Interview mit END OF GREEN - Wenn wir alle etwas durchwinken, wird’s schon nicht so scheiße sein


Tod, Einsamkeit und Depressionen sind eigentlich Themen, die uns eher im Spätherbst oder Winter heimsuchen, trotzdem haben END OF GREEN schon mal vorgegriffen und im August ihr mittlerweile achtes Studioalbum "The Painstream" veröffentlicht. Gitarrist der Band, Sad Sir, hat uns kompromisslos erzählt, wie es diesmal im Studio war, warum Tourneen für sie immer noch wie Ferienlager sind und dass man bei END OF GREEN keine Scheiße durchwinkt.


Gratulation zum neuen Album!

Dankeschön!


Die Veröffentlichung von eurem neuen Album „The Painstream“ liegt jetzt über einen Monat zurück und hat euch wieder eine Chart-Platzierung beschert. Habt ihr euch das zu hoffen getraut oder vielleicht sogar erwartet?


Gehofft natürlich, obwohl es ehrlich gesagt ja nie etwas über die wirkliche Qualität einer Platte aussagt, wie hoch sie denn in den Charts eingestiegen ist. Platz 13 in den deutschen LP Charts war dann aber doch sehr überwältigend. Konzeptkunst! (lacht)




Wie lange liegen die Aufnahmen zurück und gab es diesmal Unterschiede beim Studioalltag zu den letzten Alben?


Wir haben die Platte im April/Mai in München aufgenommen. Der Studioalltag war alleine schon aufgrund der Tatsache komplett anders, dass das Weltraumstudio umgezogen ist. Neue Räume, neue Technik und ein paar neue Feldbetten. Ansonsten gehen wir Plattenaufnahmen gerne so frisch und frei wie nur eben möglich an. Viel Musik, viel Miteinander, gerne auch mal gemeinsam Essen oder Blödsinn machen. Wie im Ferienlager (lacht).



Wie kann man sich das Songwriting bei euch vorstellen? Muss man in einer bestimmten Gemütslage sein, um über Tod, Schmerz und Einsamkeit zu schreiben und solch melancholische Melodien zu finden, oder sitzt man da vorher noch mit Freunden lustig auf ein Bier, geht nach Hause und schüttelt solche Texte und Riffs aus dem Ärmel?


Ich denke ein Großteil unserer Lieder, Melodien oder Texte „passieren“ wenn wir gerade nicht mit Freunden zusammensitzen, lachen oder Spaß haben. Das liegt in der Natur der Dinge. Es sind eher die Momente, in denen du alleine bist und dir – vielleicht auch völlig unnötig – den Kopf über irgendwas zerbrichst.



Fällt es euch immer leicht, die Songs auszuwählen, die dann im Endeffekt auf dem Album landen werden?


Ich zucke immer wieder zusammen, wenn Bands erzählen, dass sie 30 Stücke aufgenommen haben, von denen zwölf dann auf das Album kommen (lacht). Ich denke bei uns ist relativ schnell klar, ob eine Songidee absoluter Mist oder gut ist. Da müssen wir es nicht erst im Studio aufnehmen und es dann wegwerfen. Wir funktionieren zusammen ganz gut als unser eigenes erstes Korrektiv. Wenn wir alle etwas „durchwinken“, dann wird’s schon nicht so scheiße sein (lacht).



Ihr seid eurem Stil ja von Anfang an treu. Ein END OF GREEN-Song ist immer als solcher erkennbar. Schon einmal überlegt, etwas anderes auszuprobieren oder habt ihr die Befürchtung eure Fans zu vergraulen?


Überhaupt nicht, wieso? Wir machen seit jeher, was wir wollen. Wir genießen mittlerweile eine sehr komfortable Narrenfreiheit, wir wären dumm, dies nicht auch zu nutzen. „Death Of The Weakender“ ist fast Blues, „De(ad)generation“ ist hemmungslose Popmusik und wenn wir Lust auf Eighties-Rock haben, dann kann auch so etwas wie „Miss Misery“ dabei herauskommen – ich sehe das als ein große Glück für uns. Ich gehe aber auch davon aus, dass jedes Lied, das wir fünf in den Fingern hatten, am Ende nach END OF GREEN klingt.



Ihr habt euch für das Artwork von „The Painstream“ wie schon bei anderen Alben von euch auch wieder für ein weibliches Gesicht entschieden. Was wollt ihr damit ausdrücken? Gibt es einen Zusammenhang mit dem Titel des Albums?


Ich bin mir nicht mal sicher, ob das wirklich ein weibliches Gesicht ist. Auch das macht den Reiz des Covers aus. Es gibt aber keinen wirklichen Zusammenhang zwischen Cover und Titel. Das alles soll zusammen mit den Liedern ein Gefühl erzeugen.




Ihr habt als Single den Song „De(ad)generation“ ausgewählt und ein doch etwas verstörendes Video dazu gedreht. Was könnt ihr darüber erzählen? Woher kam die Idee dazu?


„De(ad)generation“ ist sicherlich unser poppigstes Lied und das wollten wir auch genau so. Ein schönes Lied, in dem prinzipiell über hässliche Dinge gesungen wird. Das Video sollte genau das noch unterstreichen. Wir fanden es auch ziemlich gut, dass Regisseur Arne Totz mit unserer Musik beinahe prinzipiell gar nix anfangen konnte.



Habt ihr schon eine gewisse Routine im Touralltag bzw. gibt es Situationen oder Sachen an die ihr euch nie gewöhnen werdet?


Grobes Toilettenpapier (lacht). Es gibt gewisse Routinen, sicherlich – aber das Schöne am Touren ist, dass sie fast nie so eintreffen wie gedacht. Es passiert immer etwas, dass niemand erwartet hätte. Mal ist es ein Stromausfall, mal eine stundenlange Autobahnvollsperrung und nur eine „Supernasen“-DVD im Bus. Langweilig wird das nie. Das Beste an jedem Tourtag werden aber immer die zwei Stunden auf der Bühne sein. Darum geht es letztendlich, mehr zählt eigentlich auch nicht.




Seid ihr mittlerweile schon die „braven“ professionellen Musiker, die nach dem Konzert gleich schlafen gehen um für den nächsten Tag fit zu sein, oder macht ihr die „betourten“ Städte unsicher?


Das entscheidet alleine die Tagesform, beziehungsweise die Lust (lacht). Ich für meinen Teil bin wahrscheinlich der Nachtaktivste von uns – ich gehe gerne in Clubs oder Bars. Allerdings bin ich auch der festen Überzeugung, dass Musiker nach ihren Konzerten so kaputt und ausgelaugt sein sollten, dass an Nightlife gar nicht mehr zu denken ist. Zudem halte ich es für eine schlechte Charaktereigenschaft, sich derart wegzuballern, dass man am nächsten Tag nur mit Hängen und Würgen ein Konzert übersteht. Da stehen Leute, die Eintritt bezahlt haben. Und zwar für eine Band, die jeden im Umkreis von zwölf Kilometern in den Arsch tritt, nicht für einen verkaterten Alkoholiker. Deswegen: immer schön mit den Kräften haushalten und ab und an auch mal ein Wasser trinken. Das ist die Weisheit des Alters (lacht).



Wie sieht’s aus mit witzigen Tour-Begebenheiten? Da hat sich doch sicher über die Jahre einiges zugetragen? Was ist euch besonders hängen geblieben?


Zu Vieles (lacht). Das fängt an bei Leuten, die Autogramme auf selbstgebrannte CDs wollen, welche die „Greeennnn Daayyy!“ rufen und hört bei Schneestürmen, Stromausfall oder Polizeikontrollen längst nicht auf. Es ist der Luxus einer Band, manchmal sehr viele Eindrücke sammeln zu dürfen. Aber letztendlich freut es mich am meisten, dass wir uns über all’ die Jahre diese Schullandheim-Attitüde erhalten konnten. Es macht einfach Spaß, wenn wir neun Idioten unterwegs sind (lacht).



Habt ihr Tourpläne außerhalb von Deutschland?


Definitiv.



Gibt es eine Stadt, wo ihr euch am wohlsten fühlt wenn ihr dort auftretet oder mit der ihr besondere Erinnerungen verbindet?


Stuttgart ist natürlich immer etwas Besonderes – Heimat und so. Ansonsten sind es oftmals die Konzerte, bei denen du gar keine Erwartungen hattest, die letztendlich am meisten flashen. Im Ruhrgebiet gefällt es mir auch immer sehr gut. Die Leute dort singen immer sehr laut. Das ist schön. Ansonsten ärgere ich mich eher, dass wir manchmal kaum Zeit haben, uns die Städte richtig anzusehen, in denen wir spielen. Vor jedem Berlin-Konzert nehme ich mir vor, dieses Mal wirklich ins Ramones-Museum zu gehen. .... und dann haut’s wieder nicht hin.





Gab es ein Ereignis in der Bandgeschichte, das ihr als besonders mutigen Schritt von euch empfunden habt?


Nein, eigentlich nicht. Zumal „mutig“ manchmal ja auch nur einen Katzensprung von „dumm“ entfernt ist – je nach Blickwinkel (lacht). Wir entscheiden meistens aus dem Bauch heraus und ich denke, wir sind bislang immer ganz gut damit gefahren. Im Kern sind wir eine Rock’n’Roll-Band, durchaus kauzig und manchmal kompromisslos.



Zu guter Letzt – Is there anything left to say? 


Na, klar: Dankeschön!

www.endofgreen.de

Autor: Catrine

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Beitrag vom 23.10.2013
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