Interview mit VARG - Wir werden für Toleranz und Güte kämpfen


Die altbekannten bayrischen Wölfe von VARG haben mit ihrem im Jänner erschienenen Album "Das Ende Aller Lügen" wieder einmal ein Statement gesetzt.
Wir hatten die Ehre und durften uns mit Timo Rotten alias Manegarm unterhalten und erfuhren äußerst interessante Details zur Entstehung des neuen Werkes, zu Anschlägen in der Vergangenheit und die Zukunft.


Hi! Gratuliere zum neuen Album!
Schön, dass ich euch ein paar Fragen dazu stellen kann!



Hi Catrine. Danke dir. Let’s do it.


Der Albumtitel „Das Ende Aller Lügen“ und gleich zu Beginn die Rede von Charlie Chaplin aus Der große Diktator – irgendwie hat man gleich von Anfang an als Hörer den Eindruck, dass das bei der aktuellen Situation in Europa kein Zufall sein kann. Trifft das zu bzw. habt ihr gleich von Beginn an geplant, mit diesem Album in diese Kerbe schlagen zu wollen?




Das liegt natürlich nahe, das verstehe ich. In der Tat ist es aber wirklich ein Zufall. Die ersten Songs habe ich bereits Anfang 2013 geschrieben, das komplette Album war bereits vor über einem Jahr komplett fertig aufgenommen. Wir haben also keineswegs mit der aktuellen Situation planen können. Natürlich waren wir uns beim Release aber über die Aktualität bewusst.


Wann habt ihr mit den Vorbereitungen zum Album begonnen?


Wie gesagt, die ersten Songs habe ich bereits Anfang 2013 geschrieben. Wir haben die Aufnahmen 2014 abgeschlossen und waren 2015 eigentlich nur mit Mixen und Mastern beschäftigt. Natürlich hat der Wechsel von Noise Art zu Napalm die Sache auch etwas in die Länge gezogen.


Es scheint auch, als wolltet ihr euch mit diesem Album noch eindeutiger als in der Vergangenheit zu eurer angelasteten Neonazi-Sympathie, die leider immer noch dezent in der Luft liegt, zu distanzieren. In wie weit trifft dies zu?


Gar nicht. Das Thema ist für uns erledigt, jedenfalls auf musikalischer Seite gibt es dazu nichts mehr zu sagen. Wir sprechen uns außerhalb unserer Musik weiterhin gegen Rassismus und Fremdenhass aus, aber das spiegelt nur unsere persönliche Meinung und gelebte Verantwortung wieder.
Das Album hat mit dieser Thematik im Prinzip nichts zu tun. Es geht vielmehr um eine Kritik am vorherrschenden System und der Gesellschaft. Auf der einen Seite an den Führungsmächten aus Wirtschaft, Politik und Religion, von denen viele einfach korrupte, machtbesessene Charaktere sind. Auf der anderen Seite aber auch an den Menschen selbst, die mit vielen Dingen viel zu undifferenziert umgehen, ihren Frust in die falsche Richtung lenken und sich dann doch lieber faul in ihrem Wohlstand suhlen, anstatt Veränderung voran zu treiben.



Wie wichtig ist eine politische Meinung / Systemkritik für euch als Band bzw. das auch nach außen zu tragen?


Grundsätzlich finde ich nicht, das bestimmte Themen größere Wichtigkeit oder Vorrang haben. Jedes Album ist auch immer eine Momentaufnahme deines aktuellen Lebens. Was um uns herum passiert, was wir gerade machen, erleben, was für Menschen wir treffen: all das beeinflusst uns in unserem Schaffen als Künstler. Die Themen auf "Das Ende Aller Lügen" waren und sind für uns momentan einfach präsent und wurden daher auf dem Album verarbeitet. Das bedeutet aber nicht, dass VARG grundsätzlich eine politisch motivierte, gesellschaftskritische Band ist. Vielleicht wird das nächste Album ein Konzeptalbum, dass sich ausschließlich mit Themen aus der nordischen Mythologie beschäftigt. Wir möchten uns in dieser Hinsicht einfach in unserem Schaffen einschränken.


2015 gab es ja den „Chlor-Anschlag“ am Rage Against Racism-Festival. War das der erste tätliche Angriff auf euch und wie geht man mit so etwas um?


Das war schon wirklich eine verrückte Sache. Ich kann immer noch nicht verstehen, was in dem Menschen vorgegangen ist, bzw. was wir ihm schlimmes angetan haben, dass er so einen Groll gegen uns hegt uns tatsächlich persönlich anzugreifen. Zum Glück ist niemandem ernstlich etwas passiert, aber das hätte auch ganz anders ausgehen können. Ich denke derjenige war sich den Folgen und Konsequenzen seines Handelns in dem Moment nicht wirklich bewusst. Anders kann ich mir das jedenfalls nicht erklären. Eine sehr dumme Aktion.
Es ist jetzt aber nicht so, als würden wir mit flauem Magen auf die Bühne gehen. Für uns hat sich dadurch rein gar nichts verändert.



Womit, glaubt ihr, kann man heutzutage als Musiker noch provozieren?


Uff, das ist wirklich schwer. Ich glaube die Zeiten in denen man mit reiner Provokation noch große Aufmerksamkeit erregen konnte sind größtenteils vorbei.
Beeindruckend fand ich in diesem Kontext das LINDEMANN-Release. Die haben das tatsächlich geschafft, doch noch so einigen die Kinnlade herunter klappen zu lassen mit ihren Videos. Dabei war es nichts, was man nicht schon mal irgendwo gesehen hat. Aber die Kombination aus Ekel, Witz und Charme hat einfach gut funktioniert.





Aus welchem Grund gibt es diesmal eine englische Edition von „Das Ende Aller Lügen“, wie kam es dazu?


Wir waren mittlerweile zwei Mal in Nordamerika auf Tournee und mehrfach überall in Europa. Unsere weltweite Fanbase wächst stetig. Wir wollten allen nicht-deutschsprachigen Fans die Möglichkeit geben unsere Songs genauso intensiv zu hören und zu verstehen, wie denen in unserer Heimat. Das war icht ganz leicht, denn eine simple Wort für Wort Übersetzung funktioniert natürlich nicht richtig. Wir haben uns wirklich viele Gedanken gemacht und die Texte im Prinzip auf Englisch komplett neu verfasst. Wichtig war uns dabei, dass die Grundmessage, Emotion und Atmosphäre der Originale erhalten bleibt. Das ist uns denke ich sehr gut geglückt.


Zum Titeltrack, der Widerstands-Hymne „Das Ende Aller Lügen“ gibt es ein offizielles Video, sogar extended mit der Rede von Charlie Chaplin, übergehend in ein ziemlich brutales und blutrünstiges Szenario, das sicher die Wunschvorstellung von so manchen trifft ;) Erzählt doch mal darüber.


Es gibt auch zu „Dunkelheit“ und „Achtung“ einen Videoclip und wir werden sogar noch ein weiteres Video veröffentlichen, sobald die Zeit gekommen ist. Wir haben diesmal wirklich viel Arbeit, Zeit und Geld investiert um den Fans etwas zu bieten.
Zu „Das Ende aller Lügen“: Ich hoffe nicht, dass wirklich jemand ernsthaft darüber nachdenkt loszugehen und Leute abzuschlachten, denn das tun wir natürlich auch nicht. Man muss die Texte und auch das Video im Kontext der Band sehen und der war und ist schon immer ein sehr martialischer und rauer. Unsere Wurzeln liegen im Viking Metal und die Vikinger waren ja nun auch nicht gerade zimperlich.
Was viele an dem Video kritisiert haben war der Kontrast zwischen Intro und Songtext/Video. Für uns ist das aber eindeutig: Es geht um freiheitliche Werte wie Toleranz und Güte für die es sich zu kämpfen lohnt. Und für die werden wir gerne kämpfen, zwar nicht mit Waffengewalt wie auf dem Cover oder im Video, aber jederzeit mit Worten in unserer Musik.



Ein richtiges Gänsehautstück auf eurer neuen Platte ist „Totentanz“, ein Duett mit weiblicher Unterstützung. Wie kam es zu dazu?


Die weibliche Unterstützung ist Anna Murphy von ELUVEITIE. Wir kennen uns schon eine ganze Weile, konkret seit unserer ersten gemeinsamen Tour am Paganfest 2010. Sie ist wirklich eine tolle Sängerin und ich schätze sie als Künstlerin wirklich sehr. Wir machen immer mal wieder Kollaborationen miteinander, zuerst 2011, als sie für unseren Song Rotkäppchen die Drehleier gespielt hat. Vor einer Weile habe ich dann einen Remix für ihr Soloalbum gemacht. Ich freue mich sehr, nun ihre wahnsinnig ausdrucksstarke Stimme auf unserem Album zu haben.

Bei „Ascheregen“ musste ich auch erst mal nachsehen, ob überhaupt noch VARG im Player läuft… ein ungewöhnlich ruhiges Stück, meiner Meinung nach das ruhigste in der VARG-Geschichte. Wie fand dieser Track den Weg auf das Album und welche Geschichte steckt dahinter?


In der Tat das ruhigste Stück der VARG-Geschichte und mein Lieblingssong auf dem Album. Eben gerade deswegen. Ich mag die dichte Atmosphäre. Die spärliche Instrumentierung unterstützt perfekt die Gebrechlichkeit und Verletzlichkeit um die es geht.
Geschrieben habe ich den Song im Anschluss an ein KATATONIA Konzert. Vor allem im Outro hört man das ganz deutlich, haha.



Wenn ihr auf eure vier bisher veröffentlichten Studioalben zurückblickt, wo sind für euch die Unterschiede zu „Das Ende Aller Lügen“? Wie seht ihr selbst eure Entwicklung und gibt es etwas, das ihr beim nächsten Album noch verbessern wollt?


Das ist natürlich für einen Künstler schwer zu sagen, weil es schwer ist die eigene Arbeit von außen zu betrachten. Ich finde wir haben auf dem aktuellen Sound endlich geschafft unsere Wurzeln aus dem Viking Metal mit Elementen aus der Moderne zu vermischen. Genau so habe ich mir VARG tatsächlich immer vorgestellt. Alles fühlt sich richtig und stark an. Wegen mir kann das so weiter gehen!




Wie werdet ihr dieses Jahr das Album promoten, wie steht’s um Festivals und Tour?


Im März/April fahren wir erst mal auf unsere Wolfsfest Headliner Tour durch die Schweiz und Deutschland. Wir haben ein echt fettes Paket zusammengestellt. EISREGEN, WE BUTTER THE BREAD WITH BUTTER, WOLFCHANT, NACHTBLUT und VITJA werden mit von der Partie sein. Mit uns zusammen also ganze sechs Bands! Ich freue mich sehr darauf, das wird auf jeden Fall eine Hammer Tour!
Einige Festivals wie die Metaldays in Slowenien stehen auf dem Plan und wir arbeiten natürlich an weiteren Touren durch Europa und hoffentlich auch wieder Nordamerika.



The last words are yours!


Vielen Dank für das Interview! Ich hoffe wir sehen uns auf dem einen oder anderen Konzert in diesem Jahr!


Gerne! Herzlichen Dank!


www.varg.de

Autor: Catrine

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Beitrag vom 01.02.2016
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