im American Museum of Natural History in New York eingefallen. Nach seinem Business Class Flug dorthin und dem Bezahlen von dreisten 23$ ist ihm wohl in der Ausstellung über afrikanische Savannentiere eingefallen, dass die Welt VOR DIE HUNDE geht und dass das eigentlich einen ganz guten Bandnamen abgibt. Zum Glück gab es dort WLAN und er konnte das mit seinem Smartphone direkt an die Band weiterleiten.

„Ein Gehirn wäscht das andere“ war ein wenig einfacher. Der Ausdruck ist schon seit längerer Zeit in irgendeinem Google-Notes-File mit potentiellen Textfetzen herumgegammelt und wir fanden, dass es hervorragend zum Inhalt des Albums passt. Ob es nun politisch, konsumtechnisch oder religiös ist – ein Gehirn wäscht eben das andere, schon immer.





Und was wollt ihr mit dem Artwork ausdrücken?


Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich würde im Nachhinein sagen, dass vermutlich der Song „Propaganda“ dafür ausschlaggebend war. Der Song existiert schon seit zehn Jahren und sollte schon immer die Unterdrückung und das Brainwashing durch autokratische Regime zum Thema haben. Der Text ist dann zwar etwas von diesem Thema abgewichen, weil zu der Zeit gerade die Bundestagswahl in Deutschland aktuell war, aber im Großen und Ganzen hat das auch ganz gut zum Titel „Propaganda“ gepasst.

Das Artwork sollte zum einen etwas politischen Extremismus gepaart mit dem Herdenverhalten von Menschen darstellen, zum anderen fanden wir einfach die Ästhetik alter kommunistischer Propagandaplakate sehr geeignet um den Charakter der Songs zu unterstreichen. Armin hat dann das Artwork in Collagetechnik erstellt und auch das Logo in alter Frakturschrift designt. Das Boss HM2 Gitarreneffektgerät auf den Flaggen ist zusätzlich eine kleine Anspielung an den schwedischen Gitarrensound der im Grindcore viel benutzt wird.

Letztendlich haben wir aber auch nicht lange darüber diskutiert, jeder fand die Idee ziemlich schnell ziemlich witzig, wir haben kurzum ohne Selfiestick ein paar Fotos von uns gemacht und einen Tag später war das Ding auch so gut wie fertig.



Auch bei den Texten habt ihr euch auf das Thema fokussiert. Was kritisiert ihr alles?


In erster Linie sind wir gegen alles und jeden, in zweiter Linie auch gegen uns selbst. Das kommt in den Texten vielleicht nicht ganz rüber, aber es gibt bei uns auch Bandmitglieder die a) einen Webergrill im Garten ihres Mehrfamilienhauses stehen haben, b) sich freuen, wenn Lena Nitro beim Surfen im Netz aufpoppt oder auch c) gegen Fabriken und Luftverschmutzung sind und trotzdem ein hochpreisiges Samsunghandy besitzen.

Die Texte setzen sich hauptsächlich aus Beobachtungen von Welt und Menschheit zusammen, viele davon sind auch nicht wirklich wertend, was das Wort „Kritik“ ja implizieren würde. Wir wollen auch nicht zu sehr mit dem erhobenen Zeigefinger herumlaufen, hauptsächlich sind wir froh, wenn sich wer unsere gedanklichen Ergüsse durchliest, sich ein paar Gedanken darüber macht und vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch über sich selbst oder über die Sachen, die vor der Haustür passieren, schmunzeln kann.



Müssen eure Texte Kritik beinhalten, oder darf Spaß auch seinen Platz einnehmen?


Wir haben jetzt nicht vor auf den Pfaden der GRINDFUCKERS oder anderer Spaß-Grind-Bands zu wandeln. Wir bauen gerne ein paar humorvolle Anspielungen – eben über uns selbst – in die Texte ein. Aber der Rote Faden an dem wir uns entlanghangeln soll schon eher vom traditionellen Grindcore gefärbt sein. In die Texte wird auf jeden Fall in Zukunft noch mehr Zeit investiert.

Apropos Spaß: Ihr hattet auch Freude an zwei Cover-Songs, die ihr sehr gut umgesetzt habt. Wie fiel die Wahl auf DEICHKIND und K.I.Z. als Grindcore-Band?


„Limit“ wollten Lukas und David mit GODS OF EMPTINESS schon aufnehmen, dazu ist es leider nie gekommen. Bei dem Song ging es eher um das Musikalische: Der Rap-Beat hat genau die richtige Geschwindigkeit um als Grindcoresong umgesetzt zu werden und das Riff ist auch ziemlich gut dazu geeignet. Textlich ist es eigentlich der einzige Song, der auf dem Album etwas aus dem Rahmen fällt.

„Hurra Die Welt Geht Unter“ haben wir genommen, weil es einen Text hat, der fast 1:1 auch von einer Grindcoreband hätte stammen können.

Beide Bands hören wir jedenfalls auch selbst gerne, wir verneigen uns also gewissermaßen auch vor den Schöpfern der Songs. Auf den nächsten Veröffentlichungen wird jedenfalls bestimmt wieder der eine oder andere Coversong zu hören sein, wir haben uns aber noch nicht wirklich Gedanken darüber gemacht, aus welchem Genre wir die Originale nehmen wollen.



Abgesehen von ein paar Songs die mehr Melodien beinhalten, spielt ihr ziemlich straighten Grindcore mit den üblichen Groove und Punk Einschlägen. Gab es eine Art Masterplan oder habt ihr die Songs aus dem Bauch heraus entwickelt?


Du meinst (mit „Masterplan“), außer mit Grindcore unermesslich reich zu werden? Nein, da gibt es nichts, mit welcher Art von Musik dieses Ziel im Endeffekt erreicht werden soll ist vollkommen unerheblich. Vielleicht ist auf der nächsten Platte mehr Black Metal zu hören, vielleicht steigen wir aber auch die Bremse und versuchen uns etwas im Doom Metal auszubreiten. Glücklicherweise haben alle von uns verschiedenste Einflüsse und setzen uns da keine Grenzen (Das behaupten zwar die meisten Bands, aber uns ist der genaue Stil tatsächlich scheißegal). Ich denke aber, dass ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehne, wenn ich sage, dass gewisse Grindcharakteristika wie Blastbeats auf unseren Veröffentlichungen wohl nie zu kurz kommen werden.




Gibt es bewusste oder unbewusste Einflüsse in der Musik?


Natürlich, jeder von uns bringt seine eigenen Einflüsse mit. Wir sind große Fans der einschlägigen Grindcore-Klassiker von NAPALM DEATH über NASUM bis ROTTEN SOUND, haben uns einmal quer durch die Death-Metal-Bibliothek von Spotify gehört und den Gitarrensound diverser schwedischer Bands schamlos gestohlen.

Textlich bewegen wir uns im Milieu der JAPANISCHEn KAMPFHÖRSPIELE, für einen großen Teil der Songs dient aber auch aktueller Deutschrap (AUDIO88 und YASSIN, FATONI, K.I.Z., … ) als Inspiration.



Gibt es auch Pläne VOR DIE HUNDE auf die Bühne zu bringen?


Wir haben schon Pläne, auch live aufzutreten. Dies ist aber auf Grund der oben genannten Entfernungen nicht ganz einfach für uns. Außerdem sind Lukas und Armin viel in ihren Hauptbands eingespannt (DISTASTE, U.G.F., PROFANITY), weswegen wir nur ausgewählte Gigs spielen können. Wir hoffen, dass der Herbst 2018 hier der Start sein wird. Es gibt – was uns sehr ehrt – einige Angebote für Auftritte und bei der nächsten Zusammenkunft diskutieren wir dann aus, wohin es gehen soll.


Ihr spendet auch die ersten 500€ an Einnahmen. Wie kam diese Idee?


Da wir ja wissen, dass wir mit dieser Musik unermesslichen Reichtum anhäufen werden, können wir auch einen kleinen Knochen vor die Hunde werfen und uns damit auf dem Markt als gewissenhafte Weltverbessererband positionieren. Das ist wie wenn ein deutscher DAX-Konzern versucht, seinen CO2-Ausstoß mit dem Unterstützen von Kinderhilfsprojekten auszubügeln, sprich: Ein System, welches seit Jahrzehnten reibungslos funktioniert. Warum also nicht auch bei uns?

Spaß beiseite: Wir wissen natürlich, dass man vom Grindcore nicht leben und seine Rechnungen bezahlen kann. Und da haben wir uns einfach darauf geeinigt, dass wir die paar Kröten die reinkommen auch genauso gut spenden können. Wir sind eben ein paar Freunde die gerne gemeinsam Musik machen. Und das passt so auch.



Wie geht es nun nach dem Album-Release weiter?


Sobald es die Zeit hergibt, arbeiten wir an den nächsten Songs und bringen einfach das nächste Album oder eine EP raus. Witzigerweise steht das seit gestern in unserem bandinternen Facebookchat zur Debatte. Mal sehen, wann wir wieder etwas releasen.


Danke für die Zeit, möchtest du noch etwas los werden?


Es würde uns sehr freuen, wenn sich der eine oder andere auf Bandcamp / Youtube / etc. ein paar Sachen von uns anhört und uns etwas Feedback dalässt, zum Artwork, zu den Texten, zur Musik.

Falls es gefällt: Unterstützt Exit Deutschland mit dem Kauf einer CD. Falls nicht: Lasst ein paar Tacken für ein anderes Hilfsprojekt springen. Wir leben in Zentraleuropa, jeder kann ab und an mal einen 5er in etwas Gutes investieren.

Ansonsten bedanken wir uns für das Interview und das Interesse. Vielleicht sieht man sich ja demnächst auf einer Vor die Hunde Show!


de-de.facebook.com/4dieHunde

Autor: maxomer

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Beitrag vom 30.04.2018
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