Interview mit KISSIN´ DYNAMITE - kein Mensch würde Dynamit küssen


Mit "Megalomania" erschließen die einstigen Glam Rocker KISSIN´ DYNAMITE neue Horizonte und hauen mal eben das beste Album ihrer bisherigen Karriere raus. Wie man gleichzeitig größenwahnsinnig und trotzdem verdammt bodenständig sein kann, erklärte uns Gitarrist Ande im unterhaltsamen sowie aufschlußreichen Interview.


Hey Ande, wie läuft denn die Tour bisher?


Sehr gut, kann ich nur sagen. Wir haben heute Konzerttag neun und machen die Tour ja wochenendlastig, sprich immer Donnerstag, Freitag, Samstag und was man umfassend sagen kann ist, dass das Publikum wirklich „Megalomania“ sind. Die sind so textsicher, das Album ist jetzt gut einen Monat draussen und die singen einfach lautstark jeden Titel mit. Lustig auch: In Bochum hatten wir eine Dezibelgrenze von 105bd, die wir als Band auch einhielten, aber das Publikum haben wir mit konstant bei 118db gemessen. Die höchste Peak war bei 136db. Glückwunsch.



Aber das ist cool, wir haben das Gefühl, dass wir jetzt auf einem ganz anderen Level sind wie die Leute es annehmen. Wir hatten uns ja auch im Voraus Gedanken gemacht, ob diese Veränderung, ich sag ja lieber Entwicklung, die wir schon seit Anbeginn durchmachen, angenommen wird. Es hat sich bestätigt – ja. Wir haben auch mit einem Fanverlust gerechnet, dass vielleicht manche sagen: „das sind nicht mehr die KISSIN´ DYNAMITE die wir kennen gelernt haben“ – das war aber überhaupt nicht der Fall. Von daher, für uns perfekt. Besser könnte es nicht laufen.



Ich durfte euch ja kürzlich am Hells Kitchen erleben, weshalb ich den Entschluss gefasst habe hier heute aufzutauchen. Leider war es dort nicht so gut besucht wie erhofft, aber ihr habt die Bude ja ordentlich gerockt.


Das war ja irgendwo in Bayern... (überlegt)


Genau, irgendwo im Nirgendwo...


Ah in Oberwiesenacker war das... in der Nähe von Nürnberg und für uns war es cool. In erster Linie haben wir immer Spaß zu Spielen. Zum Thema nicht so gut besucht, das lag vielleicht daran, wie du erwähnt hast, das war außerhalb irgendwo am Land. Ich hab mich aber nicht weiter mit dem LineUp beschäftigt, ich weiß nur dass BATTLE BEAST Headliner waren, die im Übrigen sehr nett sind. Wir hatten eine richtig gute Aftershowparty zusammen. Der Veranstalter war mit uns auch vollends zufrieden und meinte er würde uns jederzeit wieder buchen, von daher war es für uns alle absolut Ok.




Also wir hatten auch richtig Spaß. Das ist ja jetzt eure erste richtige Headliner-Tour in diesem Ausmaß, liege ich da richtig?


Stimmt nicht ganz, wir hatten 2012 auf der „Money, Sex & Power“ bereits ein Headliner-Deutschland Tour zumindest. Die Steigerung liegt darin, dass es die „Megalomania“ Over Europe Tour 2014 ist.


War es euch also jetzt klar, dass ihr das jetzt als Headliner durchzieht und euch nicht an eine andere Tour hängt?


Naja, was heißt, uns war das klar... wir haben ja eine Booking Agentur und da waren wohl die Resonanzen so, dass da Interesse da ist, auch in Spanien, Frankreich, Holland, Belgien, Österreich und auch kurz in die Schweiz. So ergab sich das von selber.


Zum Album - Mir gefällt es extrem gut und es kommt ja an. Gab es aufgrund der angesprochenen Entwicklung bereits negatives Feedback?


Direktes Feeback bekommen wir aus erster Hand aus unserem Facebook-Account, den wir auch regelmäßig checken. Es ist tatsächlich so, dass vier Bandmitglieder die Seite verwalten. Das liegt uns auch am Herzen. Da fiel das Feedback zu 90% positiv aus. Die fanden das Album „Hammer“, „geiles Teil“, „ihr werdet erwachsen“ - um mal einen kleinen Querschnitt zu nennen. Die restlichen zehn Prozent sagten „Money, Sex & Power“ war besser. Die haben sich jetzt nicht wirklich negativ ausgesprochen, aber denen gefiel das Album einfach besser. Womit wir absolut leben können. Thema Presse: „Megalomania“ wurde ja nicht selten rezensiert. Da kann man eigentlich das Gleiche sagen. Kleine Anekdote dazu: Der Metal Hammer hat unser Album auch rezensiert und uns durch die Bank gelobt, gesagt, es ist ein super Album. Am Ende dann auch nochmal geschrieben: „es gibt über das Album eigentlich nichts schlechtes zu sagen“ oder „es ist nichts auszusetzen“. Wir hatten aber trotzdem wieder vier von sieben Punkten. Das haben wir dann gepostet, weil wir das amüsant finden. Ich habs mehrmals durchgelesen und konnte keinen Kritikpunkt finden. Einzig fehlte es ihnen hier und da an den richtigen Hooks, was aber die besagten 90% wiederum lobten in den Reviews. Den Fans ging es dann ähnlich wie uns und haben dann echt 100 Kommentare geschrieben mit viel Unglauben.

Aber 4 von 7 ist ja nicht schlecht, gutes Mittelmaß, aber das Kroteske, warum ich das erwähne ist, dass sie das Album loben und nichts dran auszusetzen haben und trotzdem nicht mehr Punkte geben. Ein paar böse Zungen haben das dann so kommentiert: „da ist halt zu wenig Geld geflossen“, was ich hier offen stehen lassen will.





Wie seit ihr auf den Titel „Megalomania“ gekommen?


“Megalomania“ heißt „Größenwahn“. Es gab einen Tag im Sommer 2013, an dem sich die ganze Band getroffen hat. Wir sind alle sehr gut befreundet, aber wir sehen uns nicht jeden Tag, wir sind alle verstreut in Baden-Württemberg, das heißt wir sehen uns tatsächlich gößtenteils zu den Konzerten. Da haben wir uns unabhängig mal verabredet, um über die Band zu reden. Über das was war und das was sein wird im Hinblick auf das neue Album. Wir hatten schon acht Songs save. Wir haben uns da analysiert und kritisch hinterfragt. Wo stehen wir, wer sind wir und wo wollen wir hin und was wollen wir sein? Wir sind dann zu dem Schluss gekommen, dass die optimale Entwicklung für uns wäre, das was wir sind zu forcieren – nämlich größenwahnsinnig auf eine gewisse Art und Weise. Ich würde jetzt aber selber sagen nicht auf eine unsympathische Weise, weil wir auch immer den nötigen Witz dabei sehen. Da haben wir auch über den Titel gegrübelt und sind auch nicht darauf gekommen, sondern ein paar Tage später als die Frage kam, wie wäre es denn das Album einfach so zu nennen, was es tatsächlich ist: nämlich Größenwahnsinn. Was wir cool dran fanden ist, dass „Megalomania“ nicht immer sofort mit Größenwahn verbunden ist, da es kein gebräuchliches Wort ist. Es hat eine Bedeutung und könnte trotzdem ein Fantasiewort sein.


Es klingt auch sehr stark. War das der Grund warum das Artwork eher schlicht ausgefallen ist?


Absolut. Da konnten wir eine professionelle Artwork-Zeichnerin verpflichten. Es wurde oft kritisiert, dass KISSIN´ DYNAMITE sich immer selber abbildet. Im Metal haben alle immer aufwendige Zeichnungen oder Grafiken und sich jedenfalls nicht selber abbilden wie ne Pop-Gruppe. Wir haben gesagt, wir probieren das mal, wenn die Leute das wollen. Der Entwurf war eine Statue in einem ganz fantastischem Land mit halbem Sonnenaufgang mit Bergen, Wasser und allem drum herum, was „Megalomania“ symbolisieren sollte. Sah cool aus, aber das wars für uns nicht. Es hat nicht Klick gemacht. So dass wir echt in letzter Sekunde zum Abgabetermin des Artworks nochmal die Notbremse gezogen. Was wäre, wenn wir den neuen Schriftzug einfach fett in Szene setzen... golden, weil Gold ist einfach dekadent. Das hat dann der Grafiker unserer Plattenfirma gemacht, was wesentlich günstiger war, aber das Geld für die Künstlerin mussten wir trotzdem bezahlen. Interessant, dass es letzten Endes so geworden ist, aber so gehts halt manchmal und wir sind jetzt glücklich damit.


Wie geplant war also dieser musikalische Umbruch, bzw. wie viel davon lief natürlich ab.


Wie gesagt, es gab diesen einen Termin. Der springende Punkt war, dass wir uns von dieser Glam und Sleaze Fraktion verabschieden wollen. Aus dem Grund, weil es vorkam, dass Leute nicht so wussten, ob es Fisch oder Fleisch ist. Also ist es Comedy wie bei STEEL PANTHER, die auch offen und ehrlich dazu stehen und eigentlich ein Comdey-Act und keine klassische Band ist. Oder sind wir eine Credible Hard Rock Band und dementsprechend wurden auch die Outfits angepasst. Da hat sich dieser Gedanke durchgezogen. Wir wollen KISSIN´ DYNAMITE den letzten Stempel mitgeben und uns in die richtige Richtung fokussieren und forcieren. Wir haben uns einfach treiben lassen und uns nicht in eine Sparte drängen lassen. Es ist im Endeffekt das Produkt dessen, was man sowieso hätte mehr hätte verhinden können.




Du hast es selbst vorhin auch schon erwähnt und man hört bzw. liest es in Kombination mit KISSIN´ DYNAMITE immer wieder – wie geht ihr mit dem Begriff „Erwachsenwerden“ um?


Wir gehen absolut cool damit um. Es ist kein Geheimnis, dass wir alle jung sind. Ich bin 23 wie drei andere Mitglieder, mein Bruder Hannes ist 22. Wir haben ja recht jung angefangen. Unser Debüt ist 2008 erschienen, da waren wir alle 16 Jahre alt. Wir haben mit 15 unseren ersten Plattenvertrag bei EMI unterschrieben und davor auch schon drei Jahre vorher Live-Musik gemacht. 2002 haben mein Bruder und ich die Band als Cover-Rock und Instrumental-Blues Band gegründet. Von daher denke ich, ist es absolut legitim, dass man KD eine gewisse Entwicklung von Album zu Album unterstellt, weil sich die einzelnen Mitglieder auch entwickelt haben. Du wirst mir recht geben, dass man in Teenager-Jahren von heute auf morgen über Sachen komplett anders sehen kann. Das spiegelt sich auch in deinem kreativen Ventil, also in deiner Musik wieder. Von daher absolut legitim. Und ich denke, dass es die Fans auch begreifen, dass eine junge Band quasi erwachsen geworden ist und dementsprechend die Musik erwachsener klingt.


Wie du sagtest habt ihr extrem jung angefangen – damals noch als BLUES KIDS. Dass der Name zu limitierend war und somit irgendwann ein neuer Name her musste war klar, aber wie kam KISSIN´ DYNAMITE zustande?


Wir haben uns da echt verkopft. Da gab es Meetings in Hamburg bei der EMI in großen Besprechungsräumen mit Manager – Platten A&Rs die komplette Band, Produzenten und alle beisammen saßen. Damals traten wir als BLUES KIDS feat. MET FLESH auf, da die Band aus zwei Bands fusionierte. Das waren hitzige, laute und emotionale Diskussionen, die letztlich zu keinem Ergebnis geführt haben. Irgendwann saßen wir alle da mit rauchenden Köpfen und verschränkten Armen und dann klingelte ein Handy. Diese typische Kirchenatmosphäre – wenn alles still ist und es mach "biipiipiiipiip". Nur in diesem Fall hats nicht geklingelt, sondern da kam „Kissin Dynamite“ von AC/DC – ein relativ unbekannter Titel auf „Blow Up Your Video“ – vom Handy unseres Drummers Andi Schnitzer. Seines Zeichens einer der größten AC/DC Fans. Wenn man ihm zuhört dann hat alles mit AC/DC begonnen und seiner Meinung nach wird auch alles mit AC/DC enden. Also wirklich ein Fan vor dem Herren. Dann kam dieser Titel und wir mussten alle lachen. Nachdem man sich irgendwie angeschrien hat und da klingelt das Handy und unterbricht diese depressive Stimmung. In der nächsten Phase haben alle mit dem Kopf genickt – hey das ist ne geile Nummer. Dann kam der Refrain und wir sagten – „Kissin´ Dynamite, wär das echt so scheiße?“



Und es hat gepasst. Diese Aussage Dynamit zu küssen ist provokant, denn es ist gefährlich. Kein Mensch würde Dynamit küssen, denn es könnte ja explodieren. Dann kannst die das Gesamgefüge trennen. Kissin für die sanfte Seite der Band mit den Balladen und dann die Auf-die-Fresse Seite mit Dynamite.



Coole Story – Apropos Story, jetzt wo wir eh schon etwas überzogen haben, komme ich zur letzten Frage und bitte dich um eine lustige oder unschöne Tourstory...


Puh, also wenn ich da jetzt anfangen müsste, würden wir nächste Woche noch da sitzen, da wir schon wirklich viel unterwegs waren. Lustige Situationen erleben wir jeden Tag... Kompakt wäre es, wenn ich eine Story erzähle, die lustig und traurig zugleich ist. Da gab es eine Story in Falun, Schweden, als wir auf dem SABATON-Festival Rockstad Falun spielten. Am nächsten Tag hatten wir wie üblich so ein Sheet mit Uhrzeiten mit Abfahren usw. Da war die Abfahrt ziemlich früh angesetzt, damit wir zum Flughafen kommen. Um 8 Uhr standen alle abfahrbereit da und unser Drummer fehlte. Jomi, unser Tourmanager hat ihn angerufen und ran ging ein völlig verwirrter Andi, der nicht mehr raus gefunden hat. Ich muss erwähnen dass wir eine gute Aftershowparty hatten und nur eine Stunde geschlafen haben oder so. Und er meinte, er kommt nicht raus aus diesem Labyrinth, dabei war es ein ganz normales Hotel. Jomi hat dann versucht ihn zum Ausgang zu navigieren, was dann daran scheiterte, dass er in einem oberen Stockwerk war und Jomi das nicht wusste, bzw. dachte er im Erdgeschoss ist. Oben kannst du jetzt nicht raus und Andi hat das in seinem Zustand nicht gecheckt. Es hat natürlich dann alles funktioniert und haben uns, als wir das Gespräch mitbekommen haben, nicht mehr eingekriegt vor lauter Lachen. Das war lustig aber natürlich auch irgendwie traurig.




Noch ein paar letzte Worte?


Ja, absolut. Speziell an die Musiker möchte ich ein Wort richten. An diese jungen Musiker und Bands möchte ich richten: macht euch einen Plan. Das ist ganz entscheidend. Es gibt nichts Schlimmeres als planlos an eine Geschichte ran zu gehen. Das zieht sich auch durchs ganze Leben. Klar es ist cool, der Traum vom Rockstar. Man muss es aber realistisch sehen und als das was es ist – harte Arbeit. In diesem Zuge geht mein zweites Wort an die Fans, die müssen das auch verstehen. Musik ist nichts, was da und frei verfügbar ist und sich einfach illegal downloaden kann. Hinter dem was man drei oder auch 15 Minuten lang hört, steckt Arbeit und vor allem Menschen, die hart daran gearbeitet haben und sich Gedanken gemacht haben, wie das zu klingen hat und dann im Studio viel Schweiß und Blut fließen lassen haben. So ein Songwirting Prozess ist kein einfacher. Du hast verschiedene Menschen, die unterschiedlich denken und interagieren und möglicherweise streiten. Was man in drei Minuten hört dauert nicht selten eine Woche oder länger. Die Fans sollten da mal etwas den Weitblick entwickeln und sehen, dass eine Band wie wir, die vor einem fast ausverkauften Hause im Backstage spielen, das war harte Arbeit und das ist uns nur möglich, weil Fans die Platten kaufen. Kaufen Fans die Platten nicht, bist du nicht interessant für ne Plattenfirma oder Booker, ergo du wirst keine Platten mehr rausbringen können oder live spielen.




Dann vielen Dank für die Worte und viel Spaß auf der Bühne sowie viel Erfolg mit dem starken „Megalomania“!

www.kissin-dynamite.de

Autor: maxomer

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Beitrag vom 02.11.2014
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