Interview mit HEAVEN SHALL BURN - Über Invictus, Hardcore und wo man gut vegan isst


Gerade rechtzeitig zum Release der neuen Platte "Invictus" der Erfurter Metalcore Institution HEAVEN SHALL BURN steht uns Drummer Matthias Voigt Rede und Antwort:


Zum Eingang mal ein freundliches Hallo aus dem fernen Wien!

Um gleich mal bei Wien zu bleiben, seid ihr ob dem Erfolg eurer Clubshow im Februar dieses Jahres überrascht, oder habt ihr damit gerechnet dass ihr in Österreich eine solch beachtliche Fan-Base habt?



Wir hatten ja Wien ganz bewusst gewählt, weil wir auch wussten, dass die Konzerte dort etwas ganz Besonderes werden. Dass es aber so gut läuft und das Zusatzkonzert am Tag zu auch noch so gut besucht werden würde, konnten wir nicht wissen. Das ist schon alles super gelaufen. Wien hat uns nicht enttäuscht.



Um mal auf das neue Album zu kommen. Es klingt von der ersten Minute nach HSB. Aber Metalcore kann man das wohl nicht mehr nennen oder?



Das sollen Andere beurteilen. Wir selbst wollen unsere Musik eigentlich gar nicht irgendwo einordnen. Es ist ja auch so, dass eder etwas anderes hört. Wir haben als Band immer gewisse Hardcore-Einflüsse gehabt und wenn man Metal mit Hardcore mixt, kommt wohl auch Metalcore dabei heraus. Ich weiß nicht so genau, aber ich habe Metalcore nie so wirklich als eigene Szene gesehen. Vor allem die neueren Bands spielen einfach die Musik und kommen eigentlich nicht aus der Hardcore-Ecke. Da fehlt es mir dann vor allem am „Core“, der sich eigentlich weniger in der Musik, als in der Einstellung widerspiegelt. Musikalisch hat der Zusatz „Core“ für mich nix zu sagen. Ob eine Band Hardcore ist oder nicht, kann man nicht am Sound festmachen. Eine Band wie BOY SETS FIRE hat für mich genau so viel mit HC zu tun wie MERAUDER, EARTH CRISIS, MADBALL oder ALL OUT WAR.
Das ist eine Frage der Einstellung.




Invictus ist ja nun der dritte Teil der sogenannten Iconolast-Reihe, war diese von Anfang als Trilogie konzipiert? Oder ist gar mit einer Weiterführung zu rechnen?


Was die Zukunft bringt, können wir nicht sagen, aber es ist eher unwahrscheinlich, dass das Konzept weitergeführt wird. Natürlich werden sich die Texte bei HSB immer in einem gewissen Rahmen bewegen, aber es wird nicht mehr unter dem Dach dieses Konzeptes weiterlaufen. Am Anfang wussten wir auch nicht so genau, wie alles funktionieren wird und auch nicht, ob oder wie viele Teile da noch kommen könnten.



Spätestens beim Studium der Texte eröffnet sich wieder euer Hardcore-Background. Ich bin immer wieder überrascht, wie viel Allgemeinbildung eurer Fans ihr voraussetzt. So schreibt ihr einen Song über Lev Kopolev oder die Schlacht von Sevastopol. Glaubt ihr nicht dass ihr so manchen Fan damit überfordert? Bzw. sie sich die Mühe machen wollen, sich das notwendige Wissen anzueignen?


Ich glaube nicht, dass wir jemanden überfordern. Wenn es den Hörer interessiert, kann er sich ohne Probleme im Internet Wissen beschaffen. Wir wollen die Leute dazu anregen, sich mit solchen Dingen zu befassen. Was aber jeder Einzelne daraus macht, können und wollen wir nicht beeinflussen. Es ist ja nun auch nicht so, dass wir alle die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Auf viele Dinge stoße auch ich erst im Zusammenhang mit einer Platte bzw. mit den Texten, die Maik schreibt. Ich weiß auch, dass er sich erst oft beim Schreiben wirklicher tiefer mit einem Thema befasst und dabei auch noch auf neue Aspekte stößt, die er vorher nicht so auf dem Schirm hatte. Das ganze Leben ist eben ein Lernprozess und das ist bei uns nicht anders, als bei anderen Leuten.



Eine weitere Frage zu euren Texten ist die Auswahl der Themen die ihr behandeln wollt. Sind das nur Sachen die euch am Herzen liegen? Oder seht ihr dahinter auch so etwas wie einen Art Bildungsauftrag (quasi dies müsste man als mündiger Bürger wissen)?


Das sind natürlich Dinge, die uns sehr am Herzen liegen. In erster Linie ist es aber Maik, der die Ideen hat. Ich denke nicht, dass wir eine Art Bildungsauftrag von irgendwem erhalten haben...hehe. Viele Dinge gehen sicher auch über das normal notwendige Maß an Allgemeinbildung hinaus. Wie gesagt, wir stoßen auch selbst erst im Laufe eines Albums auf die verschiedensten Dinge. Wenn es uns interessant erscheint, dann möchten wir das den Menschen auch nicht vorenthalten. Gerade im Zusammenhang mit den „Heldengeschichten“, die wir innerhalb des Iconoclast-Konzeptes verwenden, sind das oft vergessene Geschichten, die man ruhig mal wieder etwas mehr in den Fokus der Öffentlichkeit bringen kann.




Bei der Iconolast Reihe erzählt ihr ja bekannte und unbekannte Heldengeschichten. Obliegen diesem Konzept längere Recherchen, oder kommen diese Geschichten euch, vereinfacht gesagt, „so unter“?




Also in manchen Fällen befasst man sich dann schon nochmal eingehender mit dem Thema. Man möchte ja den Leuten auch keinen Mist unterjubeln und ist auf der anderen Seite auch kein wandelndes Lexikon. Im Großen und Ganzen sind es aber dann schon Geschichten, die immer irgendwie im Hinterkopf präsent waren.





Seht ihr euch ob eurer politischen wie kritischen Texte in einer Tradition mit Bands wie NAPALM DEATH? Oder inwieweit haben diese einen Einfluss auf eure Musik und Konzept?




Was kritische Texte angeht, sind wir sicherlich von Bands wie NAPALM DEATH oder auch KREATOR beeinflusst. Das war Anfang der 90er schon ziemlich beeindruckend, als KREATOR sich hinstellten und klar Stellung gegen Rechts bezogen haben. Die beiden Bands waren auch so ziemlich die ersten, die wir damals live gesehen haben und so etwas prägt natürlich.

Es war aber weniger die Message an sich, die uns da beeindruckt hat. Uns brauchte ja sowieso niemand von der Notwendigkeit einer antifaschistischen Einstellung zu überzeugen. Mir persönlich hat viel mehr das Auftreten selbst imponiert. Es ist zwar eine abgedroschene Phrase, aber in dem Moment ging es wirklich darum, Gesicht zu zeigen und das haben diese Bands getan.
Grundsätzlich denke ich aber schon, dass sich die Herangehensweisen der Bands unterscheiden. Das hat einfach etwas mit dem Umfeld und der gesamten Sozialisation zu tun. Aber es war schon eine Art Initialzündung.




Ihr kommt ja wenn ich richtig informiert bin alle aus der „Hardcore“-Ecke. Inwieweit lebt ihr diese Ideale auch im Alltag?


Grundsätzlich gibt es ja den Gedanken, dass man seine Individualität auslebt. Das ist aber wiederum ein Grundgedanke, den jede Subkultur für sich in Anspruch nimmt. Es ist gar nichts wahnsinnig Hochtrabendes, sondern dass man einfach versucht, nach seinen Idealen zu leben und sich nicht zu stark vereinnahmen zu lassen. Ich denke, dass wir diese Lebensweise versuchen zu leben. Manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Erfolg.

Hardcore ist für mich auch ein Schmelztiegel der unterschiedlichsten Einstellungen bzw. Ansichten. Es ist ein großes Miteinander, welches durch gegenseitigen Respekt geprägt ist. Sachen wie Straight Edge oder Veganismus sind natürlich stark im Hardcore oder auch im Punk verwurzelt, aber es gibt auch genügend Leute, die damit nichts am Hut haben. Diese gehören aber selbstverständlich genauso dazu. Es ist also irgendwo auch ein Stück weit gelebte Toleranz. Deswegen gehört es selbstverständlich dazu, gegen alle Strömungen vorzugehen, welche diese Vielfalt einengen wollen. Für mich ist Antifaschismus und Antirassismus ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Bestandteil dieser Lebenseinstellung.

Hardcore bedeutet für mich auch ein weltweites Netzwerk, dass über die Musik hinaus geht. Das ist natürlich etwas, was du im Metal oder Hip Hop sicherlich auch finden wirst. Als Band haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, dass wir weitestgehend nach unseren Regeln spielen. Wir wollen also die Kontrolle über alles haben und lassen auch nicht alles mit uns machen, nur um ein paar Platten mehr zu verkaufen. Aber ich muss auch nochmal betonen, dass wir zwar fast alle mit der 90er Hardcore-Szene großgeworden sind, am Ende aber alle unterschiedlich dadurch beeinflusst wurden. Das ist nicht bei jedem Mitglied von HSB gleich ausgeprägt.




Somit kann sich auch die Frage stellen in wie weit eine „Hardcore“-Band (im weitesten Sinne gesehen) erfolgreich sein darf. Ist dies mit dem Hardcore-Grundgedanken vereinbar? Wie steht ihr dazu? Es gibt ja Bands wie BETRAYED die sich aufgrund von zuviel Erfolg auflösen, oder dies zumindest behaupten?


Haben die das echt so gesagt???

Wenn das wirklich so sein sollte, wäre das ziemlicher Dünnpfiff.
Erstens waren sie nicht außergewöhnlich erfolgreich und zweitens hätten sie dann zum Beispiel auch keine Veranstaltungen, wie das Hellfest in Frankreich spielen sollen, zu dem ja bekanntermaßen mehr als nur 150 zahlende Gäste kommen. Die Gage haben sie dort sicher auch gerne kassiert, von daher wäre so ein Statement recht heuchlerisch.

Ich kann mir das ehrlich gesagt nur so erklären, dass sie vielleicht nicht mehr so unterwegs sein wollten, dass es zu stressig wurde, etc. Wenn es ein Statement in die Richtung gab, dass sie für eine Hardcore Band zu groß geworden wären, könnte ich das wirklich nicht verstehen. Aber, wie gesagt, ich kenne das Statement nicht und kann es daher auch schlecht interpretieren.

Meiner Meinung nach kann eine Band Erfolg haben, so viel sie will, solange sie sich selbst treu bleibt und sich nicht über Gebühr verbiegt. Da gibt es keine Goldene Regel. Jede Band muss selbst abschätzen können, wie weit sie geht.




Was sind die Pläne nach dem VÖ der Platte, folgt eine ausgiebige Tour? Wird es eine visuelle Umsetzung in Form von Videos oder Kurzfilmen geben?


In Kürze wird ein Videoclip für „Combat“ veröffentlicht und für den Herbst laufen die Planungen einer Tour. Da ist aber noch nichts spruchreif.



Habt ihr zum Abschluss noch eine kurze Botschaft für unsere Leser?


Wir danken natürlich für das Interesse und die jahrelange Unterstützung, gerade durch die Leute in Österreich. Nicht umsonst haben wir dort schon zwei Konzerte mitgeschnitten.
Und wenn ihr euch für veganes Essen interessiert, geht mal zum Schillinger ;)
www.charlys.at




Vielen Dank für euere Zeit!


Wir bedanken uns!


www.heavenshallburn.com

Autor: tsunemoto

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Beitrag vom 13.06.2010
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