Interview mit ARJEN ANTHONY LUCASSEN - der Meister auf Ego-Trip


ARJEN ANTHONY LUCASSEN, bekannt durch seine einzigartigen Projekte AYREON, AMBEON, STAR ONE, GUILT MACHINE und STREAM OF PASSION hat es nach vielen Jahren der Planung endlich geschafft sein erstes Solo-Album aufzunehmen. Anstatt wie sonst sich unzählige Stars für die Vocals einzuladen hat er neben fast allen Instrumenten auch sämtliche Texte selber eingesungen. Dass er ganz oben in der progressiven Metal Liga spielt, wissen wir ja schon lange und auch, dass er Talent zum Singen hat, bewies er schon mehrmals mit kleinen Auftritten auf den AYREON Alben. Dennoch ist der sympathische Niederländer auf dem Boden geblieben und sprach mit uns in einem sehr interessanten Interview über die Entstehung des Albums und etwaige Zukunftspläne.


Hallo Arjen, wie geht es dir und was tut sich bei dir im Moment?


Mir geht es großartig und ich gebe gerade sehr viele Interviews und mache sehr viel Promo-Arbeit für das Solo-Album „Lost In The New Real“. Die Reaktionen, die Reviews und die Verkäufe sind sehr gut und das Album ist sogar in den Charts in Deutschland und Holland eingestiegen. Ich kann mich also überhaupt nicht beschweren.




Klingt gut. Das wäre auch meine zweite Frage gewesen, ob du zufrieden mit den Reaktionen und dem Ergebnis generell bist.


Ja, definitiv und das habe ich eigentlich gar nicht erwartet, denn das war wirklich ein Album für mich, nicht so wie bei den letzten Alben, wo ich wirklich darauf geachtet habe, was die Fans von mir wollen und erwarten. Aber dieses Mal dachte ich mir einfach, ach zur Hölle, ich mach eine Album einfach für mich. Ein Ego-Trip, den meine Fans vielleicht hassen würden. Somit habe ich diese wirklich guten Reviews nicht erwartet. Es sind ja auch sehr merkwürdige Songs wie „Pink Beatles...“ oder „Dr Slumbers...“
Ich habe schon befürchtet, dass mich die Presse in den Reviews lynchen wird (lacht). Es beweist also, dass, wenn du etwas machst, was du selber magst, dann spüren und mögen die Leute das auch automatisch.




Du hast mir letztes Jahr erzählt, dass es schon seit Jahren dein Traum ist, ein Solo-Album zu machen, aber warum hat es schlussendlich so lange gedauert es zu verwirklichen?


Das liegt daran, dass ich immer meine Meinung geändert habe. Ich habe schon oft dieses Album geplant, aber jedes Mal ist etwas anderes daraus geworden. Das letzte AYREON Album war also Solo-Album geplant gewesen. Ich hatte den ersten Song „Beneath The Waves“ und mit dem Label schon darüber gesprochen, dass es ein Solo-Album werden soll... und dann hatte ich da diesen bombastischen Part und bin drauf gekommen, dass ich das nicht singen kann, aber vielleicht kann es ja Jorn Lande (MASTERPLAN) und dann war da ein andere Part der für eine weibliche Stimme gepasst hat, vielleicht kann den Anneke von Giersbergen oder Floor Jansen (REVAMP) singen. Und bevor ich es überhaupt begreifen konnte, hatte ich 17 Gastsänger eingeladen (lacht).

Ähnlicher ist mit GUILT MACHINE passiert. Ich wollte selber singen und irgendwann bekam ich den Tipp, dass ich Jasper Steverlinck (ARID), der wir eine Mischung aus Jeff Buckley udn Freddy Mercury klingt. Ich habe also mit ihm gesprochen, ob wir etwas zusammen machen und er wollte sofort auf diesem Album singen... also wieder keine Solo-Album. Es ist auch so: wenn du die Chance hast, mit den besten Sängern der Erde zu arbeiten, dann nutzt du diese auch. Aber dieses Mal musste ich es einfach machen. Ich musste es einfach durchziehen und habe dann auch vielen Leuten gesagt, dass ich ihnen, sobald ich wieder anfange Sänger einzuladen, ihnen 100 Euro zahlen werde (lacht).




Nach dem Erfolg ist es aber nicht auszuschließen, dass es irgendwann ein weiteres Album geben wird?


Ich habe noch keinen Plan. Wie ich sagte, ich plane so etwas nie, beziehungsweise plane ich schon, aber es kommt immer etwas anderes dabei heraus (lacht). Aber wenn ich darüber nachdenke. Es war erfolgreich und ich hatte sehr viel Spaß, also ist es natürlich gut möglich.



Eine große Überraschung für mich war, dass du Rutger Hauer als Sprecher für dein Album gewinnen konntest. Wie kam die Idee und wie hat er auf deine Anfrage reagiert?


Ich bin schon seitdem ich zehn Jahre alt war ein großer Rutger Hauer Fan. Ich weiß nicht, ob du die Serie kennst, wahrscheinlich nicht, da sie nur in den Niederlanden lief, aber ich mochte die Serie Floris sehr gerne. Das war so eine Mittelalter-Serie in der er einen Ritter mit Schwert und Pferd usw. spielte. Ich wollte damals immer so sein wie er. Danach hatte er auch große Erfolge in Hollywood unter anderem auch mit Blade Runner, was mein Lieblingsfilme im Sc-Fi Genre ist. Als ich das Album schrieb, vielen mir viele Hinweise auf Blade Runner auf. Wie zum Beispiel die Frage was in der Zukunft real und was nicht ist. Dann kam mir die Idee einen Erzähler zu verwenden und er war der erste, der mir einfiel und ich schrieb einfach eine E-Mail auf seine Webseite und bekam überraschenderweise von ihm persönlich eine Antwort. Er fand das alles interessant und wollte die Texte und Musik haben. Und glücklicherweise hat dann alles super funktioniert.



Eigentlich ist ja das Konzept hinter „Lost In The New Real“ eine Science Fiction Story, doch ich habe das Gefühl, dass du den Leuten damit sagen möchtest, dass die meisten der unschönen Szenarien bereits real sind. Liege ich da richtig?


Ja natürlich. Es gibt einige sehr kontroverse Themen auf dem Album wie Youthanasia oder Geburtenkontrolle, Religion, illegale Downloads und so weiter. Wenn du über so etwas offen sprichst, machst du dir aber Feinde. Ein Weg um dem aus dem Weg zu gehen ist, das Ganze einfach in die Zukunft zu transferieren und eine gute Dosis Humor mit rein zu packen. Und ja klar, vieles davon ist heute schon real, wie der Umgang mit dem Internet und illegale Downloads. Aber es ist so, dass ich einfach nur überlege wie es in der Zukunft sein könnte. Es sind nicht meine Traumszenarien oder etwas, was ich mir wünsche. Ich bin ein Entertainer, ich will die Menschen unterhalten und würde nie meine Ansichten jemanden aufzwingen. Wenn du etwas zwischen den Zeilen liest, dann kannst du sicher meine eigenen Ansichten und Einstellungen dazu herauslesen.




Ich liebe es in deine Texte einzutauchen, denn diese geben der Musik auf jeden Fall nochmal eine neue Dimension. Wie schwer war es dieses Mal für dich ein passendes Thema zu finden und wie viel Zeit musstest du dafür aufbringen die ganze Geschichte auszuarbeiten?


Das Thema kam ziemlich schnell. Es ist mir eingefallen, als ich mir eine Dokumentation im Science-Kanal angesehen habe. Da haben sie darüber fantasiert, wie die Zukunft denn aussehen könnte. Ich war schon immer sehr interessiert in so etwas. Ich denke mir immer wieder, verdammt, die Welt hat sich in den letzten 20 Jahren so gravierend verändert und das hauptsächlich wegen den Computern. Ich kannte die Welt natürlich auch schon vor den Computern und denke mir dabei einfach immer, wenn sich in so einer kurzen Zeit schon so viel verändert, was ändert sich dann erst in ein paar hundert Jahren alles? Das war also die Grundidee und dann fiel mir ein, dass sich viele Menschen wegen einer schweren Krankheit einfrieren lassen um vielleicht in der Zukunft davon geheilt zu werden. Das ist die Realität und vielleicht wird in der Zukunft einer dieser Menschen aufgetaut und geheilt. Wie würde diese Person in der neuen Welt, also „The New Real“ wie ich sie nennen zurechtkommen?

Wenn ich einmal eine Idee dieser Art habe, dann geht der Rest sehr einfach. Mir fallen dann schnelle Dinge dazu ein, die mich interessieren oder sogar persönlich betreffen. Für mich ist es viel einfach ein ganzes Konzept zu schreiben, als vielleicht 15 verschiedene Texte zu verschiedenen Themen zu verfassen.




Viele der Texte sind behandeln eigentlich sehr traurige Themen, wenn man an die Wahrheit die oftmals darin liegt, denkt. Aber warum klingen diese dann so positiv?


Die meisten Leute denken, dass die Texte traurig sind, aber das ist nicht ganz richtig, nicht alle Themen sind negativ gemeint. Zum Beispiel „Dr. Slumbers Eternity Home“ handelt von Youthanasia – ja klar, es ist wirklich traurig, aber ich bin der Meinung, dass jeder selbst entscheiden können sollte wann die Zeit zu gehen ist und das auf eine schöne Art und nicht vor einem Zug oder hängend im Badezimmer. Ich mag es auf die positiven Dinge zu sehen und diese in den Texten zu verarbeiten. So wie in „When I Am A Hundred-Sixty-Four“. Ich denke, wenn es wirklich so wäre und ich vielleicht 125 Jahre alt bin und der Meinung bin, dass ich ein großartiges Leben hatte, aber jetzt ist es eben vorbei und ich kann ruhigen Gewissens sagen, danke für das Schöne Leben, auf Wiedersehen an euch alle, es ist Zeit für mich zu gehen.



Du sagtest einmal, dass du nach der Fertigstellung eines Albums etwas leer bist... hast du deine Batterien mittlerweile wieder geladen und findest Inspiration für neue Songs?


Im Moment mache ich gerade sehr viele Interviews und arbeite an der Promotion zum aktuellen Album, was ich sehr gern mache, denn es ist toll über etwas zu reden auf das man so stolz ist. Ich genieße das, aber ich weiß auch, wenn all das vorbei ist, wird man schnell wieder vergessen und die Leute reden nicht mehr über dich und die Facebook-Seite wir plötzlich schrecklich leer. (lacht)
Das ist der Punkt wo das schwarze Loch einsetzt und ich realisiere, dass ich wieder etwas machen muss um nicht in Vergessenheit zu geraten. Aber zu diesem Zeitpunkt will ich das auch normalerweise wieder und habe Spaß daran, denn je verzweifelter und verkrampfter du bist, umso weniger Inspiration hast du zu so etwas. Also darf man sich dabei nicht stressen, sondern relaxen und abwarten bis die Ideen von selber kommen. Das nenne ich die „Black Hole“-Periode und durch diese muss ich jedes Mal durch. Die Inspiration kommt aber immer wieder zu mir zurück, also mache ich mir da auch für die Zukunft nicht so viele Sorgen.




Warum bist du eigentlich so kritisch was deine Stimme betriff? Du hast auf diesem Album wirklich großartige Arbeit geleistet und ich habe auch die Songs von den AYREON Alben, die gesungen hast, sehr genossen.


Danke Max, danke dir vielmals. Das wird daran liegen, dass ich mit den besten Sängern der Welt arbeite. Seien es Bruce Dickinson (IRON MAIDEN), Russel Allen (SYMPHONY X) und Jorn Lande (MASTERPLAN), und die Liste geht immer weiter. Sie sind einfach die besten der Welt und stehen neben mir und machen so großartige Arbeit und da fühle ich mich, als wären sie hundert, wenn nicht sogar tausend Mal besser als ich. Man muss sich das vorstellen, ich stehe neben so einem Sänger und er möchte von mir wissen, wie er diesen Teil singen soll und ich singe ihm das mit meiner kleinen zitternden Stimme und dann singen sie diesen Teil nach mit mir ihrer fetten kraftvollen Stimme. (lacht)
So ein Moment demütigt dich dann etwas. (lacht)
Neben ihnen fühle ich mich eben mickrig und ich weiß man sollte sich mit ihnen nicht vergleichen, aber ich muss zugeben, dass ich zuversichtlich auf diesem Album und wusste wo meine Stärken liegen und habe das Beste daraus gemacht.





Hast du eigentlich schon wieder eine neue Liste mit Sängern die du auf zukünftigen Songs haben möchtest, oder hängt das dann vom Songmaterial ab?


Richtig, es wird ziemlich von der Musik und der Story abhängen und natürlich auch davon was für eine Art von Projekt es werden wird. Natürlich hoffe ich, dass es ein AYREON Album werden wird. Die Fans warten darauf und es ist auch schon wirklich an der Zeit, denn das letzte ist schon wieder über vier Jahre alt. Ich höre viel Musik und halte meine Ohren offen. Wenn ich einen Sänger höre, der mich interessiert, dann schreibe ich ihn auf und vielleicht passt er mal zu einem meiner Songs.



Was denkst du wann wir dein nächstes Werk zu Gehör bekommen?


Schwer zu sagen, denn wenn es ein AYREON Album wird, dann brauche ich dafür immer so eineinhalb Jahre um alles zu schreiben, aufzunehmen und vorzubereiten. Ich kann es wirklich noch nicht sagen, aber ich habe auch keine Eile damit, denn ich möchte auch den Markt nicht mit meinen Alben überfluten, damit es spannend bleibt.



Ich weiß, du hörst das in so ziemlich jedem Interview und ich kann auch nachvollziehen, wieso es nicht zustande kommt, aber mit dem Solo-Material und kleineren LineUp könnte sich doch der eine oder andere Auftritt ausgehen?


Ich habe darüber nachgedacht und ich habe auch ein paar Akustik-Shows hier in Holland gespielt um zu sehen wie es mir gefällt, aber ich muss zugeben, dass ich nicht wirklich genießen konnte. Tut mir leid. (lacht)
Es ist einfach nicht mein Ding. Es gibt einen Song auf dem Album der „The Social Recluse“ heißt und der Song beschreibt mich. Ich bin ein Einsiedler, ich liebe es zu Hause zu sein, ich liebe es Musik zu erschaffen. Ich sehe mich selber immer mehr als Produzent und Komponist, nicht mehr als Darsteller. Nicht mehr.



Ich danke dir vielmals für deine Zeit und wünsche dir alles Gute mit dem Solo-Album und den zukünftigen Veröffentlichungen. Hast du noch ein paar berühmte letzte Worte für das Interview?


(lacht). Das klingt Beängstigens... berühmte letzte Worte.



Haha, nur für das Interview natürlich, keine Angst.


Gut, ich dachte mir schon... jetzt noch nicht, Mann (lacht).
Alles was ich sagen kann ist, dass die Leute aufgeschlossen an die Musik rangehen, die werden dieses Album sicher genießen. Solange man nicht diese großen bombastischen Metalalben erwartet, kann man wirklich Spaß mit der Musik haben. Wenn ihr es euch holt, werdet ihr es nicht bereuen. Es ist ein wichtiges Album für mich, da ich mich hier nicht hinter diesen großen Gästen verstecken konnte.



www.arjenlucassen.com

Autor: maxomer

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Beitrag vom 21.05.2012
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