Interview mit HEAVEN SHALL BURN - Die geistige und körperliche Beweglichkeit


HEAVEN SHALL BURN waren schon immer eine Band der Extreme, und das nicht nur auf musikalischer Ebene. Veganer Lebensstil, kreative Alben, ausgefallene Live-Shows und immer wieder für noch mehr Überraschungen gut! Maik Waichert, Girrist, Songwriter und Bandgründer sprach mit uns über diese Themen, aber auch Fußball-Sponsoring, Wanderungen durch Island und Idole.


Wie geht’s dir? Was tut sich zur Zeit?


Derzeit läuft die zweite Promo-Welle zu der Platte. Wir sind auch gerade von unserer Mini-Tour zurück gekommen, unserer Club-Tour, und fangen schön langsam an, die Tour mit KORN vorzubereiten.




Von der Mini-Tour hab ich gehört. Wie war es wieder in Wien zu spielen?


War super, war cool wieder einmal in der Szene zu spielen. In so einem kleinen Club ist das immer schön, und wenn man wieder einmal in der Arena oder in der Szene spielen kann, und nicht immer nur im Gasometer. Es ist natürlich cool vor so vielen tausend Leuten zu spielen, aber so diese kleineren Sachen, mit denen man in Wien angefangen hat, das macht dann doch noch viel mehr Spaß.


Ich hab gehört, dass es ziemlich cool gewesen sein soll, auch von den Fans. Habt ihr da bewusst kleinere Clubs ausgewählt, weil da fast alles ausverkauft war?


Jaja, das war eine ganz bewusste Entscheidung, weil man den Leuten da wieder mal dieses alte Gefühl geben kann, da eine Band zu sehen, wo man richtig Augenkontakt haben kann. Natürlich hätten wir viel, viel mehr Geld auf der Tour verdienen können, wenn wir in große Hallen gegangen wären, aber das sollte es eben gerade nicht sein. Es sollte so ein Dankeschön an die Leute sein.


Kann das auch in Zukunft immer wieder einmal passieren?


Ja, so was machen wir immer wieder einmal gern. Auf jeden Fall!


Zur neuen Platte – die Fans haben mehr als drei Jahre darauf warten müssen, dann ging scheinbar alles recht schnell. Habt ihr einfach so lange gebraucht oder habt ihr vorher schon viel vorbereitet für das Album?


Bei manchen Bands sieht man Videos aus dem Studio, und dann kommt irgendwann der erste Song, dann wieder mal ein Trailer, und wenn die Platte rauskommt, hast du irgendwie das Gefühl, die Platte ist seit einem halben Jahr veröffentlicht, dabei ist heute gerade Release-Date. Das wollten wir gerade eben nicht haben. Das wollten wir lieber so machen: „Bang, hier ist die neue Platte! Die ist in vier Wochen raus! Guckt mal!“ und das hat auch für viel mehr Furore gesorgt und auch für viel mehr Aufmerksamkeit. Das war für uns die coolere Lösung als über ein Jahr oder so einen Spannungsbogen aufzubauen, und die Leute da irgendwie abstumpfen zu lassen.




Ich glaube, das hat auch zu funktioniert. Der Titel „Wanderer“ klingt vergleichsweise zahm. Was war die Idee hinter dem Titel?


Die Idee hinter dem Titel! Bei „Wanderer“ geht es uns in erster Linie um die geistige und körperliche Beweglichkeit, wie das beides miteinander zusammenhängt, darum ging es uns. Wir wollten da bewusst mal ein bisschen was Defensiveres machen, nicht gleich dieses Angriffslustige, was wir sonst immer hatten. Zu schildern, dass man auch mal einen Schritt zurück machen muss, und auch mal das Nachdenken schildern bevor man angreift.


Auch das Artwork ist verhältnismäßig ruhig ausgefallen, was dann natürlich passt. Habt ihr das extra einen Fotografen in die Ferne geschickt?


Die Idee kam, als ich in Island war, und an bestimmten Stellen überkommt einen die Inspiration, und da fallen einem bestimmte Lyrics ein, da war die Idee: „Warum sollten wir die Leute nicht daran teilhaben lassen?“ Dieser Berg, dieser Sonnenuntergang vor dieser Eis-Lagune, genau hier ist mir diese Textzeile eingefallen, dann zeigen wir den Leuten einfach mal genau die Stelle, wo mir das eingefallen ist und das könnten wir doch genau neben diesen Text ins Booklet machen. Das war die Grundidee. Glücklicherweise ist Christian Thiele ein guter Kumpel von uns, einer der besten Landschaftsfotografen im Deutschsprachigen Raum, und den haben wir dann da hingeschickt, und ihm gesagt was er fotografieren soll. Und wenn er noch was anderes Schönes siehst, das darfst er natürlich auch fotografieren, und der kam dann mit einem Rucksack wahnsinnig schöner Bilder zurück.


War dann diese Island-Reise auch so eine Art Wanderung für dich wie du sie im Album beschreibst?


Ja, Island ist für mich gar nicht so sehr wandern, weil ich dort sehr oft bin. Das ist so ein bisschen mein Rückzugsort, wo ich immer gerne bin. Insofern ist es eine Art Inspirationsort, gar nicht so sehr ein Ort zu dem ich gerne wandere, das ist eher schon so etwas wo man zu Hause ist, seelenmäßig.


Wo siehst du in musikalischer Hinsicht die Veränderungen zu den Vorgängern?


Natürlich sind die Änderungen nicht revolutionär, so ist das ja bei HEAVEN SHALL BURN traditionell. Man hört auf jeden Fall, dass es HEAVEN SHALL BURN ist. Ich denke, wir haben im Sound ein bisschen was verändert, der ist noch etwas luftiger und etwas transparenter, aber trotzdem noch aggressiv. Ein bisschen mehr Elektronik haben wir einfließen lassen, und ich glaube, es ist in den ruhigeren Passagen auch noch melancholischer geworden, und die aggressiven Parts sind noch aggressiver. Die Bandbreite der Emotionen ist noch größer geworden, denke ich.




Bei den Texten gibt es eine große Vielfalt, und ich denke es gibt da kein großes Konzept. Wodurch lässt du dich da hauptsächlich inspirieren?


Dieses Mal war es zum größten Teil beim letzten Island-Aufenthalt, da hat man natürlich schon einen geistigen Filter für einen Haufen Themen die in den vergangenen Jahren irgendwo hängen geblieben sind, wo man dachte, da kann man was darüber schreiben. Da lass ich mich ganz unterschiedlich inspirieren. Das kann ein Radio- oder Zeitungsbericht sein, ein Buch, die Nachrichten, oder einer aus der Band, der einen Vorschlag macht. Das ist ganz unterschiedlich, da sind die Möglichkeiten so prall wie die Informationsformen, die du in deinem Leben hast.


Hast du auf dem Album auch Themen, die dir ganz wichtig sind, mit denen sich die Fans mehr befassen sollten oder darüber nachdenken?


Na gut, das ist ja jeder Songtext, sonst hätte ich die ja nicht geschrieben, wenn es nicht ganz wichtig wäre. Da kann ich nun wirklich nichts hervorheben. Ich meine, man sollte sich mit jedem Songtext befassen. Ein etwas ungewöhnlicherer Song ist „A River Of Crimson“, weil der eher einen persönlichen Text hat, und das hatten wir noch nie. Der handelt von einem Sohn von einem guten Kumpel von uns, der an Blutkrebs erkrankt ist, und der Song ist von ihm inspiriert. Der kleine Junge kam zu uns und sagte, dass wir einmal einen Song über Blut schreiben sollten, weil das ja so wichtig ist, und dann haben wir einfach einmal so einen Lobeshymne auf Blut geschrieben, so eine rote Armee die einen beschützt. Der Song handelt nicht so sehr von Krankheit, ist aber doch dem Kleinen gewidmet. Das ist etwas Besonderes was man herausheben könnte.


Eine kleine Überraschung waren noch die Gäste, die ihr dieses Mal dabei hattet, vor allem George Fisher (CANNIBAL CORPSE) sticht da heraus. Wie seid ihr zu diesen Gastbeiträgen gekommen?


Frank Blackfire, der alte SODOM-Gitarrist und George Fisher, das war so ein Fan-Boy-Ding, das wir die haben wollten. Unser Sänger ist ein riesiger Fan von George und ich bin ein Riesenfan vom Frank Blackfire, und das war so, dass wir da als Fans angeklopft haben, und uns riesig gefreut haben, dass die beiden Bock hatten, irgendetwas mit uns zu machen. Dann Nick Hipa von WOVENWAR und Ex-AS I LAY DYING, das ist ein ganz alter Kumpel von uns, den wollten wir einfach wieder einmal auf einer Platte haben, und da war eine Stelle wo ein Gitarrensolo rein kann und uns nichts wirklich Revolutionäres eingefallen ist, und da er ein viel, viel besserer Gitarrist als wir beide zusammen ist, haben wir ihm das hingeschickt und er hat ein geiles Solo da draufgespielt. Und der Artie von SÓLSTAFIR, der unseren MY DYING BRIDE-Cover Song singt, mit dem wollte ich immer schon mal was zusammen machen, aber musikalisch ist es natürlich schwierig, die beiden Bands zusammenzuführen, das sind halt ganz unterschiedliche Styles, aber bei dem Song hat das gut gepasst. Ich wusste, dass er auch MY DYING BRIDE-Fan ist, und sicherlich Bock hat da mitzumachen, und da hat er wirklich noch ein schönes I-Tüpfelchen auf den Cover-Song gemacht mit seiner Stimme.


Wie kommt es eigentlich, dass ihr relativ viele Cover-Songs macht?


Ja, es sind relativ viel, aber uns gibt es seit 20 Jahren und es hat sich so die Tradition eingeschlichen, dass wir auf jedem Release einen Cover-Song dabei haben, und da fallen dann mit der Zeit so viele Songs an. Aber wir covern gerne, um den Leuten auch coole Bands vorzustellen, aber natürlich muss man zum Beispiel BLIND GUARDIAN den Leuten nicht vorstellen, die sind bekannter als wir selber. Aber wenn man dann zum Beispiel einer Generation von Metalcore-Bands eine coole Band wie EDGE OF SANITY wieder näherbringen kann, dann ist das doch eine großartige Sache. Und es ist ganz oft unsere Motivation, den Leuten Bands vorzustellen, die uns inspiriert haben.


Ihr habt eine Tour mit PARKWAY DRIVE gemacht, die war recht speziell, da ihr abwechselnd kurze Sets gespielt habt. Wie lief es für euch?


Ich weiß nicht ob es so etwas schon einmal gegeben hat. Zumindest haben wir niemanden gefunden, der uns da hätte beraten können. Das war meine Idee, es war so eine Schnapsidee, weil der Luke von PARKWAY DRIVE und ich zusammensaßen, und wir wollten uns auch nicht streiten, wer nun wo Headliner ist, und da hab ich so als Quatsch gesagt: „Lass uns doch einfach abwechselnd spielen!“ Er hat erst gar nicht gewusst was ich meinte, dann hab ich ihm das erklärt und wir waren beide begeistert von der Idee. Wir haben sie dann unseren Bands vorgestellt und da waren dann alle davon begeistert. Natürlich waren die Sound-Leute und die Technik nicht so begeistert, weil das natürlich für sie eine Herausforderung war, das so zu stemmen, dass man quasi auf Knopfdruck die Bands wechseln konnte. Aber im Endeffekt hat es geklappt mit richtig guten Technikern und einer topfitten Crew. Es ist eine Sache die ordentlich für Furore gesorgt hat und die bisher auch noch keiner nachgemacht hat.




War das auch für euch ein Spaß das so zu machen und wie haben die Fans reagiert?


Also die Fan-Reaktionen waren super, und natürlich war das bei den ersten zwei-drei Konzerten, als es noch keiner wusste, am coolsten. Es hat sich dann natürlich im Internet rumgesprochen, und die Leute wussten dann schon so halbwegs, was sie erwartet. Aber es hat Riesenspaß gemacht. Und es war wirklich cool, mit dem Gefühl auf der Bühne zu stehen, was ganz Besonderes zu machen, das war schon unschlagbar cool.


Ist es möglich, dass es das wieder einmal gibt?


Ja, das kann schon passieren. Warum nicht? PARKWAY DRIVE sind nach wie vor super enge Freunde von uns und eine coole Band. Also das könnte man schon wieder einmal zusammenführen. Klar!


Ich hab euch am Summer Breeze gesehen mit dieser langen Show. War das für euch eine besondere Sache mit diesem riesigen Bühnenaufbau usw.?


Ja, also das Summer Breeze ist schon eines der coolsten Festivals in Europa. Auch eines unserer Lieblingsfestivals. Da waren einen Haufen Freunde von uns am Start, wir gehen da auch privat hin. Der Mike Trenkert, der das auch mitbegründet hat, ist auch einer unserer ganz frühen Förderer und Freund unserer Band gewesen. Also da ist das schon etwas ganz Besonderes, und da gibt man dann vielleicht unbewusst noch einmal 10 % mehr Gas, als wenn man auf einem anderen Festival spielt. Das ist wahrscheinlich so ohne dass man es beeinflussen kann. Wir sind eine Band, bei der man merkt ob wir Spaß haben oder nicht, und wir machen da keine Show in dem Sinne, dass wir den Leuten was vorgaukeln, und man merkt, dass da bei uns echte Gefühle sind.


Ihr werdet mit KORN auf Tour gehen, eine ziemlich eigenwillige, überraschende aber coole Kombination. Wie seid ihr dazu gekommen?


Wie sind wir dazu gekommen? Ich weiß nicht! Die KORN-Jungs wollten scheinbar auch mal was Neues mitnehmen, und wir waren zu dem Zeitpunkt auch nicht so, dass wir eine Headliner-Tour hätten machen müssen. Wir können ja auch nicht immer vor dem gleichen Publikum spielen. Wir müssen ja auch mal ein paar neue Leute von unserer Message und unserer Musik überzeugen. Deshalb haben wir gedacht, das ist vielleicht eine ganz coole und überraschende Sache. Man will die Leute ja auch immer wieder einmal überraschen und etwas Ungewöhnliches machen. So ein bisschen Muffensausen hatten wir ja schon wie die Leute reagieren würden, aber bis jetzt ist das Feedback positiv, und KORN sind ja jetzt auch wieder sehr populär bei den Leuten. Die erleben ja auch gerade so einen dritten Frühling, das liegt sicher auch an den guten Songs die sie jetzt veröffentlicht haben. Da freuen wir uns sehr darauf. Was wir dann machen... - so weit sind wir da in der Planung noch nicht.


Ihr seid ja dafür bekannt, dass ihr immer Dinge macht die keiner macht. Ihr seid auch Sponsor auf einem Trikot. Wie ist es dazu gekommen?


Ja, wir sind immer noch bei FC Carl Zeiss Jena Trikot-Sponsor. Jetzt sind wir auf dem Ärmel – so ein Totenkopf mit gekreuzten Drumsticks, und das sieht ziemlich cool aus. Ja, wie ist das gekommen? Wir sind immer schon große Fans von dem Verein, das ist der Verein mit dem ich aufgewachsen bin, unser Sänger auch, unser alter Drummer Matthias, und unser andere Gitarrist Alex ist sogar in Jena geboren. Also da gab es gar keine Frage, wenn wir so etwas mal machen, welchen wir da Verein unterstützen, und darum ging es ja in erster Linie. Es gab da mal so eine Kampagne „Support your local team“, und das haben ja auch die Leute deutschlandweit und sogar weltweit mitbekommen. Es ging dabei ja gar nicht darum DEN Verein zu unterstützen, sondern einfach den Verein den man im Herzen trägt. Durch Fußball kann man wahnsinnig viele Leute positiv beeinflussen, und diese Ultra-Fanszene von Jena die ist antirassistisch und ist antifaschistisch eingestellt. Supercoole Leute die auch gesellschaftlich wahnsinnig engagiert sind, umso cooler ist es, mit denen auch weiterhin zusammen zu arbeiten.




Etwas nicht so Schönes - in den letzten Jahren haben sich mit NEAERA und MAROON gleich zwei Bands aufgelöst. Die eine ist ja aus eurer Gegend und eigentlich beide so ähnlich vom Stil her. Ihr habt mit denen auch gespielt. Was denkst du über das Ganze?


Ja, es ist natürlich schade, gerade MAROON waren ja live eine absolute Macht, eine mega-mega-fette Band, und auch das mit NEAERA hat weh getan, aber die haben wenigstens noch eine richtig coole Abschiedstour gemacht im Original-Lineup. Da hat es natürlich umso mehr weh getan Abschied zu nehmen, aber es war ein Abschied mit Würde. Bei MAROON ist das ja mehr oder weniger auseinandergebröckelt zum Schluss. Ja, was denkt man dann? Das fühlt man wahrscheinlich, wenn man mal im Altersheim sitzt und die Freunde wegsterben. Ist natürlich schade.


Aber um euch brauchen wir uns keine Sorgen machen, oder?


Nicht dass ich wüsste!


Gut zu hören! Danke für das Gespräch und ich wünsche euch eine tolle Tour!


www.heavenshallburn.com

Autor: maxomer

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Beitrag vom 07.04.2017
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