Interview mit THE SPIRITSPIDERS - Stimmen im Kopf


THE SPIRITSPIDERS, gegründet von Frank M. Reeve existieren bereits seit 2001, doch dank einigen Startschwierigkeiten konnte sich das Projekt erst in den letzten Jahren zu einer richtigen Band entwickeln. Das ambitionierte Debüt "A Voice In The Sky" zeigt aber definitiv, dass sich das Warten gelohnt hat. Frontmann und Songwriter Frank gab uns ein ausführliches Interview.


Hallo Frank, was tut sich derzeit bei den SPIRITSPIDERS?


Im Moment versuchen wir gerade die Zeit zu finden, eine neue Schlagzeugerin einzuarbeiten. Unser Gitarrist Samy spielt in einer recht erfolgreichen Cover-Band namens ROCK SCHOOL und ist außerdem Vater. Da hat er schon einen recht eng gepackten Terminplan.




Wie bist du eigentlich auf den Bandnamen gekommen und was bedeutet er für dich?


Das Ganze geht auf einen indianischen Schöpfungmythos zurück, den ich mal irgendwo im Netz gefunden habe. Demnach waren es Spinnengeister, die das Gewebe gesponnen haben, das wir heute Realität nennen. Zudem gibt es bei den Lakota eine Fabelwesen namens Iktomi, so etwa wie bei uns Reineke Fuchs, nur halt als Spinne. Er ist so ein wiederkehrender Antagonist in ihren Märchen, macht immer riesige Pläne, die dann im letzten Moment in sich zusammenbrechen. Er repräsentiert den schmalen Grat zwischen Genie und Narretei. Darin erkenne ich mich irgendwie wieder.


Wie man eurer Biografie entnehmen kann, gibt es das Projekt bzw. die Band bereits seit 2000. Bis zu dem Debüt „A Voice In The Sky“ hat es ja dann doch etwas gedauert. Was ist in diesen vielen Jahren kurz zusammengefasst passiert?


Der Song "Dog-Headed Priest" stammt aus dem Jahr 2000. Den hatte ich ursprünglich für meine damalige Band CANTRIP geschrieben, die sich aber auflöste, bevor wir daran arbeiten konnten. Die ersten Aufnahmen, die das SPIRITSPIDERS-Etikett tragen, gehen auf Ende 2001 zurück. Ich saß damals am Computer und habe einfach nur aufgenommen, was mir so einfiel. Gitarre und Gesang waren neu für mich, auch mit der Aufnahmetechnik hatte ich mich vorher nur als Assistent beschäftigt. Eigentlich suchte ich auch nur wieder eine Band und wollte die Songs, die mir so einfielen als Demo festhalten. Irgendwann merkte ich dann, dass sich da eine Richtung abzeichnet. Dass ich einen Stil zwischen Folk, Elektro und Rock gefunden hatte, der sich durch die Produktionen zog. Die Suche nach Mitstreitern lief außerdem nicht besonders gut. Man könnte eher sagen, dass ich zwischen 2002 und 2006 jeden Musikerwitz selber erlebt habe, was nicht so witzig ist, wie es sich anhört. Andererseits sind auch gute Freundschaften entstanden, wie die zu unserem Webmaster Martin Rozgonski, der sich damals als Drummer bewarb.

Nach einer Weile kam dann das „Problem“ dazu, dass die Demos immer besser wurden. 2005 habe ich dann in Eigenregie die "Juno" EP aufgenommen und verschickt. Ein Song davon wurde im Internet-Radio rauf und runter gedudelt, es kamen die ersten Fans zusammen, so dass ich merkte, dass ich einen Stil gefunden hatte, der mir Spaß macht und auch anderen Leuten gefällt. Damit stiegen natürlich auch meine Anforderungen an eine feste Band. 2006 ging es dann endlich Live zur Sache. Über Myspace kam ich an eine Minitour durch England, an die ich bis heute gerne zurückdenke, außerdem hatte ich kurz darauf endlich ein komplettes Line-Up zusammen. Wir probten intensiv, lagen aber musikalisch doch recht weit auseinander. Auf dem ersten Gig fiel dann alles auseinander. Ein Höllenlärm unter Ausschluss der Öffentlichkeit! Mir fehlte damals die Geduld für eine zweite Chance, also habe ich quasi als Singer/Songwriter weitergemacht. 2007 habe ich zwei weitere Demos aufgenommen, die eher dem Sgt.Pepper-Gedanken folgten: „Ich kann es eh nicht live aufführen, also packen wir noch ein paar Streicher, Sitar und Samples dazu.“ Die beiden entstandenen Demos "Mercury" und "Apollo" sind heute so was wie Fan-Favourites, von der Industrie wurden sie aber völlig ignoriert. Zu experimentell nehme ich an, außerdem recht roh produziert. Es waren halt immer noch Demos. Außerdem habe ich weitere Singer/Songwriter-Konzerte u.A. in Wien gespielt.
2008 habe ich dann das Label Spritspiders Entertainment aus der Taufe gehoben, weil ich gehofft hatte, dass mir das weitere Türen öffnet. Die erste Veröffentlichung war die "Jupiter Rising" EP. Ein schönes Digipack mit Booklet und Aufkleber, dazu ein Animationsfilm von Julia Stefan und ein Musikvideo von Chris Dohr, beide übrigens Österreicher. Das erste Mal arbeitete ich jetzt mit einer Promoagentur und sprach mit Vertrieben. Mehrere Songs schafften es auch übers Lokalradio hinaus zu den großen Sendern. Finanziell hat es sich leider überhaupt nicht gelohnt; den zweiten Release „Insurrection!“ von 2009 konnte ich nur noch als digitalen Release herausbringen. Das Problem blieb, dass ich einfach nicht den Sound auf die Bühne bringen konnte, den ich im Studio fabrizierte. Ich war jemand, der mit einem Eiswagen durch die Gegend fährt und Würstchen verkauft. Ende 2009 habe ich ein weiteres Demo – "Evolution : Elation : Extinction" - aufgenommen und ins Netz gestellt. Ohne Werbung blieb der Erfolg überschaubar. Danach war ich mit meinem Latein am Ende. Iktomies Plan war mal wieder in sich zusammengebrochen.



Das klingt alles sehr turbulent. Kannst du mir kurz erzählen, wer deine Mitstreiter sind und wie du diese gefunden hast.


Im November 2009 habe ich eine große Geburtstagsparty geschmissen und alle Freunde eingeladen. Im Prinzip kam dabei die Idee auf, einfach die besten Musiker aus dem Freundeskreis ins Studio zu bitten. Den Gitarristen René Michalski habe ich bei NERUDA kennengelernt, einer Noiserock-Band, in der ich eine Zeit lang getrommelt habe; mein Nachfolger dort war Constantin Lügering, der direkt mit verhaftet wurde. Mit Gitarrist Mycha Schekalla zusammen spiele ich in der Garagenband THE KYLES. Samy Oeder stolperte in eine Probe eben dieser Band rein, als er seinen neuen Proberaum besichtigen wollte. Wir stellten fest, dass wir nicht nur den Geburtstag sondern auch die selbe Verbissenheit in Sachen Musik teilen. Tony G arbeitet für die Regierung, er...wir...ich darf nicht darüber sprechen! Jedenfalls ging es plötzlich ganz schnell. Wir standen im Proberaum, spielten diese Songs, und es funktionierte einfach. Da war von vorneherein so eine Art Magie. Viele der Songs hatte ich immer zurückgehalten, weil sie halt meiner ursprünglichen Idee einer Rockband entsprungen waren. Sie hätten in diesem Elektrogewand nicht funktioniert. Eigentlich ist nur der Opener halbwegs neu. Eingeprügelt hatten wir die Platte dann in zehn Tagen.


Wie würdest du euren Sound beschreiben, bzw. was sind so eure Einflüsse beim Songwriting. Recht einfach zu kategorisieren ist die Musik auf dem Debüt ja nicht.


In Sachen Songwriting bin ich mit QUEEN und den BEATLES groß geworden. Später kamen die SMASHING PUMPKINS, NIRVANA und NINE INCH NAILS dazu. Die Jungs haben natürlich ihre eigenen Einflüsse – Stoner, Metal, Noiserock, Punk - mit eingebracht, weswegen sich manche Songidee in etwas völlig anderes verwandelt hat. Monkey Blues war ursprünglich eine recht schnelle Nummer, die sich im Proberaum in diesen fetten Rocker verwandelt hat. Außerdem ist keiner von uns ein Fan davon, Sachen einfach nur nach zu spielen. Warum versuchen besser darin zu sein, MUDHONEY-Songs zu spielen als MUDHONEY? Wir haben also einfach geguckt, was uns am besten gefällt und haben den Song dann so gespielt. Den Genre-Polizisten haben wir wütend schreiend am Straßenrand stehen lassen.




Bei den Aufnahmen und dem Mastering zu „A Voice In The Sky“ hattet ihr immer im Hintergedanken, dass die Platte auf Vinyl gut klingen soll. Was habt ihr bei der Produktion gemacht, damit ihr auf dieses Ergebnis kommt?


Die Produktion ist ein klares Bekenntnis gegen den Loudness-War. Die Platte musste ihre Dynamik behalten, denn hätten wir sie nach dem Abmisch zu laut gemacht, hättest du die Nadel aufgesetzt, und sie wäre einfach über die Platte gerutscht. Mit diesem Wissen im Hinterkopf haben wir bei der ganzen Produktion die Methoden der 70er mit der Technik der 2010er verbunden. Unser Produzent Lobo Panic war da genau der Richtige für den Job, sowohl menschlich als auch handwerklich. Diese ganzen Dinge, auf die man bei Vinyl achten muss, hat er noch wirklich gelernt. Da muss z.B. beim Stereobild einiges beachtet werden, Frequenzen verschieben sich, werden verstärkt oder abgeschwächt. Ich bin da leider schon in der digitalen Welt groß geworden.

Außerdem hat mir beim Arrangieren der Platte und der Songauswahl geholfen, diesen strengen Rahmen zu haben. Eine LP fasst bei 33 Umdrehungen etwa 18-20 Minuten gut klingende Musik pro Seite. Gehst Du drüber, verzerren die Songs immer schlimmer, je weiter Du nach Innen kommst. In diese Spielzeit mussten also 5 Songs reinpassen und eine Einheit bilden. Wenn man die Platte umdreht, kann man sich einen Kaffee machen und nach der Pause neu ansetzen, aber die Seiten in sich mussten schlüssig sein.

Beim Mastering haben wir es uns auch nicht einfach gemacht. Wir haben uns in einem wahren Marathon dutzende Entwürfe angehört, teils von richtig großen Namen. Da waren einige echte Enttäuschungen dabei, aber auch echte Brillianten. Das Rennen hat nachher Matt Agoglia vom Masterdisk-Studio in New York gemacht, aber das war wirklich sehr knapp und eine reine Frage von Stil und Geschmack. Außerdem ist er ein echt netter Kerl.

Abgerundet wurde das Ganze davon, dass ich mich bei der Pressung für 180 Gramm Vinyl und eine wattierte Hülle entschieden habe. Das hat zwar ein bisschen mehr Geld gekostet, aber genau das erwarte ich selber als Fan von einer Schallplatte. Ich kann eine Torrentbörse nicht im Preis unterbieten, aber das hochwertigere Produkt biete ich.



Wie zufrieden seid ihr mit den Kritiken und Fanreaktionen auf das Album?


Extrem zufrieden! Ein paar Fans aus der Neuen Welt haben über 30 Dollar bezahlt, um die Platte schon dieses Jahr zu bekommen; wir haben auch in Europa neue Fans gewonnen, die über die Platte gestolpert sind und gleich eine haben wollten. Die alten Fans haben uns den extremen Stilwandel auch größtenteils verziehen. Einen echten Verriss haben wir bisher auch nicht gekriegt. Manchmal mache ich mir Sorgen, dass unser Promoter die Leute bedroht. Ich meine, der Mann heißt „Keule“!Aber ernsthaft, da waren schon ein paar sehr schmeichelhafte Kritiken dabei.


Was kannst du mir zum Albumtitel und dem Cover-Artwork erzählen.


Wenn man genau auf Texte und Musik achtet, merkt man, dass „A Voice In The Sky“ eigentlich ein Konzeptalbum ist. In vielen der Songs stehen die Protagonisten an einem entscheidenden Punkt im Leben und hören Stimmen. Der Schamane in "Monkey Blues", der Wanderer, der sich in "Fairytale" im Wald verirrt hat, oder einfach der Zuhörer, der von uns eine Geschichte erzählt bekommt. Ob das jetzt meine Stimme auf der Platte ist oder das Electronic Voice Phenomenon; ob es Stimmen im Fernsehen/Radio, aus dem Weltraum oder Stimmen im Kopf sind, und ob die Dinge stimmen, die die Stimmen da sagen, lasse ich offen, aber das ist im Prinzip der rote Faden.

Die SPIRITSPIDERS haben ein nicht-musikalisches Bandmitglied. Jay Leroy aus New York macht seit dem 2005er Demo „Juno“ bei uns das Artwork. Er mag es genau wie ich, versteckte Bedeutungen in seine Arbeit einfließen zu lassen und Interpretationsspielraum zu erzeugen. Die Mauer auf dem Cover. Sperrt sie Dich aus? Schützt sie Dich vor dem, was dahinter geschieht? Was passiert dahinter, dass es den Himmel so verfärbt? Er benutzt okkulte Symbole, Tarot und Geheimschriften. Logo und Gestaltung hat Mycha Schekalla übernommen, der auch auf einigen Songs Gitarre spielt. Er hat dieses Jahr seinen Diplom-Designer gemacht.





Hattet ihr seit dem Release schon die Möglichkeit das Material live zu präsentieren und was ist dahingehend in naher Zukunft noch geplant?


Leider haben sich sämtliche Hoffnungen für 2012 wieder zerschlagen. Wie eingangs erwähnt, proben wir im November 2012 das erste Mal mit unserer neuen Schlagzeugerin, und sind sehr gespannt wie das funktioniert. Sie trommelt einen sehr modernen Stil, beeinflusst von Hip Hop und R'n'B, aber auch modernen Fun-Punk á la BLINK 182. Mit Cons gab es keinen Streit, aber er hat einen Fulltime-Job und musste beim Thema Tournee einfach passen. Für 2013 versuche ich, eine kleine Tour zusammen zu buchen. Erst einmal nur in unserer Region, aber vielleicht mit einzelnen Konzerten in Wien und London, wo es zumindest ein bisschen Fanbase gibt. Leicht wird das sicher nicht, da wir schon einen finanziellen Aufwand dabei haben, den wir irgendwie zumindest ausgleichen müssen, und bei relativ unbekannten Bands kein Veranstalter gerne die Geldbörse zückt. Zudem hat Samy wie gesagt wenig Zeit. Aber komplett ausweglose Lagen haben mich noch nie davon abgehalten, es trotzdem zu versuchen!


Wie läuft das Songwriting bei euch ab, also wie entstehen die Songs und wie verteilt ihr die Arbeit an diesen?


Ich schreibe auf Akustikgitarre und/oder Keyboard. Früher habe ich mich dann an den Rechner gesetzt, um den Song fertig zu basteln. Bei dem Album-Demo für die Jungs habe ich nur die Gesang, Gitarre und ein Schnippen für den Takt aufgenommen und in den Proberaum mitgebracht. Die Jungs haben zwar nicht mitgeschrieben, aber einen großen Einfluss auf die Arrangement und Ausdruck des jeweiligen Liedes gehabt. Ich bin kein egomanischer Diktator; hoffe ich zumindest! Die Songs für „A Voice In The Sky“ kamen über viele Jahre zusammen. Da war immer mal wieder einer dabei, wo ich dachte. „Ja, der muss aufs Debütalbum.“ Der Rest ist auf Demos gelandet, auf anderen Listen oder in der Schublade.


Schreibt ihr bereits schon wieder an neuem Material?


Ja, ich hoffe spätestens 2014 mit den Aufnahmen für das Nachfolge-Album beginnen zu können. Wenn ich im Lotto gewinne auch gerne schon früher. Die Songs habe ich Prinzip schon fertig, nur an der Reihenfolge und Auswahl arbeite ich noch. Die Platte wird wohl ein bisschen zugänglicher als „A Voice In The Sky“, aber kein Pop-Album. Eher eine melodische Rockplatte, die sich ins Ohr frisst. Ich möchte das elektronische Element der Demos wieder ein bisschen mehr featuren, gleichzeitig aber wieder größtenteils mit der Band arbeiten. Ich schreibe grundsätzlich recht viel, habe auch schon ein echtes Konzeptalbum in Arbeit, von dem ich noch nicht weiß, wann und wie ich es veröffentlichen soll. Ich will nie wieder zurück auf das Heimstudio-Niveau, aber der Profi-Standard kostet halt eine Menge Geld. Irgendeinen Weg werde ich schon finden. Wenn MGM fragt, hätte ich da auch schon einen Bond-Song in der Schublade.


Danke für deine Zeit, gibt es noch etwas, was dir am Herzen liegt?


Ich danke Euch! Eine Sache, die mich langsam echt besorgt, ist der Zustand der Musikszene an sich. Vielleicht sehe ich die Sache zu pessimistisch, aber die letzten 12 Jahre sind musikalisch schon recht langweilig gewesen, wenn man das mit den früheren Jahrzehnten vergleicht. Da ergeben sich dann hitzige Diskussionen, „das war doch cool, und was ist mit denen?“ Es gab schon eine Menge gute Musik, aber keine wirklich neuen Entwicklungen, keine neuen Superhelden. Auf der anderen Seite sehe ich, dass sich viele Legenden, die allmählich „zu alt für den Scheiß“ werden, in Franchise-Unternehmen verwandeln, mit lizensierten Coverbands, Musicals und Wanderausstellungen. Dazu diese ganzen halbherzigen Reunions. Paul Stanley von KISS hat vor kurzem öffentlich darüber spekuliert, dass man einfach zwei neue Leute weiß anmalen könnte, wenn er und Gene Simmons keine Lust mehr auf Kiss haben. What the fuck!? Mir macht die Vorstellung Sorge, dass die Menschen in 200 Jahren immer noch zu PINK FLOYD, QUEEN, GREEN DAY und AC/DC gehen oder zu BBEE GEES Samples tanzen, aber keine eigene Musik mehr haben.


www.spiritspiders.com

Autor: maxomer

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Beitrag vom 05.11.2012
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