Interview mit FARSOT - Insekt vs. Mensch


Mit ihrem zweiten Album „Insects“ gelang den deutschen Black Metallern FARSOT eine weitere Steigerung zum schon sehr starken Debüt. Der progressive Black Metal der Deutschen weiß Anhänger des anspruchsvollen Schwarzmetalls definitiv zu begeistern. Lest selbst, was Sänger XIXt über die die Scheibe zu berichten hat.

Zuerst einmal Gratulation zu „Insects“. Meiner Meinung nach seid ihr mit dem Album ziemlich nahe an den Meisterwerken eurer Labelkollegen HELRUNAR und SECRETS OF THE MOON dran bzw. steht mittlerweile auf der gleichen Stufe mit diesen Bands. Wie waren die sonstigen Reaktionen von Seitens der Presse bzw. der Fans?


Vielen Dank. Wir wussten im Vorfeld zwar, dass „Insects“ deutlich mehr polarisieren wird als das Debüt, allerdings fielen die Reaktionen bisher überraschend positiv aus. Das Album wird im Allgemeinen sehr gut angenommen, was uns natürlich mehr als zufrieden stimmt. Man gewinnt langsam das Gefühl zurück, dass sich ein Großteil der Rezensenten doch noch intensiv mit der ihm vorliegenden Materie zu beschäftigen scheint, bevor „wild drauf los“ bewertet wird. (lacht)




Vier Jahre zwischen zwei Alben sind ein recht langer Zeitraum. Was passierte in dieser Zeit? Wie sah der Entstehungsprozess von „Insects“ aus?


Der Zeitraum ist nicht wirklich lang, wenn man bedenkt, dass wir zwei Touren und viele Einzelgigs in diesem Zeitraum gespielt haben. Die Vor- und Nachbereitung dafür kostete immer einiges an Zeit. Zudem sind wir alle berufstätig bzw. studieren und haben Familie. Wir können und wollen nicht 365 Tage im Jahr ausschließlich für die Band existieren. Das würde arg mit unseren Vorstellungen konkurrieren und früher oder später würden daraus nur eigentlich vermeidbare Probleme entstehen. So nutzten wir also die verbleibende Zeit für die intensive, jedoch sehr ungezwungene Arbeit am zweiten Album, welche im Grunde unmittelbar im Anschluss an die Fertigstellung von „IIII“ begann und erst wirklich mit dem Verlassen des Studios beendet war.


Wo siehst du die Hauptunterschiede zwischen „Insects" und dem Vorgänger „IIII“?


Beide Alben haben einen völlig divergenten Grundtenor. Der erdige, fließende, sehr abgründige, fast verhaltene Charakter des neuen Werks ist es, was den Hauptunterschied für uns ausmacht. „Insects“ ist zudem diverser, ausgereifter und nicht derartig ungestüm und harsch wie das Debüt.




Statt wie bisher deutsche Texte verwendet ihr auf „Insects“ erstmals die englische Sprache. Was waren die Gründe dafür?


Wir überlegten schon sehr lange, englische Texte in unser musikalisches Schaffen einfließen zu lassen. „Insects“ stellte eine perfekte Gelegenheit dar, dieses auch in die Tat umzusetzen. Musikalisch und konzeptionell verlangte es einfach nach englischen Lyrics. Zudem hielt somit auch in dieser Hinsicht ein frischer Wind in die Band Einzug, welcher, wie wir meinen, dem Gefüge sehr gut zu Gesicht steht. So fiel uns die Entscheidung nicht wirklich schwer, diesen Schritt nach 12 Jahren deutscher Worte zu gehen.


Textlich scheint „Insects“ ein wenig von Kafkas „Die Verwandlung“ inspiriert zu sein, liege ich da richtig? Kannst du noch ein wenig mehr zu den Texten erzählen?


„Die Verwandlung“ macht einen kleinen Teil des Konzeptes aus, ist jedoch nicht als tragendes Element zu betrachten. „7“ und „Adamantine Chains“ beschreiben die Gedanken Gregor Samsa´s zum Zeitpunkt seines Erwachens, ohne dass er sich seiner Verwandlung bereits bewusst geworden ist. Andere literarische Quellen sind u.a. Schriften von Brown, Gass und Herbert. „Insects“ erschafft abgründige Bezüge zwischen Mensch und Insekt. Dabei wird die Moral der Menschheit in Frage gestellt. Es verurteilt die Verkommenheit einer Spezies, welche sich durch ihre Verhaltensweisen selbst zum sogenannten Ungeziefer degradiert. Auf dem Album wägen wir ab, ob nicht etwa das Insekt das stärkere Subjekt im Kampf ums Überleben ist und zweifeln den Menschen als den selbsternannten Gipfel der Schöpfung an.


Das Cover wirkt irgendwie wie aus einem medizinischen Lehrbuch entnommen. Wie seid ihr auf dieses Motiv gekommen? Wie hängt es mit dem textlichen Konzept zusammen?


Die Grundlagen des Covermotives sowie der Booklet-Grafiken bildeten tatsächlich Illustrationen, welche einem anatomischen Bildatlas entnommen wurden. „Ontleding des menschlyken lichaams“ wurde 1685 von Govard Bidloo veröffentlicht und enthält Kupferstiche von Gerard De Lairesse. Auf uns hatten die Motive eine unglaublich ästhetische, wenngleich morbide Ausstrahlung und eigneten sich daher hervorragend für unser Vorhaben der Manipulation durch die Einbindung der Insektenthematik. Dabei wurden die Wechselbeziehungen beider Spezies sowie Teile der Lyrics bildhaft umgesetzt. Die Metapher der Maden im Kopf eines Menschen (Covermotiv) brauchen wir an dieser Stelle wohl nicht weiter zu erörtern. Ich möchte es nicht unerwähnt lassen, dass die Bildmontagen in Verbindung mit dem gesamten Artwork versuchen, nicht nur das Textkonzept zu untermalen, sondern auch die musikalischen Stimmungen zu umschreiben.




Welche Musik schätzen die Bandmitglieder von FARSOT privat? Welche Musiker beziehungsweise Alben üben in der einen oder anderen Form einen Einfluss auf euch aus?


Musikalisch gesehen sind wir sehr open-minded und hören nahezu alles, was Herz und Seele hat. Unsere musikalischen Horizonte reichen somit von Metal über Progressive Rock nach Grunge bis hin zu Jazz, Trip Hop oder moderneren Formen wie z.B. Post Rock. Natürlich hat jeder von uns dennoch seine eigenen musikalischen Vorlieben, welche letztendlich (un-)bewusst unser Schaffen beeinflussen.




Vielerorts ordnet man euch auch in das Genre Post-Black Metal ein. Was hältst du von dieser Einordnung? Seht ihr selbst euch als diesem Subgenre zugehörig?


Nein. Die Einordnung in irgendwelche Subgenres halte ich teilweise für völlig überzogen. Vielleicht spielt FARSOT eine progressive Form modernen Black Metal´s, da wir ja offensichtlich weder nach DARKTHRONE noch nach DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT klingen. Allerdings sind derartige Erweiterungen wie „Post“, „Avantgarde“ o.ä. einfach aus der Luft gegriffen und hätten keine Daseinsberechtigung in unseren Gefilden. Ich meine, was genau bedeutet „Post“ im Zusammenhang mit Black Metal? Das Genre hat sich im Allgemeinen unglaublich entwickelt und aufgefächert, aber wozu die ganzen Schubladen?


Einhergehend mit dem Phänomen des Post Black Metal findet ja eine zunehmende Intellektualisierung des Black Metal statt. Auch tummeln sich auf Konzerten bestimmter Bands mittlerweile vermehrt kurzhaarige Hornbrillenträger, welche sonst eher dem Indie Rock zusprechen. Wie stehst du zu dieser Entwicklung?


Wir gehen ins Theater – schauen uns Jazzkonzerte an. Was halten wohl Jazzmusiker von dieser Unsitte? Genau! Nichts! Statt sinnlose Gedanken über das Aussehen ihrer Hörerschaft zu verschwenden, freuen sie sich lediglich darüber, mit ihrem musikalischen Schaffen ein derart breites Publikum ansprechen zu können. „Intellektualisierung“ des Black Metal müsste ja im Grunde genommen bedeuten, dass alles was bisher aus diesem Genre hervorging eher einfach strukturiert gewesen sein muss. Diese Meinung teile ich bei Weitem nicht und denke, der Denkansatz geht ein Stück zu weit.




Wie sieht die Zukunft für FARSOT aus? Sind Liveautritte oder Touren geplant?


Auftritte sind tatsächlich in Planung bzw. bereits bestätigt. Eine Tour steht leider bis dato noch nicht an. Es wäre aber super, auch mit diesem Album wieder ein starkes Line-Up für eine Tour zusammenstellen zu können. Wir werden sehen...


Letzte Worte an die Earshot-Leserschaft?


Vielen Dank für Eure Unterstützung, Cheers!

www.farsot.de/

Autor: Mike

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Beitrag vom 06.12.2011
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