Im Rahmen des IN FLAMES-Gigs in der Wiener Arena, hatten wir die Ehre, mit niemand geringerem als Björn Gelotte zu sprechen! Von einem sehr netten Assistenten werden wir hereingebeten und in den Interviewraum geführt, wo uns gleich Getränke angeboten werden. Kurz darauf erscheint Björn und entschuldigt sich gleich, dass wir solange (eigentlich bloß 2 Minuten!) warten mussten.


Wie gefällt dir die Tour bis jetzt?


Naja, das ist erst der zweite Tag der Tour. Aber es macht Spaß! Es ist gut, wieder im Tourbus zu sein, denn die letzte Tour, die wir machten bestand nur aus Herumfliegen und in Hotels zu sein und das ist nicht das selbe. So ist es besser, wenn man sein ganzes Zeug um sich herum hat.



Mit diesem Line Up existiert ihr jetzt seit bereits 12 Jahren! Seid ihr denn so gute Freunde oder gibt es auf Tour auch mal Momente, wo man sich gegenseitig auf die Nerven geht?


Es ist wie in einer Familie, wenn man auf engem Raum zusammen wohnt. Klar, es gibt immer Meinungsverschiedenheiten und sowas, aber ich denke das ist sogar gesund! Die Jungs sind meine besten Freunde! Es sind einfach die Typen, die ich schon am längsten kenne und wir haben schon sehr viel gemeinsam durchgemacht. Wir sind alles Leute, die touren wollen. Alle früheren Mitglieder wollten nicht touren und das unterscheidet sie von uns. Wir sind nicht nur wegen der Musik beisammen, auch wenn wir nicht auf Tour sind, hängen wir oft gemeinsam herum und quatschen auch viel.


Wie ist euer Tourleben eigentlich so? Ich meine, ihr seid eine der berühmtesten Metalbands der Welt! Ist es wirklich so klischeehaft; Sex, Drugs and Rock’n Roll?


Ich finde, dass „Sex Drugs and Rock’n Roll“ eher eine Art Einstellung ist, als ein „Hobby“. Ich denke in den früheren Zeiten einer Karriere ist sowas wichtiger. Ich möchte nicht sagen, dass wir alt sind, aber wir haben jetzt einfach andere Sachen als „Sex Drugs and Rock’n Roll“, auf die wir uns konzentrieren. Ich finde sowas engt die Musik ein, engt deine Fähigkeit, Musik zu machen ein. Klar, es macht wirklich verdammt viel Spaß, so eine Einstellung zu haben, einfach nur jeden Tag Party zu machen. Aber es geht einem mit der Zeit auch auf den Sack. Wir alle mögen Bier und auch Whiskey, aber wir genießen es eher, wir übertreiben es einfach nicht. Wir nehmen keine Drogen, haben es auch nie gemacht, denn alle die wir kennen, die Drogen nehmen, die neigen alle dazu wirklich langsam zu werden und das ist einfach nichts für uns. Sex, natürlich mögen wir das! (lacht) Wie jeder andere auch! Und es ist auch ein wichtiger Teil des Lebens!


Und was macht ihr dann, um euch die Zeit auf Tour zu vertreiben?


Ja, gleich im oberen Stock haben wir unser großes Entertainment-Set mit einer X-Box, einem Flatscreen usw., wir haben auch haufenweise Bier! Jeder hat außerdem einen Laptop und wir spielen viele Videospiele, lesen aber auch Bücher oder sehen Filme!


Dein Lieblings Videospiel?


(Wie aus der Pistole geschossen): World Of Warcraft! Ja, das spielen viele meiner Freunde! Naja, ich hab zwei Level 80 Charaktere und habe glaub ich noch 6 weitere Charaktere auf den Weg dorthin! Aber es nimmt sehr viel Zeit in Anspruch! Wenn ich bei meiner Familie bin, dann spiele ich meistens spät nachts, das tun meine Freunde nämlich auch!



Und du willst uns bestimmt nicht sagen welcher Server oder?


Oh doch das kann ich! (grinst) Es ist kein deutscher Server, ein englischsprachiger, er heißt „Trollbane“. Aber da spielen sowieso ein paar tausend Leute, ihr werdet mich also eher nicht finden! (grinst)




IN FLAMES ist dafür bekannt, wirklich verdammt viel zu touren! Ihr seid auch schon fast überall gewesen! Gibt es irgendeine Location oder irgendein Land, wo ihr noch nie wart, aber unbedingt mal spielen wollt?



Oh ja da gibt es einige Orte! Ich meine, die Welt ist wirklich groß und wir haben schon in vielen versteckten Winkeln gespielt, aber eben noch nicht in jedem. Wir haben zum Beispiel noch nie in Afrika gespielt und neulich auch erst das erste mal in Süd-Amerika und ich meine, wir machen das jetzt seit 15 Jahren. Süd-Amerika war besser als ich es mir je erwartet hätte und ich möchte gerne wieder mal dort spielen! In Afrika gibt es ein paar Metalshows bei denen es möglich wäre zu spielen und bei denen wir auch gerne zwischendurch mal auf Safari gehen würden oder so, aber bis jetzt hatten wir leider keine Zeit. Das ist eigentlich unser größtes Problem. Denn wir haben jetzt noch ganz Europa zu betouren, dann muss man auch in den USA und in Kanada touren und auch durch Australien und Japan. Da ist also nicht viel Zeit übrig, wenn man auch mal Zeit mit seiner Familie verbringen möchte!




Wenn man sich all diese riesen Bands ansieht, wie beispielsweise METALLICA oder ACDC, sie alle existieren seit über 20 Jahren und denken nicht einmal daran, aufzuhören! Dasselbe gilt für IN FLAMES, mit dem Unterschied, dass ihr noch jünger seid. Wo siehst du IN FLAMES in 10 oder 20 Jahren?



Weißt du, wir haben eigentlich nie irgendetwas geplant. Wir richten alles einfach nach dem Gefühl, das wir dabei haben. Das ist dasselbe mit der Musik die wir schreiben; „Okay jetzt haben wir das gemacht, mal sehen ob wir das dazu nehmen können!“ Ich kann zwar sagen, dass es noch mehr Alben von uns geben wird, aber ich kann nicht sagen in welcher Form oder wie viel wir noch touren werden. Im Moment fühlt es sich toll an zu touren und es war bis jetzt auch immer toll, also vielleicht werden wir für die nächsten 15 Jahre so weitermachen! Aber wie gesagt, wir planen das einfach nicht. Wir haben auch kein wirkliches Ziel. Wir werden es einfach machen, solange es uns Spaß macht und wir dabei glücklich sind!



Ihr habt also nichts was ihr noch erreichen wollt?


Hmm… eigentlich haben wir all die coolen Touren, die man einmal machen sollte schon gemacht! Wir haben all diese riesen Bands supportet, haben schon auf all diesen coolen Festivals gespielt und dazu noch die meisten als Headliner! Ich denke, wenn man Musik macht, nur um etwas zu erreichen, was vielleicht auch schon jemand anders erreicht hat, dann ist das die falsche Herangehensweise. Denn die Musik ist das Zentrale, das war es immer und wird es auch immer bleiben! Und wenn man genug Glück hat, und viele Leute das mögen, was du machst, dann kann man all diese coolen Sachen machen! Das ist dann eben eine Art Side-Effekt. Aber wir machen das nicht, um irgendetwas zu erreichen. Wir machen das wie gesagt, weil es uns Spaß macht!


Ihr habt bereits über 2 Millionen Tonträger verkauft! Als Teil einer Band, die bereits so viel verkauft hat, was sagst du zum steigenden Konsum von illegalen Musikdownloads?


Puh… es ist ein zweischneidiges Schwert. Also erstmal finde ich, dass 2 Millionen Platten gar nicht mal so viele sind, wenn man bedenkt, dass wir das schon seit 15 Jahren machen! Im Gegensatz zu Riesenacts wie METALLICA oder MADONNA, die solche Zahlen allein mit einem Album erreichen. Es ist also eine ganz andere Situation für uns. Hauptsächlich weil wir eine engagierte Fanbase haben. Wenn unsere Fans erfahren, dass wir ein neues Album rausbringen, dann denke ich, kaufen sich viele das Album. Nicht um die Band zu unterstützen, sondern damit sie das reelle Produkt in den Händen halten. Viele Metalleute, inklusive ich selbst, stehen mehr auf dieses Format. Natürlich habe ich auch einen I-Pod, ein Handy und einen Computer und höre auch darauf Musik! Aber wenn ich zu Hause bin, dann lege ich meistens eine CD ein! Für mich ist das irgendwie eine Art Ritual. Man hat das Booklet, kann sich die Bilder anschauen, die Dankesliste durchlesen und all das. Das habe ich schon immer so gemacht.


(Der Assistent betritt den Raum und hält Björn eine große Karte hin)
Oh entschuldige bitte, ich würde ja gerne sagen, dass das Arbeit ist, aber hier geht es um das Essen nach der Show (schmunzelnd).


Du musst unbedingt Wiener Schnitzel probieren!


Verdammt es gibt nur Sushi, das einzige was ich nicht mag!


(Der Assistent verschwindet wieder)

Bitte entschuldige nochmal! Ja, also wie gesagt, es ist ein zweischneidiges Schwert! Für Acts wie MADONNA, MICHAEL JACKSON oder GUNS’N ROSES mag es durchaus ein Problem sein. Wenn sie zum Beispiel eine Single rausbringen, dann ist es für so manchen einfach bequemer, die Single downzuloaden, denn eine Single-CD ist meiner Meinung nach eher ein Format, das keiner so wirklich mag, denn es ist allerhand unwichtiges Zeugs drauf.
Ich werde illegales Downloaden nie unterstützen! Ich finde, dass das Mp3-Format durchaus etwas ist, auf das man sich konzentrieren sollte. Es gibt schon so viele Webportale für Künstler. Aber viele große Künstler sind einfach einen Schritt zurück! Sie leben noch immer in der Vergangenheit, wo sie einfach mal ein paar Millionen Platten verkaufen konnten. Aber so läuft das heute nicht mehr! Es ist jetzt einfach alles viel zugänglicher geworden. Man muss da einfach mit der Zukunft gehen. Für kleinere Bands finde ich, ist es durchaus gut, denn so können viel mehr Leute viel leichter auf solche Bands stoßen und sie unterstützen. Auf diesem Wege kann man viel mehr Leute erreichen, die dann wiederum zu deinen Shows kommen und dann vielleicht Langzeitfans werden. Deshalb empfinde ich das Downloaden an sich als eine gute Sache. Aber illegales Downloaden ist nie richtig! Nichts das illegal ist, ist gut! Das ist immerhin das, was das Wort bedeutet! (lacht). Aber legales Downloaden ist ein super Service! Viele Bands oder Labels stellen ihre Produkte online zur Verfügung und haben ihre Downloadportale. Wir haben das auch! Ich finde, dass sowas der richtige Weg ist, aber was rede ich da, ich bin immerhin kein Labelmanager sondern nur ein Musiker! (lacht)




Was sagst du eigentlich zu all den True-Metal-Fans da draußen, die behaupten, dass IN FLAMES zu kommerziell geworden sind?


Also erst mal finde ich, dass die Leute denken sollen, was sie wollen. Jeder hat seine freie Meinung und hat das Recht sie kundzutun. Das wollen wir auch nicht ändern! Über diese True-Diskussion habe ich nicht einmal eine eigene Meinung. Aber ich kann es durchaus verstehen! Ich bin zum Beispiel ein riesen Fan von DIO, mag aber seine älteren Sachen lieber als die neueren, das heißt aber nicht, dass ich denke, er hätte etwas falsch gemacht! Es ist einfach so, dass ich mich in früheren Zeiten besser mit seinen Alben identifizieren konnte, als ich das mit den neueren tue. Es ist einfach eine Geschmackssache! Wir haben nie unsere Musik für irgendjemand anderes geschrieben. Genau das würde bedeuten, sich zu verkaufen! Wenn wir unsere Songs immer so schreiben, wie wir sie mögen, dann haben wir auch immer Spaß, sie live zu spielen und können immer true bleiben. Aber genau solche Leute, die wollen, dass wir gleich bleiben wie vor 10 Jahren, sind die, die wollen, dass wir uns verkaufen und bloß das spielen was das Publikum will! Ich bin absolut nicht deren Meinung, aber wie gesagt, das ist eine freie Welt. Wir versuchen nicht unsere Musik zu verkaufen, wir wollen einfach nur den Leuten die Augen öffnen, gut das sind jetzt große Worte, aber genau darum geht es in der Musik! Also wenn es dir gefällt: Super! Wenn nicht, dann such dir was anderes!



Du warst auf zwei IN FLAMES-Alben an den Drums, bevor du zur Gitarre wechseltest: Spielst du immer noch Schlagzeug zum Spaß?


Nein, ich versuche von den Drums wegzublieben, es ist mir zu anstrengend, ich komme dabei immer ins Schwitzen! (lacht) Gut, es macht Spaß, aber ich war nie ein Drummer, es war damals einfach so, dass ich der einzige war, der ein bisschen Schlagzeug spielen konnte!


Aber es klingt sehr gut, was du auf „The Jester Race“ und auf „Whoracle“ gespielt hast!


Naja, im Vergleich zu dem, was Daniel (Svensson, Drummer – Anm. d.A.) spielt, ist es scheiße! Wir haben jetzt einen richtigen Drummer! Als wir es zum ersten mal mit Daniel ausprobierten, war mein erster Gedanke: „Ja! Jetzt muss ich nicht mehr spielen!“ und der zweite war: „Ja, wir haben einen verdammt guten Schlagzeuger!“ (lacht) Gut, ich kann vielleicht mal so 10 Minuten spielen, aber Drums aufnehmen möchte ich nicht mehr machen.



Gab es je einen Moment in deinem Leben, in dem du daran dachtest, die ganze Musik aufzugeben und dir einen “regulären” Job zu suchen?


Ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte. Klar, es gibt Momente, in denen es mich nervt, weg von zu Hause zu sein, wenn wir viel unterwegs sind, aber wenn man sich dann hinsetzt, denkt man bloß: „Was zum Teufel würde ich sonst machen! Ich in einem Laden? Warum sollte ich früh am morgen aufstehen, wenn ich das nicht muss?“ Ok, meine Kinder wecken mich auch früh auf, aber das ist anders, das habe ich mir ausgesucht! Natürlich muss ich etwas anderes machen, wenn das mit IN FLAMES mal zu Ende ist, aber es wird definitiv etwas mit Musik zu tun haben! Wir haben ein eigenes Studio, verbringen viel Zeit dort, helfen den Leuten, genauso wie uns damals geholfen wurde und sowas. Also vielleicht werde ich so etwas mal machen; Alben von anderen zu produzieren, oder für andere Musik zu schreiben, auf jeden Fall wird es mit Musik zu tun haben!



Ich hoffe die Frage ist ok: Wie geht es Jesper in der Entzugsklinik?


Ihm geht es gut! Es ging ihm schon sehr lange ziemlich schlecht! Ich glaube, er war sich seinem Problem nicht bewusst, und als er sich dessen dann bewusst wurde, traf es ihn sehr hart und er brauchte eine Auszeit. Und wir sagten dann, er soll sich um sich kümmern, wir würden alles andere schon regeln, sodass er sich auf sich konzentrieren kann. Es wird noch viel Zeit brauchen, aber ich denke es geht ihm schon besser!



„A Sense Of Purpose“ ist jetzt noch nicht einmal ein Jahr her, aber arbeitet ihr schon an neuem Material?


Nun, um ehrlich zu sein, habe ich noch gar nichts geschrieben, seit kurz vor dem letzten Album! Zumindest nichts Solides. Aber vor gerade einmal einer Woche baute ich mir ein kleines Studio in meinem Keller, warf den ganzen Scheiß raus und stellte mir ein paar Studiosachen rein (Lacht). Also ich fing an, ein bisschen was zu machen! Aber eigentlich können Jesper und ich am besten unter Druck arbeiten, und wir sind auch schon hungrig darauf, wieder was zu machen! Also es wird bestimmt wieder ein neues Album geben, aber ich weiß noch nicht wann oder was es sein wird! Aber wahrscheinlich wird es erst nächstes Jahr was werden, denn wir haben den Rest des Jahres noch viele Gigs vor uns!



Und wird es wieder in den IF-Studios aufgenommen werden?


Ja, es ist das beste Studio in dem ich je war! Und das sage ich jetzt nicht, weil es meines ist, sondern ich denke das ist wirklich so! Es ist einfach etwas anderes, in seinem eigenen Studio, wo man alles hat, was man braucht, aufzunehmen. Wir haben vieles dort, auf das man als Band wert legt; ein Pinballspiel, Fernseher, einen Kühlschrank voll mit Bier…


Ihr werdet also nie mehr ein anderes Studio benutzen?


Nein, solange wir können, nehmen wir alles dort auf! Es ist eine Frage der Zeit, weil viele Bands zur Zeit dort aufnehmen, es ist also nicht leer wenn wir auf Tour sind.


Erwartest du dir irgendetwas von heute?


Seit Jesper weg ist, sind wir songtechnisch nicht so flexibel, wir haben einfach unsere 17, 18 Songs, die wir spielen, wir können es uns im Moment einfach nicht leisten, spontan zu sein. Aber der Sound ist ziemlich gut hier und es ist gut wieder zurück in Europa zu sein, nachdem wir in Südamerika gespielt haben. Es ist zwar super dort, aber irgendwie chaotisch! Dann waren wir in Australien und in Japan, wo es wirklich wie in einer anderen Welt ist. Es ist jetzt noch der Anfang dieser Tour, also habe ich noch recht viel Energie! (lacht)


Ja, vielen dank für das Interview!


Gerne! Genießt die Show!


Woraufhin wir von einem sehr sympathischen Björn Gelotte sogar noch hinausbegleitet werden… Wirklich alles nette Leute, von irgendeiner Abgehobenheit keine Spur!