Interview mit AVATAR - Something is wrong with the world today


Die Schweden AVATAR bliesen uns schon zur Mittagszeit am Masters Of Rock vollkommen weg. Mit fantastischem Bühnenkonzept und dem starken Material des aktuellen Werkes "Hail The Apocalypse" in der Hinterhand, war das womöglich auch vorauszusehen. Wir sprachen kurz darauf mit Sänger Johannes Eckerström über allerlei Hintergründe. Dank seines teils deutschen Ursprungs größtenteils sogar auf Deutsch.




Hey Johannes, starke Show heute! Seit ihr nun schon recht im Stress weiter zu kommen?


Nein, es war nur ein komischer Flug und wir mussten umsteigen, also bin ich erst um vier ins Bett gekommen. Um neun mussten wir schon auf, da die Show heute sehr früh war. Irgendwie ist alles immer so schnell vorbei, was ein komisches Gefühl ist, denn bei einer richtigen Tour spielt man abends und hat einen bestimmten Rhythmus. Bei Festivals ist das irgendwie immer ganz anders.


Ihr wart zum ersten Mal hier auf dem Festival, aber man hat sofort gemerkt: Wahnsinns Show, tolle Resonanz und für die frühe Zeit (12:00 Uhr) waren schon verdammt viele Leute da. Wie hat es euch gefallen?


Es war sehr gut. Wir hatten eigentlich kein Recht etwas zu erwarten, aber wie du sagtest waren sehr viele Leute für die Zeit da und ein großer Moshpit und eine Wall of Death gab es auch. Die Band vor uns war aus Tschechien, da waren noch ein paar mehr, aber letztes Mal als wir in diesem Land gespielt haben, waren es gerade mal 100 Leute in Prag bei unserer ersten Headlinershow hier. Das war heute auf jeden Fall ein großer Schritt für uns.


Ich durfte euch ja bereits mit AVENGEND SEVENFOLD und FIVE FINGER DEATH PUNCH in Wien sehen. War damals schon sehr cool, aber heute habt ihr auf jeden Fall von der Performance her noch einen großen Schritt nach vorne gemacht. Es war ja nicht einfach ein Auftritt, sondern eine komplette Show mit allem Drum und Dran. Improvisiert ihr das Ganze oder habt ihr euch diese Show vorab ausgearbeitet?


Wir versuchen immer eine gute Mischung zu schaffen. Wir sind eine theatralische Band, aber gleichzeitig reagiert man sowieso auf das Publikum und man kann ja nicht jeden Tag das gleiche sagen und tun. Man muss da schon spontan sein können.




Dann sprechen wir über das aktuelle Album „Hail The Apocalypse“ (youtu.be/zKe8jze56Vg) – meiner Meinung nach das Beste, das ihr bisher gemacht habt. Was wolltest du mit dem Titel ausdrücken?


Danke. Erst kam der Song und dann wurde er zum Titeltrack. Als ich das Riff hörte, hatte ich eine Vision von einer Weltuntergangsprophezeiung. So als würde da einer mit so einem „the end is near“ Schild da stehen. Der steht zum Beispiel in Hiroshima und schaut nach oben: „Tatsächlich, da kommt es“. Das war einfach das Gefühl, das ich bei dem Song bekommen habe und er hat dann das Ende herbeigesehnt und es bekommen.

Wenn es eine Message dahinter gibt, dann ist es den Konsequenzen deiner Taten ins Auge zu sehen und damit umzugehen. Wir als Menschen sind einen bestimmten Weg gegangen und das schon eine sehr lange Zeit, so dass bestimmte Konsequenzen nicht mehr verhindert werden können. Es geht nun nur noch darum es zu begrüßen – also „Hail The Apocalypse“. Auch wenn es mich natürlich erschreckt, denke ich auf eine Weise, dass ich ein Ende all dessen was im Moment passiert begrüßen würde, denn du musst etwas niederbrennen, damit Platz für etwas Neues zum Wachsen ist.



Ihr habt Phrasen wie „somethings wrong in the world today” oder einen Song über die “Tsar Bomba”, Mörder und solche Sachen. Muss ein AVATAR Song generell negativ sein?


Das ist eigentlich eine gute Frage. Es ist lustig... aber kurz: Nein. Aber es erscheint im Moment so. Wenn du auf ältere Alben zurücksiehst, gibt es einige Songs, die Geschichten über was du bist oder was du erreichen kannst, oder über das Suchen des vollen menschlichen Potentials erzählen. Als John mit Jonas die Band mit 14-15 Jahren startete und dann AVATAR nannte, dachte er einfach, es klingt cool. Aber als ich dann dazu kam, wollte ich die Idee unbedingt behalten. Ein Avatar ist ein Gefäß für einen Gott, wenn er sich auf der Erde in Form eines Tieres oder Menschen manifestieren möchte. Also ein Gott in Verkleidung. Diese Bedeutung inspirierte uns um die Idee zu versuchen dieses versteckte Potential in dir, also dem Menschen, zu suchen. Wir hatten früher viele dieser positiven Messages. Ich nehme an die Texte sind etwas weniger philosophisch geworden, als wir älter geworden sind, weniger klugscheißend, dafür sind wir wohl etwas psychologischer geworden. Wir versuchen immer noch dieses mehrschichtige Ding zu machen und ich hoffe es funktioniert. Wir sehen in uns selbst und wenn man in sich selbst sieht, dann wird es düster und negativ. Ich hoffe ich kann den Trend mal umkehren an einem bestimmten Punkt, aber ja das meiste auf „Apocalypse“ ist ziemlich hoffnungslos.


Hast du bestimmte Einflüsse für die Lyrics?


Die Sache ist die, dass es keine bestimmten Einflüsse gibt, ich habe so viele verschiedene. Ich bin ein großer DEVIN TOWNSEND Fan. Seine Texte sind so extraordinär wunderschön. Das interessante bei ihm ist, dass man die Texte lesen kann, aber ohne dem eigentlichen Gesang und der Musik funktionieren sie nicht richtig. Ein Wort kann so banal sein, aber wenn du es in den richtigen musikalischen Kontext stellst, findest du erst heraus wie viel dieses überhaupt bedeuten kann. Ich lese auch gerne diese alten Schinken von Edgar Allen Poe oder dem Schweden Fröding. Im Moment beschäftige ich mich sehr viel mit Nordischem, ich meine ich lese gerade die Edda und so Zeug, einfach um einen älteren Weg zu finden um es zu tun. Ich bin da relativ offen, es können THE DOORS an einem Tag und BLIND GUARDIAN am nächsten sein.




AVATAR starteten ja als eine Art Melodic Death Metal Band, das passt jetzt nicht mehr wirklich. Wie würdest du den Sound heute beschreiben?


Ich habe da keine kurze Antwort, dafür die es für uns auf den Punkt bringen würde. Eines was wir nicht mehr tun möchten, ist etwas, was man definieren kann, bevor wir es getan haben. Es ist nicht mein Job zu sagen, dass wir komplett originell in irgendeiner Weise sind, aber wir bemühen uns sehr etwas zu vollbringen, was wir bisher noch nie irgendwo gehört haben. Aber es ist Metal, verdammt verwurzelt. Über die Jahre haben wir immer mehr Groove rein gebracht und versuchen unsere vielen Einflüsse zu fokussieren.


Wo siehst du denn die Unterschiede vom neuen Album zu „The Black Waltz“?


Ein Unterschied ist, dass es live aufgenommen wurde. Das machte vom Feeling her schon einen großen Unterschied aus. Sie sind beide als Grundidee mit etwas Industrial vermengt, aber das ist bei „Hail The Apocalypse“ wieder ein bisschen weniger geworden. Stattdessen fokussierten wir uns auf einen menschlicheren Sound. Wir wollten so wenig Takes wie möglich machen und alles gemeinsam an einem Ort aufnehmen. Wir haben diese magische Kommunikation zwischen den Musikern gesucht. Ich denke es ist weniger straight forward als „Black Waltz“, es ist dafür dynamischer.


Mir gefällt das NIRAVANA Cover „Something In The Way“ extrem gut. Wie seit ihr auf die Idee gekommen, denn es klingt in der neuen Version verdammt nach eurem Sound.


Wir haben das Album ja in Thailand aufgenommen und die Idee, dass wir das Album live aufnehmen, kam eigentlich auf dem Weg dorthin. Wir haben nämlich die Dokumentation von Dave Grohl über die Sun City Studios gesehen. NIRVANA hat dort „Nevermind“ aufgenommen, aber zuvor waren auch FLEETWOOD MAC dort. Wir sprachen über die Live-Aufnahme und die Idee, dass wir nicht diese synthetische Perfektion suchen und diese Doku gab uns den Mut das zu tun. Auch wenn Dave das nicht weiß, aber auf eine Weise wurde er Co-Creater des Albums. Wir haben das dann einfach durchgezogen und hatten dann noch Zeit übrig. Wir sprachen über Bonus Tracks und redeten darüber, dass wir noch nie ein Cover eingespielt haben. Ich wollte immer „Beat On The Brat“ von den RAMONES machen. Das wäre aber eher ein Spaß-Cover, wie es CHILDREN OF BODOM bereits öfter gemacht haben. Es gibt nichts falsches daran, aber nachdem auf dem Album alles so einen ernsten Grundton hat, passte das nicht und Tim schlug dann diesen Song vor. Es hat nur zwei Akkorde, darum kannst du es in jede Richtung lenken. Wir hatten so viel Spaß damit, darum wurde ein regulärer Track.


Einer meiner weitere Lieblings-Songs ist „Tower“, vor allem weil er einfach so komplett anders klingt. Was kannst du mir dazu sagen?


Als ich den Song schrieb, war er eigentlich gar nicht unbedingt als Song für AVATAR gedacht. Ich war bei meiner Freundin daheim und sie war arbeiten. Ich habe mir dann einfach gedacht, dass ich in der Zeit dort jeden Tag einen Song schreiben werde, aber nicht mit einem bestimmten Ziel. Das war einfach eine dieser Ideen und spielte sie John vor und er verliebte sich in diese Ideen. Also versuchten wir einen Weg zu finden um es in einen AVATAR Song zu verwandeln. Für eine Zeit haben wir es zu hart versucht, denn ich habe ihn auf einer Akustik-Gitarre gespielt und als ich es in einen Heavy Metal Song umwandeln wollte, kam da irgendwie dieses verrückte „Fear Of The Dark“ Arrangements heraus. Das war schrecklich. Dann haben wir das gelassen. Aber als ich irgendwann mal alleine darauf zurückkam, dachte ich mir, das ist eine dieser Lehrstunden. Lasse einen Song doch einfach so sein, wie er sein will und soll. Also bin ich zurück zur Grundidee gegangen und habe versucht eine Atmosphäre daraus zu bilden.



Was den Text betrifft, ist es lustig, denn es hat diese Atmosphäre und Sensibilität, aber ich denke es ist der düsterste und unheimlichste Text auf dem ganzen Album. Es ist aus der Perspektive eines Antagonisten, hier sind der böse Junge. Ich denke wir haben alle irgendwie dieses bestimmte Gefühl, dass wir Menschen die wir lieben nahe bei uns behalten wollen. Aber wenn das zu weit geht, wird es zu etwas bösem. Aber auf die Weise wie wir es präsentieren, ist es listigerweise ein Ladys-Favourite. Ich denke, den haben einige falsch verstanden, denn manche sagen: „Oh, der Song beschreibt so sehr mein Leben“. Ich sagte denen dann nur, dass sie doch schnell die Polizei rufen sollen, heilige Scheiße! (lacht)



Manchmal fühle ich mich aufgrund der Atmosphäre und Rhythmik auf dem Album wie in einem düsteren Horro-Zirkus. Dazu passen ja natürlich das Make Up und das Outfit. Wie kam die Idee zu diesem Auftreten?


Es war ein glücklicher Zufall. Auf dem „Black Waltz“ Album hatten wir den Titeltrack damals noch ohne Namen. Wir überlegten uns etwas für das Artwork und hofften, dass wir, wenn wir die Titel auf die Rückseite packen müssen, auch einen Titel für diesen scheiß Song haben. Wir hatten eine Idee für einige Zeit, bevor wir wussten, dass wir einen Zirkus kreieren, denn wir waren zu beschäftigt damit ihn zu kreieren. Wir wollten etwas damit machen, also mehr visuell und konzeptionell als zuvor. Wir wollten ein Foto anstatt einem gezeichneten Artwork. Also kam die Idee mich in einen Fluss aus Feuer zu stellen. Mit echtem Feuer und so weiter, denn Photoshop ist kein echter Metal. Also machten wir das draußen bei einem Fluss. Der Typ, der für uns die Fotos machte, zündete mich an und schaute, was er daraus machen kann. Im Video hatten wir dann die ganzen Freaks und wir wollten nicht die komplette Band reinnehmen, weil das zu viel werden würde, aber wir überlegten uns wie wir mich da passend rein bekommen. Und so ist das passiert. Und als wir mein Gesicht anmalten, da hat es einfach Klick gemacht. Wir haben so viele Fotoshoots gemacht einfach um etwas zu finden, aber das fanden wir dann eben zufällig in dem Musik-Video. Es hat uns so viele Türen zu Ideen geöffnet. Es gab uns ein Gesicht, anstatt mit zerschnittenen JUDAS PRIEST Shirts auf die Bühne zu gehen, hatten wir uns ganz eigenes Ding.


Arbeitet ihr bereits an neuem Material?


Wir planen im Herbst aufzunehmen. Ich liebe Deadlines und ich liebe diesen Swuusch-Sound wenn sie an mir vorbeiziehen. Wir wollen uns natürlich nicht wiederholen und zielen jedes Mal höher. Das Konzept wird noch definitiver und tiefgründiger. Wir versuchen etwas Neues zu schaffen, es muss Klick machen und nicht „Black Waltz“ oder „Hail The Apocalypse“ Part II sein. Das kann zwei Monate aber auch 20 Jahre dauern. Aber wir fühlen uns sehr kreativ im Moment und schrieben sehr viel.




Und wann können wir euch bei uns wieder live erleben?


Ich hoffe Anfang nächstes Jahr oder spätestens im Frühling. Ein paar USA-Dinge sind noch geplant, aber mit dem neuen Album wird da sicher etwas passieren.


Ich danke dir vielmals für das Interview.


avatarmetal.com

Autor: maxomer

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Beitrag vom 04.09.2015
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