Interview mit SUNDOWNING - keine (Genre)Grenzen


Die Sludge/Ambient Metaller SUNDOWNING haben mit "Seizures Of The World" ihre erste LP auf dem Markt. Grund genug um mit Sänger und Gitarrist Christoph von der Band über die Entstehung der Platte und weitere Bandrelevanten Themen zu reden.


Moin Christoph! Die erste LP liegt seit einigen Tagen auf den Plattentellern Eurer Fans und die Fäuste setzen der Zimmer- und Auto-Luft zu. Wie fühlt es sich an, das Leben anderer, Euch bis dato sogar völlig unbekannter Anhänger in diesem Maße auszufüllen? Laut den Rückmeldungen auf euren Web-Präsenzen scheint ja der LP-Einstand den Nerv vieler Hörer zu treffen...


Hallo Micha! Vielen Dank erstmal für das Interview!
Natürlich ist das ein großartiges Gefühl! Zwischen dem Beginn der Arbeiten an der LP und der Veröffentlichung um 28.09. liegen fast 1 ½ Jahre, was eigentlich eine ziemlich lange Zeit ist und da kommt man oft ins Grübeln, ob das Material gut genug ist und fragt sich laufend wie die Songs wohl ankommen werden. Da fühlt es sich schon sehr gut an, wenn die LP den Leuten zu gefallen scheint!





Kehren wir für einen Moment zum Ursprung aller Veröffentlichungen unter dem Namen von SUNDOWNING zurück: Eure Zufriedenheit mit dem jeweiligen Inhalt. Wie geht ihr als Band an neue Ideen heran, inwieweit hat sich dieser Songwriting-Prozess im Laufe der Jahre geändert? Besteht ein absolut freier Meinungsaustausch, in der jedes Mitglied seinen Teil oder pfuscht ihr Euch nicht gegenseitig in Eure Kreativität rein, weil ihr lieber klare Aufgabeneinteilungen wahrnehmt? Wie hat sich dieses Prozedere während den Arbeiten zu "Seizures Of The World" - abgesehen vom nun hörbaren Ergebnis - bewährt?


Ich glaube die Grundstrukturen des Songwritings haben sich soweit nicht geändert. In der Regel kommen Pascal oder ich mit Ideen in den Proberaum und dann nimmt das Ganze seinen Lauf. Natürlich darf jeder seinen Senf dazugeben und wenn etwas nicht dem Kollektiv zusagt, wird es verworfen. Schließlich soll jeder mit dem Resultat zufrieden sein. Klar, Kompromisse werden eingegangen und insoweit vertrauen wir uns da auch untereinander, sodass am Ende doch etwas Gutes entsteht.

Bei den Arbeiten zu „Seizures of the World“ bewährte sich dieses Prinzip recht gut! Wir haben erstaunlich wenig Material verworfen. Das ein oder andere Riff landete in der Tonne aber insgesamt gab es wenig Ausschuss.




Inwieweit kann die Bezeichnung "Downtempo Hardcore", deren Verwendung bei vielen Beschreibungen eurer Platten vorzufinden ist, tatsächlich auf Eure Musik umgemünzt werden? Sehr ihr Euch als weiterer Vertreter eines stetig wachsenden Musikrichtung oder agiert fernab derartiger Verbalketten? Sind für SUNDOWNING gewisse stilistische Grenzen oder kämen für die nächste Platte theoretisch auch artverwandte Aggression - vielleicht sogar etwas mehr Black Metal, wie er am tremololastigen Ende von "Heartless" durchleuchtet - in Frage?


Wir haben unseren Sound in den letzten Jahren mehr und mehr geformt und bewegen uns natürlich hauptsächlich im Mid-/Downtempo Bereich. Die Bezeichnung „Downtempo Hardcore“ schlich sich mit der Zeit so ein. Ob das nun wirklich Hardcore ist oder schon Metal, kann ich selber nicht sagen und grenzt dann ja irgendwie auch schon an Fachidiotie. Ich glaube, entscheidend ist, dass wir alle aus einem Hardcore-Background kommen und den auch noch immer haben und uns damit identifizieren können.

Grundsätzlich setzen wir uns aber keine Genregrenzen. Oberste Prämisse ist, dass das am Ende auch alles stimmig klingt. Ich persönlich höre viele Bands aus dieser neuen Welle von Black Metal wie WOLVES IN THE THONEROOM, LITURGY, FELL VOICES oder ASH BORER und wenn uns danach ist, kann es durchaus sein, dass vielleicht die nächsten Songs mehr wie HEARTLESS klingen. Erzwungen wird da allerdings nichts von uns.




Es schockiert mich, wie professionell, aufeinander eingestimmt und dennoch unwahrscheinlich intensiv ihr auf Eure Hörerschaft herunterregnet. Ich bin auch dankbar dafür, dass ihr allerlei stupides Zeug, vor allem aber bescheuerte Breakdowns bewusst außen vor gelassen habt. Wie aufreibend, zugleich aber auch seelenreinigend verlief denn das Songwriting zur LP? Gab es konkrete Reibungspunkte oder gar kreative Sackgassen, aus denen ihr erst herausfinden musstet? An welchen Stücken habt Ihr länger gesessen, als Euch lieb gewesen wäre?


Das Songwriting bei uns verläuft sehr impulsiv und wenig erzwungen. Das kostet natürlich Zeit aber lässt das Ganze auch wesentlich natürlicher wirken. Keiner von uns setzt sich zu Hause mit dem Anspruch einen Song zu schreiben hin und schreibt diesen dann auch.

Aus diesem Grund haben wir uns auch keine Deadline gesetzt sondern den Studiotermin erst gebucht, als nur noch Feinschliff betrieben werden musste. Von kreativen Sackgassen fällt es mir also schwer zu sprechen, da es für uns völlig normal ist, wenn mal ein Monat gar nichts mit den Songs passiert. Da sollte man sich auch einfach keinen Druck machen. Ich gerate da persönlich eher in Selbstzweifel und frage mich, ob das Material noch überzeugt.
Ich glaube „Shimmering Tides/Wilderness Life“ zählte definitiv zu den arbeitsintensiveren Songs, da wir zum ersten Mal wirklich zwei verschiedene Gitarrenspuren ausarbeiten wollten und das so gesehen Neuland für uns war.





Bei meinem ersten Kontakt mit "Seizures Of The World" dachte ich zuerst an eine amerikanische Combo, da derartig einstürzende Apokalpytik-Nummern derzeit eben aus Übersee zu uns herüber schwappen. Für meinen Geschmack [und nach eingehendem Studium Eures Backkataloges] fallen diese im Hintergrund lauernden Referenzen jedoch nacheinander um. Wie vermeidet Ihr potenziell überdeutliche Einflüsse? Spielt Selbstkritik in diesem Zusammenhang eine große Rolle? Wie schwierig ist es, halbwegs vernünftig klingende Stücke zu schreiben, ohne dabei auf einfache, seit jeher effektive Arrangements zurück zu greifen?



Wir haben alle unsere Einflüsse und es passiert nicht selten, dass man mit einer Idee in den Proberaum kommt und plötzlich sagen Dir drei Leute, dass es 1:1 wie Song XY klingt! Sowas landet dann zurecht in der Tonne. Das kann zwar frustrierend sein aber gehört dazu! Es bringt doch dann auch nichts diese Elemente auf Biegen und Brechen doch in die Songs zu quetschen. Auf der anderen Seite zwingen wir uns aber auch nicht das Rad neu zu erfinden! Es gibt doch immer wieder diese Bands, die Dir erzählen wollen wie krass nun ihr Songwriting von der Norm abweicht und wie neu ihr Sound doch ist und dann hörst Du dir die Songs an und trotzdem berührt Dich nichts davon. Es spricht absolut nichts dagegen auf bewährte Elemente zurückzugreifen solange man ihnen eine gewisse eigene Note verleiht.


Wie sehr halten sich Euer Drang nach neuem Material und die Aufnahme sowie Veröffentlichung bereits fertiger Songs die Waage? Müsst Ihr derzeit reihenweise Demo-Bänder beziehungsweise wav-Dateien stapeln, weil das Budget für Studio-Spielereien einfach nicht ausreicht, um alles unter einen Hut zu bringen? Konkret: Wie viele Beiträge blieben von den Sessions zur ersten LP übrig beziehungsweise waren für selbige angedacht, konnten aber nicht rechtzeitig in ihre finale Form gegossen werden?



Um ehrlich zu sein, blieb keinerlei B-Seite, Demo, etc. von den Aufnahmen bzw. dem Songwriting-Prozess über. Ich kann gar nicht so genau festmachen, woran das liegt. Vielleicht weil wir die Songs, wie bereits erwähnt, sehr impulsiv und aus der Laune heraus schreiben und nicht, weil eben ein Song geschrieben werden muss. Das führt eigentlich automatisch dazu, dass am Ende wenig bis keine Überschussware vorhanden ist.



"Musik zu kreieren ist nur ein Kreislauf, in dem man gefangen ist, wie man es in eigentlich jeder anderen Hinsicht auch ist" - würdest Du mit diesem Statement, das in einem Interview mit einem Death-Metal-Gitarristen fiel, d'accord gehen? Inwieweit trifft dieser Sager auf den Schaffensprozess zu "Seizures Of The World" [nicht] zu?


Ich musste ein wenig über diese Frage nachdenken, aber ich glaube, dieses Zitat trifft es durchaus! In den ersten 1 bis 2 Jahren war alles noch ziemlich neu und aufregend! Wir haben die ersten Songs geschrieben, waren das erste Mal im Studio und das erste Mal auf Tour. Diese Erfahrungen hatten wir bis dato auch nicht mit anderen Bands gemacht.

Das ist zwar nun alles mittlerweile nicht minder aufregend aber irgendwie ist es schon ein Kreislauf. Man schreibt eine Platte und überlegt sich während den Aufnahmen schon wie die Nächste klingen könnte oder man kommt gerade von einer Tour nach Hause und macht sich Gedanken, wo man denn das nächste Mal touren könnte.

Man probiert sich lediglich von Mal zu Mal zu steigern und sich selber zu übertreffen und das wiederholt sich eigentlich im regelmäßigen Abstand.




Inwiefern haben Eure fertigen Kompositionen noch etwas mit der ursprünglichen Idee zu tun? Wenn man ewig schraubt und bastelt, kommt es da vor, dass man es mitunter übertreibt? Wie stellt ihr daher sicher, dass der rote Faden nicht verloren geht? Wie würden SUNDOWNING klingen, wenn ihr euch für ein Stück nur einen Nachmittag Zeit nehmen würdet?



Interessanterweise klingen unsere aktuellen Songs mehr als alles andere davor nach der ursprünglichen Idee hinter SUNDOWNING. Wir gründeten uns 2009 mit dem Gedanken so einen Sound zu machen, drifteten aber auf dem Demo dann in diesen etwas thrashigen Sound ab, der eher nach Bands wie „Rise & Fall“, „Cursed“ oder vielleicht auch „Converge“ klang.

Da sind wir mittlerweile wesentlich näher an der ursprünglichen Soundidee.
Ich habe keine Ahnung wie ein Song klingen würde, den wir auf die Schnelle schreiben. Wahrscheinlich bei weitem nicht so ausgereift und natürlich wie das aktuelle Material. Die Songs reifen eigentlich immer ziemlich lange bei uns. Da kann es mal passieren, dass ein Song seit 1 bis 2 Monaten vermeintlich fertig ist und plötzlich entscheiden wir uns dann doch noch ein paar Akzente, ein Riff oder gar mehr zu ändern. Häufig muss man einen Song doch erst ein dutzend Mal oder sogar öfter hören, um wirklich festzustellen, was an ihm nun gut ist und was nicht.



In welcher musikalischer beziehungsweise textlicher Hinsicht habt ihr einen markanten Sprung von "Of Aging Stones And Rotting Leaves" hinlegen können? Worauf lag Euer ganzes Augen- und Ohrenmerk beim Entstehen der neuen Songs und was könnt ihr von den Aufnahmen zu "Seizures Of The World" mitnehmen, das höchstwahrscheinlich in den nächsten Langspieler einfließen wird?


Musikalisch betrachtet ging „Of Aging Stones and Rotting Leaves“ bereits im wesentlichen in die Richtung, die auch „Seizures of the World“ einschlägt. Die Veränderungen liegen also eher im Detail. Während bei unserer 7inch noch Soundfindung im Mittelpunkt stand, konnten wir nun das Songwriting weiter entwickeln. Die Songs auf „Seizures of the World“ klingen eher wie aus einem Guss und das Songwriting ist weitaus flüssiger!
Lyrisch handelt es sich bei „Seizures of the World“ wie auch schon bei „Of Aging Stones and Rotting Leaves“ um ein konzeptionelles Album, wobei die 7inch auf die naturzerstörerischen Absichten des Menschen abzielten. „Seizures of the World“ hingegen handelt eher von einer allgegenwärtigen Macht, die auf das Individuum einwirkt. Man kann sich diesen Kräften in keinster Weise komplett entziehen. Seien es nun staatliche Repressionen, gesellschaftliche Normen oder systemgebundene Kriterien. In letzter Konsequenz kann sich doch niemand davon frei sprechen.




Wie habt ihr euch gegenseitig während den Aufnahmen zum ersten Album erlebt? Schwebte eine gewisse Vorfreude in der Luft? Wenn Du willst, kannst Du einen kurzen Einblick in die Sessions gewähren und diese mit erwähnenswerten Anekdoten ausschmücken!



Das war schon noch mal ein Schritt für uns und natürlich war das alles aufregend, auch wenn wir durchaus wussten was uns erwartete. Schließlich haben wir unser Demo bereits in den Level3Entertainment Studios aufgenommen und auch dieses Mal herrschte wieder eine super angenehme Arbeitsatmosphäre. Gerade auch weil wir alle Dominik, dem das Studio gehört, auch privat ein wenig kennen und es nicht selten vorkam, dass man mal eine halbe Stunde nur rumsaß und über irgendeinen Quatsch geredet hat.

Häufig waren aber auch gar nicht alle vor Ort. Ich habe, glaube ich, vielleicht 1 Stunde von den Gitarrenaufnahmen von Pascal mitbekommen. Das macht durchaus Sinn um einen Lagerkoller zu vermeiden! Erwähnenswert bleibt vielleicht noch die Tatsache, dass „Heartless“ eigentlich der allererste Song war, der unter dem Namen SUNDOWNING entstanden. Ich hatte den Song Anfang 2009 mit einem Freund geschrieben und als Demo aufgenommen, um Leute für die Band zu finden.

Der Song verschwand dann erstmal wieder aufgrund der zwei Gitarrenspuren in der Versenkung, jedoch wollte ich ihn unbedingt noch mal aufarbeiten und so kam es dann auch eigentlich, dass ich nun mittlerweile die zweite Gitarre spiele und der Song auf dem Album ist.



Welches der sechs Stücke eignet sich Deiner Meinung nach am besten, um die derzeitige Essenz SUNDOWNINGs auf den Punkt zu bringen und in weiterer Folge als Vorlage für ein Video zu dienen?



Ich glaube am repräsentativsten für die LP ist auch zugleich der Titeltrack. Zunächst einmal bringt er musikalisch all das auf den Punkt, was unseren Sound im Moment ausmacht und auch lyrisch bildet er das Herzstück der LP.

Ich stelle mir nur gerade selber die Frage wie wohl ein Video zu diesem Song aussehen würde. Storylastige Musikvideos können immer schnell peinlich wirken und ein weiteres Performance-Video wäre ja nun auch nur Reproduktion vom „Heartless“ Video.




Wo kann man bei euch vorstellig werden, um ein Exemplar der neuen Scheibe abzugreifen? Käme für Euch auch eine kleine CD-Auflage in Frage?


Also über www.sundowning.bigcartel.com bekommt man sowohl die LP, als auch alles andere von uns. Über www.sundowning.bandcamp.com kann man sich die neue Scheibe auch digital laden. Das Demo und unsere 7inch kann man da auch kostenlos laden. Ansonsten sollte die LP auch in allen gängigen Distros zu finden sein, wenn jemand lieber Sammelbestellungen macht.

Über eine CD-Auflage haben wir noch gar nicht so recht nachgedacht. Uns war es erstmal wichtig die Songs auf Vinyl zu veröffentlichen. Ehrlich gesagt weiß ich auch gar nicht, ob da so eine große Nachfrage bestünde. Vinyl ist ja schon ein gängiges Format in dem Genre, wo wir uns bewegen und wer keine Abspielmöglichkeit besitzt, kann sich das Album ja für kleines Geld auch downloaden.




Genug der dummen Fragen. Danke für Deine Zeit und alles Gute für die Zukunft! Der guten Ordnung halber sei uns noch ein kleiner Blick in Deine derzeitige Playlist gewährt. Welche Platten blasen Dir derzeit die Frisur vom Kopf?


Das ist im Moment ein ziemlich bunter Mix! Die neue „Downfall of Gaia“ LP gefällt mir sehr gut und landet regelmäßig in der Playlist. „Death Grips“ aus den USA höre ich sehr gerne, aber auch „The Streets“, „Macklemore“, „Wolves in the throne Room“ oder „Cold Cave“ sind echte Dauerbrenner bei mir.

Vielen Dank für das Interview und die wirklich interessanten Fragen!!




Gastbeitrag von Micha



www.sundowning.bandcamp.com

Autor: gast

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Beitrag vom 04.12.2012
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