Interview mit BLIND GUARDIAN - Härte und Geschwindigkeit gehören zu unseren Wurzeln


Die Power Metal Legende BLIND GUARDIAN lässt sich bei den aktuellen Alben immer etwas Zeit, doch das Warten lohnt sich definitiv, wie man am neuesten Beispiel "Beyond The Red Mirror" wunderbar sehen konnte. Dass man die Band aber deshalb auch weniger live zu sehen bekommt ist fast noch unangenehmer, sind die Deutschen doch ein Garant für geniale Shows mit Gänsehaut. Wir trafen uns in Wien mit Gitarrist Marcu Siepen zum Gespräch.




Hey Marcus, wie läuft die aktuelle Tour?


Es läuft sehr gut. Wir sind jetzt ca. seit sieben Wochen... Pi mal Daumen, unterwegs – da verliert man schnell den Überblick. Die Tour ist sehr erfolgreich und die Resonanz des Publikums ist super. Gerade auch auf die neuen Nummern, wir spielen vier davon und die werden genauso gut aufgenommen wie die Klassiker. Es sind anscheinend sofortig Klassiker geworden, was mich sehr freut. Die Reaktionen sind bisher sehr überschwänglich. Egal ob du im Internet schaust, mit Leuten nach dem Konzert oder Freunden redest, und jeder sagt, das ist das Beste, was wir bis jetzt gemacht haben. Das hat uns sehr gefreut.


Das wäre natürlich jetzt meine nächste Frage gewesen, wie ihr euch jetzt nachdem ihr die Songs auch schon live gespielt habt, damit fühlt...


Wir fühlen uns sehr gut damit. Es sind teilweise schwierig zu spielende Nummern, aber es macht enorm viel Spaß und gerade die Reaktion des Publikums ist eine Bestätigung. Früher war es meist so, dass wenn wir neue Nummern gespielt haben, die Resonanz zwar gut war, aber im Vergleich zu den Klassikern verhaltener. Das dauerte dann immer eine Saison bis sich das änderte. Doch dieses Mal scheint es wirklich anders zu sein, denn die Reatkionen sind gleich wie bei den alten Nummern.


Ist denn eine gewisse Unsicherheit bis zu dem Punkt da, wo ihr dann die Nummern live präsentiert und die Reaktionen abwartet?


Ähm... ich würd es nicht unbedingt Unsicherheit nennen, vielleicht mehr Neugier. Wir sind sehr überzeugt von dem was wir machen und wenn wir unsicher über die Qualität der Nummern wären, wären diese nicht auf dem Album gelandet. Wenn wir etwas aufnehmen, sind wir schon sehr selbstbewusst und glauben schon, dass das eine geile Nummer ist. Wir sind einfach neugierig darauf, wie das Publikum reagiert, denn das kann bei jeder Nummer anders sein.


Ihr habt jetzt eine Live-Pause eingelegt und es sind auch fast fünf Jahre zwischen den letzten beiden Alben vergangen. War diese Pause jetzt nötig oder war es einfach ein Bedürfnis.


Die war leider nötig, denn es war keine wirkliche Pause für uns, wir haben nämlich nahtlos gearbeitet. Was die meisten Leute nicht wirklich sehen; wenn wir ein Album veröffentlichen, sind wir mal gut zwei Jahre auf Tour. Die letzte Platte kam 2010 und wir waren dann bis Mitte 2012 auf Tour. In der Zeit schreiben wir keine Stücke, das machen wir erst wenn wir wieder zu Hause sind. Das Komponieren dauert im Schnitt 1,5 Jahre, das Aufnehmen nochmal mindestens ein halbes Jahr – und schwupp sind vier Jahre um. Zwischendurch hatten wir noch Arbeiten an dem Box-Set (Best Of), was auch Zeit gebraucht hat. Dadurch sind es im Endeffekt fünf Jahre geworden. Aber es ist wirklich nicht so, dass wir nach der Tour sagen, wir machen gar nichts und fahren mal ein halbes Jahr in Urlaub. Es geht eigentlich relativ nahtlos weiter. Das ist halt unser Rhythmus. Wir können es einfach nicht schneller. Wir würden, wenn wir könnten. Das ist unser Weg und wenn wir versuchen würden diesen zu beschleunigen, würde wohl die Qualität leiden und das wollen wir natürlich nicht.




Somit rechnen wir mal mit weiteren vier Jahren zum nächsten Album...


Davon gehe ich mal aus.


Wenn man nun die neuen Alben mit euren Erstwerken vergleicht, dann merkt man sofort, dass hier viel mehr dahinter steckt, mehr passiert. Die Orchestration, die vielen Spuren und Chöre und so weiter. Wie viel anstrengender und herausfordernder ist es heute ein Album zu machen, wenn du es mit den alten vergleichst?


Speziell das Aufnehmen war simpler und ging wesentlich schneller. Früher gab es halt zwei Rhythmusgitarren, ein paart Leads und Solos, Bass, Drums, Gesang und das wars. Die „Battalions Of Fear“ haben wir damals in drei Wochen aufgenommen. Inklusive Mix! Das braucht heute doch etwas länger (lacht). Vom Songwriting ist es natürlich viel aufwendiger. Gerade Sachen mit echtem Orchester. Da musst du auf sehr viel kleine Details achten, damit es nachher homogen klingt. Du kannst nicht nur eine Metal Nummer komponieren und danach ein Orchester drauf klatschen. Du darfst nicht das Gefühl haben, da laufen zwei Sachen einfach parallel oder sogar gegeneinander dahin, das wird nie geil klingen. Diese Details musst du immer im Hinterkopf haben. Wer führt? Die Metalband oder das Orchester und wie verzahnt man das alles?


Weil wir davon reden, dass eben so viel passiert in einem Song... ich erinnere mich an „And Then There Was Silence...", ich weiß nicht wie ihr das empfunden habt, aber da gab es ja diesen Aufschrei: da passiert zu viel, überproduziert, zu viele Spuren und so weiter. Dabei passiert in einem heutigen BG-Song auch nicht viel weniger, wenn nicht sogar mehr.


Ja teilweise wirklich mehr. Die „Night At The Opera“ hat damals polarisiert, was ich auch nachvollziehen kann. Die ist ständig am Peak, die ist anstrengend und es ist keine einfache Musik. Witzigerweise oder interessanterweise, dass viele Leute, die damals gar nichts damit anfangen konnten, es heute als ihr Lieblingsalbum sehen. Man muss sich damit beschäftigen, dann kann man da viel entdecken. Ich verstehe es aber wenn jemand sagt, es ist mir zu viel. Man muss sich darauf einlassen und konzentrieren. Damals wollten wir genau das machen und darum haben wir das auch durchgezogen.




Für mich auch nach wie vor meine Lieblingsplatte von den neueren... Siehst du diesen Song oder sogar das ganze Album wie den ersten großen Schritt in die Richtung die ihr heute macht? So eine Art Umbruch.


Das war auch jeden Fall ein großer Schritt dahin. Ich glaube ohne eine Nummer wie „And Then There Was Silence“ zum Beispiel kein „Sacred Worlds“ oder „Wheel Of Time“ gekommen wären.


Man sieht ja auch, dass ihr die Nummer im Live-Set habt. Kommt wahrscheinlich ebenso gut an wie der Rest?


Ja, definitiv.


Storymäßig geht es ja wieder in Richtung „Imaginations From The Other Side“. Wie kann man sich das vorstellen bzw. wo setzt das an?


Wir haben eigentlich erst mal angefangen an einem neuen Album zu komponieren ohne an eine Story zu denken. Die Idee kam Hansi als wir an dem Best Of-Boxset gearbeitet haben. Da ist ihm aufgefallen, dass er auf der „Imaginations...“ auf drei Songs eine Geschichte erzählte, die er nie zu Ende gebracht hat. Da hatten wir dann die Idee, das man das auf diesem Album mal machen könnte. Die Geschichte ursprünglich handelte von einem Kind, das isoliert in einer Welt lebt und die Chance hatte durch ein Portal in eine Parallelwelt zu kommen. Wir erfahren nun auf dem Album, dass es das nicht gemacht hatte. Es war halt ein Kind und hatte Angst. Jetzt sind 20 Jahre vergangen und die Tatsache, dass er nicht in die andere Welt gewechselt ist, hatte katastrophale Auswirkungen auf beide Welten und macht sich nun auf die Suche nach dem letzten offenen Portal um doch noch in diese Welt zu wechseln.


Es gibt wieder sehr viel Bombast, Chöre mit allem Drum und Dran. Dennoch haben viele behauptet, dass es das härteste und schnellste Album seit langem ist. Quasi ein Schritt zurück. War das bewusst oder eher natürlich?


Das ist etwas ganz natürliches. Diese Härte und Geschwindigkeit gehört einfach zu unseren Wurzeln und das war nie wirklich weg. Du hast auf jeder Platte Songs wie auf der „Opera“ die schnelle „Punishment Divine“. „Twilight Of The Gods“ ist vom Spieltempo eine der schnellsten Nummern die wir je gemacht haben. Egal was wir machen und ob Orchester oder nicht, unsere Wurzeln sind immer irgendwie drin. Wir wollen aber auch eine Dynamik. Zehn Speed Metal-Nummern auf einem Album sind auch langweilig. Du brauchst diese Up and Downs damit es spannend bleibt.




Juckt es euch dennoch manchmal wieder einfach eine einfach, schnelle Nummer zu schreiben oder ist das keine Herausforderung mehr für euch?


Ich sehe es nicht als Herausforderung im eigentlichen Sinne. Die Herausforderung ist einen geilen Song zu schreiben. Der Song muss nicht zwangsläufig zehn Minuten lang sein mit Orchester, Chören und allem. Ein guter Song kann auch ein simpler sein. Es ist ja auch so. Vier Nummern haben Orchester und die anderen nicht. Wir wollten nicht gezwungen Orchester reinballern. „Prophecies“ ist jetzt für mich eine deutlich straightere Nummer im Gegensatz zu „Grand Parade“ oder „Ninth Wave“. Also Ja – es darf auch durchaus simpel sein.


Ihr werdet in den letzten Interviews wohl schon 100 mal danach gefragt worden sein, aber wie sieht es mit dem Orchestral Album aus?


(lacht) Wir sind fast fertig. Komponiert ist im Prinzip alles. Es muss noch ein bisschen was eingespielt werden. Die Idee war, dass nach der Tour Hansi seine Parts fertig einsingt. Es könnte sich jetzt noch auf nächstes Jahr verschieben, weil wir die Shows jetzt auch live aufnehmen und auswerten müssen. Aber wir sind in der Endphase und wollen es definitiv spätestens nächstes Jahr fertig stellen.




Das soll ja in Kooperation mit dem Schriftsteller Markus Heitz (www.mahet.de) bekannt durch „Die Zwerge“, „Uldart“ oder „Die Albae“ entstehen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?


Der Kontakt kam über Hansi. Er hat einige Bücher von ihm gelesen und war Fan von ihm und auch Markus Heitz war Fan von uns und so kam die Idee.


Kann man dazu schon sagen wie das Ganze aussehen wird?


Noch streng geheim.


Was können wir heute erwarten?


Hoffentlich eine geile Show. Wir haben eine schöne Setlist zusammengestellt, denn wir wechseln ja jeden Tag etwas. Ich freue mich auf das Set, denn da sind ein paar meiner Favoriten drinnen. Die Halle ist sehr schön und das Publikum in Wien war immer sehr gut zu uns.


Wie schwer ist es eigentlich aktuelle bombastische Songs wie „Ninth Wave“ oder „Grand Parade“ auf die Bühne zu transportieren, bzw. wie viel Vorarbeit kostet das?


Vorarbeit kostet das schon. Du musst dich intensiv darauf vorbereiten. Wir unterhalten uns immer schon sehr bald über die Setlist. Wir spielen momentan ungefähr 18 Nummern, haben aber 40 geprobt. Jeder muss sich daheim schon vorbereiten bis wir uns als Band treffen können. Es ist schon anspruchsvoll aber nicht unspielbar. Der Aufschrei kam damals mit „And Then There Was Silence“, wo die Leute meinten, dass wir die unmöglich live spielen könnten. Doch können wir ziemlich gut live spielen! (lacht).
Und es ist eingentlich nichts unmöglich. Man muss sich gut vorbereiten, sich konzentrieren und manchmal muss man sogar üben. (lacht).





Dann danke ich dir für deine Zeit. Möchtest du noch etwas sagen?


Ja! Große Botschaft an alle Leute im Publikum: lasst eure scheiß Handys in der Hosentasche! Wir wären sehr dankbar.


www.blind-guardian.com

Autor: maxomer

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Beitrag vom 11.06.2015
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