Interview mit NEAERA - die finalen Selbstzerstörung


Basser Benjamin Donath erzählte mir am Telefon so einiges Interessantes über ihr aktuelles Album "Omnicied - Creation Unleashed", über die destruktive Art der Menschheit, Brutalität und positive Live-Energie.


Hi Benny, was machst du gerade und wovon halte ich dich ab?


Ach nichts, ich bin mit meiner Freundin hier in Köln, wir kochen jetzt gleich, aber ich hatte ja schon sehr viel Zeit mich mental auf das Interview vorzubereiten. (lacht)
Ist also schon fest in den Tagesablauf eingeplant, du hältst mich somit von überhaupt nichts ab.




Ok. Ist eine mentale Vorbereitung nötig?


(Lacht)



Vielleicht gerade, weil es ein Interview mit einem Österreicher ist?


(lacht noch herzhafter) Nein, ach Quark. Ist schon alles entspannt.




Wie kommt euer neues Album bisher weltweit an?


Doch recht gut. Im Gegensatz zu den ersten Reaktionen, als wir den ersten neuen Song online gepackt hatten, die waren relativ gemischt und da waren auch durchaus ein paar sehr negative dabei. Aber jetzt, wo die ganze Platte draußen ist und man diese als Ganzes hören kann, sind die Reaktionen jetzt doch super.



Wo siehst du grob die Unterschiede zu den Vorgängern?


Ich habe so das Gefühl, dass es schon alleine von der Produktion und dem Sound her ein reichlich fieseres Album ist. Ich denke auch, dass es dadurch ein bisschen fordernder und auch kompakter ist. Außerdem sind wir ohne Konzept und viel befreiter ans Songwriting rangegangen. Wir sind dann einfach mit 3 Alben und einigem Live Material im Rücken in den Proberaum gegangen und haben gesagt, dass wir einfach schauen, was passiert und was sich entwickelt. Aber wir konzentrierten uns auch darauf, dass jeder Song in sich stimmig ist, das ist auch das Wichtigste, aber stilistische Vorgaben oder so gab es in dem Sinne überhaupt nicht. Ganz im Gegensatz zur „Armamentarium“, wo wir am Anfang schon wussten, wo die Platte hingehen soll.



Aufgrund der Arrangements und der Härte braucht die Platte aber auf jeden Fall mehr Durchläufe als die vorigen.


Ja, das habe ich schon öfter gehört…



War das so geplant?


Nein, so geplant war das nicht. Wenn man das Material hört und mit den vorherigen Dingern vergleicht, dann kann ich das schon irgendwo nachvollziehen. Es ist halt letztendlich eine wesentlich aggressivere Produktion geworden. Ich denke, es ist eine Weiterentwicklung im Songwriting und verlangt einem sicher mehr ab. Beabsichtigt war das trotzdem nicht, wobei ich es trotzdem gut so finde. Es ist sicher besser, wenn ein Album ein bisschen braucht, um sich zu entwickeln und du dich ruhig auch etwas reinhören musst, aber dann hast du es irgendwann lieb gewonnen. Sicher besser als ein Album, das vielleicht sofort rein geht, aber nach 1-2 Wochen geht sie dir schon am Sack.



Bei euch sind nun fast alle Metalcore Elemente weggefallen und dafür neue Death Metal Seiten entstanden. Wie siehst du generell diese schon fast sterbende Szene, denn auch viele weiter große Bands dieser Sparte, wie eben MAROON oder HEAVEN SHALL BURN, sind mittlerweile in andere Richtungen gegangen?

Das kann ich nur bestätigen. Metalcore, das ist ja immer so eine Sache. Unsere erste Platte konnte man da noch grob einordnen in das Genre. Ich fand schon, dass mit der zweiten schon ein großer Schritt weg war und mit der dritten haben wir dies dann fortgesetzt und jetzt mit dem Wechsel des Produzenten und des Sounds ist es sicherlich ein weiterer Schritt weg.
Ich kann jetzt eben nur für uns sprechen, aber wir wollen uns in erster Linie nicht wiederholen. Das ist immer so der Hauptanspruch. Macht ja eben keinen Sinn, eine Platte 2 mal aufzunehmen. Das ist auf jeden Fall schon eine schlüssige Entwicklung. Das ist natürlich bei anderen Bands auch zu beobachten, aber woran das liegt, kann ich natürlich nicht sagen. Ich würde aber mal schätzen, dass es so ähnlich ist, die könnten jetzt sagen – ja gut wir könnten jetzt auch „What Ever It May Take“ (2tes Album von HEAVEN SHALL BURN) nochmals irgendwie schreiben - aber wo ist der Sinn darin? Es ist einfach die Weiterentwicklung, Suche nach neuen Stilelementen. Und auch die ganze Szene und die Einflüsse, denen man sich als Musiker aussetzt, die entwickeln sich auch ständig weiter.
Ich meine, es kommen Bands aus den USA oder sonst wo und auch neue Richtungen und dadurch tauchen neue Einflüsse auf, die an einem nicht spurlos vorübergehen. Eine unterbewusste Entwicklung.




Wie kam der Titel „Omnicide – Creation Unleashed“ zustande?


Das Wort „Omnicide“ hatte Stefan (Keller) vorgeschlagen. Es ist natürlich ein sehr brutales Wort. Wir wollten aber nicht, dass es in sich so alleine steht. Das Wort brauchte noch irgendeinen Kontext, um es in ein Verhältnis zu setzen und dem Ganzen noch eine andere Bedeutung zu geben. Dann habe ich eben noch „Creation Unleashed“ vorgeschlagen, damit es eine Art Wortkomplex bildet, das auch Sinn macht. Die Idee dahinter ist - also der Omnizid ist ja quasi die Vernichtung von allem durch Menschenhand, dieser wird in den Kontext mit „Creation Unleashed“ gestellt, was bedeuten soll, dass es in der Menschheit so eine Tendenz gibt, alles was die Menschen irgendwie großartig macht und als Krone der Schöpfung bezeichnet, auch ganz viele negative Tendenzen birgt und die sich immer wieder bahn brechen im Verlaufe der Evolution und Geschichte. Es gibt eben eine Tendenz hin zur finalen Selbstzerstörung, also zum Omnizid. Man sieht es ja heutzutage überall, Klimakatastrophen, Finanzkrisen oder ein nuklearer Holocaust ist ja auch kein unrealistisches Szenario. Wenn jetzt irgendein religiöser Fanatiker beispielsweise eine Bombe in die Finger bekommt… das sind alles so Sachen, die man sich schon vorstellen kann, die sind real. Das ist eben das, was „Creation Unleashed“ – die entfesselte Schöpfung - noch zum Ausdruck bringen soll.



Dieses Thema zieht sich wahrscheinlich, textlich durch das ganze Album?


Ja, teilweise. Auf jeden Fall wird im Titeltrack dieses Thema aufgegriffen. Da ist ja auch die Rede von nuklearer Aufrüstung und Umweltzerstörung. Das ist sicherlich der eindeutigste Text, der sich damit beschäftigt. „Ceasura“ – da geht es um die Weltwirtschaftskrise, die ja jetzt wahrscheinlich noch gar nicht ihr ganzes Ausmaß gezeigt hat. Ich weiß zwar nicht, wie es in Österreich aussieht, aber hier werden ja reihenweiße Firmen und Werke geschlossen. In den USA gibt es ja dann auch noch die Hypothekenkrise. Das sind alles Themen die es Wert sind aufgegriffen zu werden. Dann gibt es noch „Age Of Hunger“, das ist auch ein kritischer Globalisierungstext, der stammt von Stefan.

Natürlich blieben wir uns auch unserer alten Linie treu. Da gab es, du wirst es wahrscheinlich wissen, neben den politischen Sachen auch immer recht persönliche Texte. Wir wollen auf eine persönliche Weise ermutigende Texte schreiben, so wie „Pray To Anguish“ oder, wenn du die erste Platte hernimmst, „Save The Drowning Child“ zum Beispiel. Es ist eine relativ einfach Sache, alles mit Zynismus zu sehen und sich zu Hause einzuschließen und den Kopf in den Sand zu stecken. Das ist aber natürlich nicht der richtige Weg. Wir wollen einfach eine positive Gundausstrahlung an den Tag legen, dass man, obgleich den Titeln die wir vorlegen, die natürlich recht düster sind, den Kopf hochalten sollte und versuchen ein offener Mensch zu bleiben, um neue Perspektiven zu gewinnen.




Wie passt das Cover zu dem Konzept?



Die Idee zum Cover hat der Terje Johnson mit mir gemeinsam entwickelt. Wir haben ihn gefragt, weil er das Cover zu „Armamentarium“, mit dem wir sehr zufrieden waren, auch schon gemacht hat. Wir haben dann gesagt, dass wir einen recht abstrakten Titel haben und diesen dementsprechend visualisieren wollen – und wer kann das wohl am besten…
Die Arbeitserfahrung mit ihm war schon letztes Mal super, darum habe ich ihn wieder angehauen. Die Frage war eben, es sollte, da das Wort „Omnicide“ recht dominant ist, eine gewisse Schroffheit und Rohheit dabei sein, aber gleichzeitig wollten wir nicht so ein Splatter-Ding werden oder ins Triviale abgleiten.

Im kompletten Artwork ist auch viel Blut drinnen und das erschien mir einfach als eine gut Metapher für die Menschheit. Es tauchen, außer diesen Silhouetten, die auf dem Boden noch zu erahnen sind, keine Menschen in dem Artwork auf, sondern nur dieses Blut, das in den Landschaften und am Ende als richtiger Wirbelsturm auftaucht. Das ist eben so eine Metapher für die Menschheit und natürlich auch für die Wunden, die sie in die Natur schlägt. Das schien mir eine sehr gute Geschichte, um das in angemessener Brutalität zu versinnbildlichen.




Kommen wir zu den Live-Aktivitäten. Ich hoffe es klingt jetzt nicht übertrieben, aber ihr wart vor einiger Zeit mit AS I LAY DYING auf Tour und ich weiß nicht, wie die restlichen Gigs verlaufen sind, aber in Linz habt ihr AS I LAY DYING förmlich an die Wand gespielt.


Haben wir sie an die Wand gespielt? Hehe, das möchte ich jetzt nicht sagen, bist du dir sicher?


Jap, habe ich auch aus mehreren Quellen bestätigt bekommen.


Das freut mich natürlich zu hören. Das Konzert war auf jeden Fall eines der krasseren, von der Publikumsreaktion her, zumal das ja auch das erste Mal war, dass wir in Linz gespielt haben. Gerade, wenn man wo zum ersten Mal hinkommt, ist es natürlich so ein Geben und Nehmen bei einem Live-Konzert und wie die Leute da steil gegangen sind, das war schon Wahnsinn. Man weiß ja vorher nicht immer, wie die Leute dort auf uns reagieren und auch was man erwarten soll. Aber da ging es einfach nur ab und voll auf die Fresse. Bei AS I LAY DYING war es, glaub ich noch total Punk Rock, wie viele Leute da auf der Bühne standen, das war, glaube ich, das einzige Mal auf der Tour, dass so viele Leute gestagedived sind. Es war schon richtig, richtig geil und ein sehr denkwürdiges Konzert.



Für mich definitiv auch. Letztes Jahr wurde ich auch Zeuge einer guten Show am Summer Nights und auch dieses Mal wart ihr wieder eingeladen. Wie war es für euch auf dem Fest?


Super. War richtig gut. Wir hatten vorher in der Schweiz gespielt. Wir sind dann schon um 5 Uhr morgens aufgestanden, weil wir so lange fahren mussten und als wir ankamen, war dann die Organisation durch dieses Unwetter durcheinander geschmissen. Wir hätten eigentlich um halb eins oder so spielen sollen, haben aber dann letztendlich auf der Kleinen, die letztes Jahr die Große war, gespielt, irgendwann gegen 8 Uhr abends. Es war aber auch ein richtig geiles und auch angenehmes Konzert. Es hat dann auch von der Organisation her richtig gut geklappt. Dass die das, angesichts dieses Unwetters, geschafft hatten, das umzuorganisieren. Da muss man dann schon den Hut davor ziehen. Auch dass die Fans das so cool weggesteckt haben und es war überhaupt keine negative Energie oder so zu spüren. Im Gegenteil, es war ein richtig gutes und entspanntes Konzert – ne richtige Summer Night (lacht)



Wo siehst du die Unterschiede für euch und was ist dir lieber: Festival- oder Clubauftritt?


Tja, das ist ne gute Frage, die ich schon öfter gefragt worden bin. Wir hatten jetzt Festivalsaison und da bin ich natürlich jetzt recht befangen, weil wir jetzt einige Gigs auf Festivals gespielt haben und da ist es auf jeden Fall geil, dass man dann auch neue Leute wieder erreicht. Das sind ja viele buntgemischte Billings teilweise, da kann es auch sein, dass man mal aus dem Rahmen fällt als Metal Band. Für mich zum Beispiel, einem der hauptsächlich auf Death Metal steht, ist es schön zu sehen, dass manche Bands wie beispielsweise DIE APOKALYPTISCHEN REITER eine ganz andere Wirkung haben. Da habe ich dann auch einen ganz anderen Zugang dazu. Der Vorteil ist auch, dass man sagen kann – die Band kenne ich zwar nicht, aber die nehm ich noch mit. Und wenn man dann eine positive Energie auf die Bühne mitbringt und die Leute merken, dass man Spaß hat, dann wird das auch honoriert. Von der Intensität ist das dann schon etwas anderes. Auch eine fette Wall Of Death ist natürlich möglich.

Auch so eine Club Show ist ein fettes Erlebnis. Das ist dann oft so wie ein kochender Pot, wo einer den Deckel zugenietet hat. Es fasziniert mich beides auf seine eigene Weise bzw. hat beides seine Aspekte. Ich könnte mich jetzt eigentlich nicht entscheiden. Ich finde Live spielen einfach generell geil. (nachgeschossen) – diplomatische Antwort (lacht)




Bevorzugst du MP3s oder eher physische Alben mit Case, Cover usw.?


Ich finde eigentlich physische Alben besser. Es ist ein anderes Höhrerlebnis. Man hat auch einen besseren Zugang. Klar, möchte ich jetzt nicht bestreiten, wenn ich eine neue Band irgendwie abchecken will, schaue ich auf MySpace, ist ja sowieso klar, nach oder höre in MP3s rein. Wenn ich bei physischen Tonträgern das gesamte Artwork, die Gesamtkunst zu der CD, noch dabei hab, das finde ich vom Künstlerischen her dann anspruchsvoller. Es muss natürlich dann auch klarerweise vom Preis her passen. Für die Fans ist dann natürlich auch wichtig, was dann vielleicht an Bonus Material dabei ist.



Gibt es Länder, in denen ihr noch nicht gespielt habt und gerne hin wollt?


Selbstverständlich gerne in den USA. Japan wäre auch mal toll. Waren ja schon befreundete Bands wie HEAVEN SHALL BURN und CALIBAN dort und das wären auch die Dinger, die realistisch sind. Australien wäre natürlich auch mal richtig geil. Es gibt ja auch recht gute Szenen in den Ländern. Mal wieder nach UK zu kommen, wäre auch sinnvoll. Das werden wir auch auf der nächsten Tour machen, aber die USA steht auf jeden Fall ganz oben.



Was waren die letzten Alben, die du dir zugelegt hast?


Vor kurzem erst von WOLFES IN THE THRONEROOM, die „Two Hunters“, die habe ich mir auf einer Show von denen gekauft.



Was wäre so dein Tour-Traum-LineUp?


Ich habe letzten Montag LAMB OF GOD gesehen. Also ich war mit Patrick von CALIBAN dort und hatte auch das Glück den Sänger privat kennenzulernen. Das ist eine Band, von der ich einfach ein „die hard“–Fan bin. Wenn wir mit der Band auf Tour gehen könnten, das wäre schon die Erfüllung eines Traumes irgendwie. BEHEMOTH oder zumindest mal eine Show mit BOLT THROWER. Das sind auch so Helden von uns.


So, dann kommen wir zum Ende. Ich bitte dich noch um die berüchtigten letzten Worte.


Ich danke euch vielmals, oder dir für das Interesse und ich hoffe wir kommen mal wieder vorbei. Ich habe jetzt meine Hausaufgaben nicht gemacht, ich habe den Tour Plan nicht angeschaut, aber da muss Österreich dabei sein.



Ja, ein Gig in Fürstenfeld.


Wo ist das?


Ganz weit im Süden. In der Steiermark.


Ah, ich hoffe nicht zu weit für dich.


Ja doch, leider doch ein riesen Stück.


Oh Mist!
Dann hoffe ich, dass ich euch, die ihr das Interview lest, bald mal auf einem Gig oder Festival treffe, checkt das neue Album und sagt uns, was ihr davon haltet. Und Stay Brutal!



Dann wünsch ich dir noch viel Spaß beim Kochen.


(lacht) Ja danke, werde ich mir machen.


www.neaera.com

Autor: maxomer

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Beitrag vom 07.09.2009
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