Interview mit THE VISION BLEAK - Wie eine zweite Geburt


Anlässlich ihrer Europatour hatten wir die Gelegenheit, den beiden Gothic-Metallern Konstanz und Schwadorf einige Fragen rund um das gemeinsame Projekt THE VISION BLEAK und zu einigen anderen interessanten Themen zu stellen. Das Interview fand im Tourbus statt, in den die beiden Herren bereits zuvor zu Anhören des neuen Werkes „The Unknown“ eingeladen hatten.


Hallo! Ich freue mich euch wiederzusehen - schön, dass ihr euch die Zeit nehmt, mir ein paar Fragen zu beantworten.
Was ist seit eurer "Hexen-Tour" alles geschehen?

Schwadorf: Eigentlich ist primär geschehen, dass wir die neue Platte geschrieben haben. Zwischendurch haben wir ein paar einzelne Gigs, aber das Primäre war, dass wir die neue Platte gemacht haben.




Frage an Schwadorf: Du warst ja in letzter Zeit mit EMPYRIUM unterwegs - auch beim Prophecy-Fest. Wie hat es dir gefallen, in der Balver Höhle zu spielen?


Schwadorf: Sehr gut. Es ist eine einzigartige Location und war ein Spitzen-Auftritt. Obwohl natürlich bei EMPYRIUM die Anspannung immer besonders groß ist, weile hohe Erwartungen sind und Leute aus aller Welt da waren, aus Australien, Chile, China und was weiß ich wo her. Die Erwartung ist dann immer sehr groß und da ist man sehr unter Druck gesetzt, und wenn man dann ein echt gutes Konzert spielt, ist das natürlich ein sehr gutes Gefühl nach der Show. Und die Höhle ist atmosphärisch ziemlich einzigartig.


2016 steht wohl wieder im Zeichen von THE VISION BLEAK! Ich hab euch vor eineinhalb Wochen am Ragnarök Festival auf der Bühne erlebt. Wie hat euch dieser Auftritt gefallen?


Schwadorf: War ein sehr guter Auftritt, viele Leute da, sehr gute Stimmung, neue Songs gespielt die sehr gut ankamen. Sehr gut Merchandise verkauft, hätte nicht besser laufen können.


Konstanz: Man muss auch sagen, die EP läuft auch gut. In Zeiten wie heute muss man sagen, EPs sind fast schon ein Wagnis, eine Sache die eigentlich gar nicht mehr funktioniert, aber es läuft hervorragend und die Leute nehmen es gut auf und machen alle gut mit. Und beim Ragnarök ist halt faszinierend gewesen, dass wir eigentlich theoretisch in diesem Billing von den Bands her relativ schwierig sind, aber es hat unwahrscheinlich gut gepasst, die Leute haben es unwahrscheinlich gut aufgenommen, und ich hätte nie gedacht, dass es so gut funktioniert.


Ich hab euch schon ein paar Mal live erlebt und was mir dabei aufgefallen ist, längstens ab der Hälfte des Sets wird lautstark "Kutulu!" von den Fans eingefordert. Was denkt ihr, warum ist dieser Song so beliebt?


Schwadorf: Ich glaube, ganz einfach, weil er einen Mitsing-Refrain hat.


Konstanz: Und weil er animalische Züge hat.


Schwadorf: Etwas Rituelles und jeder kann diesem Ritual quasi beiwohnen und kann den Refrain mitsingen.


Konstanz: Dabei ist der Text schwierig, aber er ist vom Prinzip her unser „Highway To Hell“! Die Menschen haben es begriffen und sofort aufgenommen und die Fans sind vollkommen drinnen und können sogar „Ia, R´lyeh Kutulu Fhtagn“ sagen, wo wir selbst schon mal an die Grenzen kommen. Aber wir können das gut nachvollziehen, weil der ist von vorne bis hinten eine einzige Explosion ist.


Dieses Jahr gibt es auch mehrere Veröffentlichungen. Neben EP und Kompilation steht auch ein neues Album mit dem Titel "The Unknown" an. Was könnt ihr mir schon über das Album erzählen?


Schwadorf: Das Album hat neun Songs und es ist das beste Teil das wir jemals gemacht haben (lacht). Naja, das ist irgendwie der Standardsatz den jeder sagt, der gerade was gemacht hat, weil er natürlich auch der Meinung ist, dass das das Beste ist. Aber bei unserer Platte ist es wirklich so. Also wir sind zumindest extrem zufrieden, und ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass ich jemals mit einer Platte im Nachgang so zufrieden war wie mit „The Unknown“. Wir hören jeden Tag die Platte mit Fans an, und ich hab bisher noch keine einzige Stelle erlebt, wo ich mir gedacht hätte, dass wir etwas anders machen hätten sollen. Die Platte ist extrem zufriedenstellend, es ist eine kleine Änderung in der Band, wie eine zweite Geburt von THE VISION BLEAK, wir haben einen anderen Weg eingeschlagen mit der neuen Platte, und es ist irgendwo auch so eine Art Befreiung. Und trotzdem ist es wie eine Art Essenz von THE VISION BLEAK. Es ist halt immer wichtig, dass dieser spezielle Funke da ist, also die ganze Ausstrahlung und nicht der technische Krimskrams bei der Aufnahme.


Konstanz: Wir haben es auch wirklich geschafft, zwei Monate diesen Funken so aufrecht zu erhalten, ohne was dafür tun zu müssen. Wir mussten uns nie motivieren weiterzumachen, sondern es war einfach da, und man musste schon fast sagen „hör auf jetzt – es reicht“. Es reichte an Inspiration, an Ideen, an der Umsetzung. Deshalb haben wir auch unwahrscheinliche Mengen an Material zusammen bekommen. Wir hatten unwahrscheinlich viel Energie und ich muss sagen, das haben wir selbst in dieser Form noch nie gehabt. Wir sind für uns selber quasi auf einem neuen Level angekommen.


Schwadorf: Wir haben extrem drauf geachtet, diesen ersten Song der da war, dieses Thema und die erste Emotion die da ist, wenn du einen Song schreibst, dass du die rüberrettest bis zum Ende, und nicht irgendwann anfängst die zu verbessern, indem du auf einmal aus dem ursprünglichen Thema etwas ganz Anderes machst. Und das ist unglaublich schwierig, diesen ersten Punkt den du hattest bis zum Ende rüberzuretten.




Glaubt ihr, dass das Unbekannte vielen Menschen Angst macht?


Schwadorf: Das Unbekannte ist ja im Prinzip das Leben, und da ist die große Unbekannte der Tod. Aber ohne diese Unbekannte wäre das Leben total langweilig. Wenn es den Tod nicht gäbe, könnte man jede Handlung die man vielleicht vor hat endlos hinausschieben. Und jeden Tag begegnet jeder immer wieder unbekannten Situationen, vor denen man vielleicht am Anfang Angst hat, aber wenn man die Schwelle überwindet, dem Unbekannten entgegenzutreten, oder sich auf das Unbekannte einzulassen, kommt man immer als andere Person raus. Und genau darum geht es auch im Titelsong der Platte. Diese Wandlung, wenn man diese Schwelle überschreitet um dadurch Zufriedenheit zu erfahren.


Konstanz: Aber es gibt viele die „Nein“ sagen zu diesem Schritt und bis an ihr Lebensende immer nur alles verneinen und dadurch nichts erleben.


Welche Gedanken haben euch beim Schreiben dieses Albums geleitet?


Schwadorf: Die über die wir gerade gesprochen haben. Aber es gibt da auch viel. Gerade textlich sind wir viel introvertierter als zuvor, viel mehr auf einer persönlichen Ebene. Es geht viel darum, diese Schwelle zu übertreten und auch viel um den Tod. Die EP heißt ja „The Kindred Of The Sunset“ und der Sonnenuntergang ist ja auch so ein perfektes Bild für den Tod. Im Prinzip sind wir ja geboren um zu sterben. Das ist unser Schicksal, das macht uns so tragisch aber auch so schön. Weil wir diese Zeit die wir hier haben nutzen und füllen müssen. Es geht auch viel um das Anderssein und den Stolz darauf, anders zu sein.


Konstanz: Dabei geht es gar nicht um das Finanzielle. Das bringt einen vielleicht zu irgendwas, aber das richtige Bringen ist oft keine 5 Cent wert oder auch gar nix was Geld betrifft. Wie oft hast du Situationen erlebt, die unbezahlbar und unfassbar waren, und du hast dafür nichts bezahlt. Wir werden halt immer mehr zu Sklaven des Geldes und von diesem ganzen unnützen Scheißdreck. Es wird viel zu oft darauf vergessen, um was es im Leben wirklich geht.


Ihr geht ja einen eher ungewöhnlichen Weg, dass ihr erst eine Tour macht und danach das Album veröffentlicht. Warum hat sich das so ergeben?


Schwadorf: Weil wir uns nicht unter Druck setzten lassen wollten vom „Ums-Verrecken-fertig-zu-werden“ mit dem Album bis zur Tour. Wir haben irgendwann bemerkt, wenn wir jetzt das Album auf Biegen und Brechen fertig machen, wird das der Sache nicht gerecht. Also lass uns lieber die Tour mit einer EP machen, was auf der einen Seite auch der alte Weg ist, die Platte zu promoten mit einer Tour und nicht zu einer Verkaufsveranstaltung zu werden für das Album. Das hat den Druck von uns genommen, die Platte zu einem gewissen Datum fertig haben zu müssen.


Die meisten Bands gehen aber denn anderen Weg.


Konstanz: Da haben wir es auch wieder diesen Verpflichtungen. „meistens“, „man macht“ – das haben wir komplett gebrochen. Wir haben auch beide keine Lust mehr darauf, diesem Weg zu folgen dem alle folgen. Da haben wir keinen Bock mehr darauf, denn wir möchten der Platte unwahrscheinlich viel Zeit einräumen, und das ist etwas, was niemand mehr schafft – der Platte mehr als einen Monat einzuräumen. Selbst wenn sie gut ist, ist sie einen Monat aktiv und dann stirbt sie und fällt runter „To The Unknown“. Und wir machen gerade das Gegenteil – „The Unknown“ kommt aus dem Nichts und wird hoffentlich lange genug strahlen können, um der Sache gerecht zu werden, weil sie einfach gut ist. Das verdient viel mehr Zeit und deshalb machen wir es einfach so rum.




Wie ist die Tour bisher verlaufen und gab es ein besonderes Highlight?


Schwadorf: Die Tour ist sehr gut verlaufen, wir hatten eigentlich überall gute Besucherzahlen und es war überall toll.


Konstanz: Das Highlight war Turin. Das war das erste Konzert nach langer Zeit dort und das in „The-middle-of-nowhere“, und die Italiener sind sowieso ein eigenes Volk. Wir hatten 50 zahlende Gäste, aber die waren wie 1000. Es war ein Inferno bis 3 Uhr nachts und die Leute waren total begeistert. Also für uns war das unfassbar. Maniacs as Hell – 50 Leute die einem das Gefühl geben, wir machen alles richtig, und das war toll.


Schwadorf: Und Erfurt gestern mit Pyro – im From Hell war richtig Feuer.


Eine tolle Idee sind die Listening-Sessions, die auch den Fans offenstehen. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?


Schwadorf: Konstanz hatte die Idee und wir haben alle gesagt, dass das eine sehr gute Idee ist. Es geht am meisten darum, den Leuten das Gefühl der Platte auch mitzugeben. Wenn man die zusammen mit Fans hier hört ist das eine andere Atmosphäre als wenn die sie zu Hause hören. Du kannst den Leuten einfach das Gefühl, wie wichtig uns die Platte ist, noch mitgeben, und das ist sehr schön.


Konstanz: Es wird auch gut angenommen. Es ist vielleicht schwierig für die Leute, die Situation aufzunehmen, aber am Ende kommt immer eine gute Unterhaltung dabei heraus. Die bringen teilweise auch Präsente mit – Wein oder Whiskey und anderes – und darum geht’s ja (lacht).


Wer hat eure Supportbands ausgesucht und wie waren die Tage bisher mit den Jungs?


Schwadorf: Sehr gut! Mit SATURNUS waren wir ja schon einmal vor 2,5 Jahren auf Tour, und deshalb haben wir wieder bei ihnen angefragt, da es damals sehr gut gepasst hat. Die wollten auch wieder mit uns auf Tour gehen, weil die Kombination sehr gut passt – musikalisch und menschlich. Und JOHN HAUGHM von AGALLOCH wurde uns vorgeschlagen, und da AGALLOCH eine sehr große Band ist haben wir zugesagt. Und es passt hervorragend.


Gibt es einen besonderen Ort, an dem ihr noch einmal live auftreten möchtet?


Konstanz: Also Rom auf jeden Fall wieder. Rom war unfassbar!


Konstanz: Wir machen unser eigenes Festival (lacht)!


Schwadorf: Wir hatten eine Fotosession der sehr speziellen Art. Dort gibt es einen sehr alten Juden-Friedhof bei uns in der Gegend, der atmosphärisch einfach unglaublich ist, und die Platte auch wahnsinnig stark inspiriert hat. Das wäre ein Ort, an dem ich sehr gerne einmal ein Konzert spielen würde.


Konstanz: Mittlerweile ist der Friedhof quasi ein Museum, aber er ist unfassbar schön im positiven Sinne. Er ist schön, er ist verfallen, er ist 500 Jahre alt und ein besonderer Ort.


Welche Pläne habt ihr für die Zukunft?


Schwadorf: Keine konkreten Pläne.


Konstanz: „Into The Unknown“


Schwadorf: Einfach weiter THE VISION BLEAK sein – es gibt schon Pläne….


Konstanz: Erzähl Gott deine Pläne und er lacht und das ist das Problem dabei.




Und zum Abschluss noch einige Worte an eure Fans?


Schwadorf: Das einzige was ich sagen kann ist, dass uns immer mehr bewusst wird, dass wir früher das immer als so eine Floskel empfunden haben, wenn wer gesagt hat: „Ohne unsere Fans wären wir nichts“. Das klingt immer so schäbig und so populistisch, aber mir wird immer mehr bewusst, wie viel Wahrheit darin ist. Und wie viel wir doch mit den Fans Persönliches und Emotionales teilen, und wie viel Energie wir daraus ziehen können. An dem Punkt war ich vor zehn Jahren noch nicht.


Konstanz: Den Fan – das klingt jetzt auch komisch – also den Fan auch immer als Menschen zu sehen. Also kein Fan, denn Fan ist irgendwie ein doofes Wort, sondern jemand den man begeistern kann für die Dinge die man tut, weil man die Dinge deswegen tut, weil man eine gleiche Ebene hat. Musiker sind ja auch Fans.


Schwadorf: Ich würde sagen, das sind keine Fans sondern eigentlich Gleichgesinnte mit denen man was teilt. Es hat sich halt so ergeben, dass wir auf der Bühne stehen und was mit ihnen teilen, und sie uns was dafür zurückgeben. Dieser Austausch von Energie ist etwas unfassbar Bereicherndes.


Ich bedanke mich für die Beantwortung meiner Fragen und wünsche euch das Allerbeste!







www.the-vision-bleak.de

Autor: Metalmama

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Beitrag vom 22.06.2016
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