Interview mit NEGATIVE - You are too young to be old...


Es ist Mittwoch, kurz vor halb fünf, als Harald und ich den Eingang der SZENE erreichen, wo uns schon von weitem ein kleiner Haufen von NEGATIVE Groupies entgegenstarrt und schnell huschen wir vor den Augen - der in diesem Moment wohl sehr neidvollen Fans- ins Innere der Location. Im Hintergrund hören wir den Soundcheck, es ist laut und die Stimmung gut. Als ganz plötzlich eine kapuzenverhüllte Gestalt in Jeans und Turnschuhen an uns vorbeihuscht – unverkennbar – es ist Jonne, der liebreizende Frontman der finnischen Band NEGATIVE, mit dem ich gleich ein Interview führen werde. Kurz darauf werden wir auch schon Backstage geführt und treffen in dem kleinen Raum auf Jonne und Larry Love, dem lockigen Gitarristen. Nach kurzem Händeschütteln, hat jeder von uns einen Platz gefunden.
Ich stelle die erste Frage…



Hei Jungs! Wie gehts euch? Paddys Day gut überstanden bzw. habt ihr überhaupt Zeit zum Feiern gehabt?


Jonne: Danke, uns geht es toll. Wir sind nur ein bisschen müde und wir haben nicht wirklich viel Zeit gehabt zu feiern, da wir die ganze Nacht durchgefahren sind, nur dann im Bus…
Larry Love (lacht): Ein bisschen zu viel Vodka.



Wie ist eure Tour bis jetzt gelaufen?


Jonne: Es war bis jetzt eine super Tour und es ist toll neue Länder zu bereisen...


Wo wart ihr bis jetzt?


Jonne: Spanien – zwei Shows, Italien und jetzt sind wir hier (grinst)
Larry Love: Einen Tag hatten wir danach frei, das war schön.



Und, wie gefällt es euch in Wien?


Jonne: Ich erinner mich an das letzte Mal in dieser Venue – es war eine super Show. Wir haben mit "Anorectic" getourt. Es ist toll wieder hier zu sein – mittlerweile sind ja zwei Jahre vergangen, seit wir das letzte Mal hier waren…


Was hält ihr von den österreichischen Groupies? (zwinker)


Jonne (nachdenklich): Ich denke, die Leute sind ein bisschen fanatisch und äääh... und wirklich... hmm... wie soll ich sagen…Sie würdigen uns wirklich…
Larry Love: Ich habe gerade mit ein paar Fans draußen geredet, wirklich ausgesprochen höfliche Leute.





Stichwort "Karma Killer": Ich finde, dass sich das Album „erwachsener“ anhört und die Songs „straighter“ sind, aber auch mit sehr viel mehr Tiefgang. Euer Gig am Simerock 2008 hat diese Veränderung auch sehr schön zum Ausdruck gebracht.


Jonne (sinniert): Hmmm...




War das beabsichtigt oder ist es diese typische Haltung „Jetzt sind wir reif und ach sooo erwachsen“ ...blabla...


Jonne: Nein, ich glaube... hmm... also ich bin der jüngste in der Band, 25 Jahre alt (lacht), also es wäre lächerlich in einer bestimmten Zeit oder Stimmung stecken zu bleiben. Ich glaube ...hmm... also wir haben ja sehr jung gestartet, bei "War of Love" waren wir 17, 18 Jahre.
Larry Love: Yeaaaah...
Jonne: Es war etwas Wachsendes.



Also, du meinst, dass dieser Wandel ein natürlicher Prozess war?


Jonne: Jaaa, genau. "Anorectic" war mehr authentisch, wir wollten etwas Probieren, etwas Neues und "Karma Killer" war dann ein natürlicher Schritt.




Okay, nächste Frage: Auf den Singles habt ihr manchmal Akustik Versionen von manchen Songs. Habt ihr jemals mit dem Gedanken gespielt eine Akustik Tour zu machen?


Jonne: Hmmm.


Ich denke, viele eurer Songs wären perfekt dafür geeignet!


Jonne: Yeaah...
Larry Love: Eines Tages, vielleicht.
Jonne (lächelt verschmitzt): Jaa, wir verkaufen jetzt noch nicht genug Alben.



Ooohh... (neckend)


Jonne: Wenn wir eines Tages alt sind und am Ende sind und nichts mehr verkaufen... (großes Gelächter)


Harald: Ich denke nicht, dass es das Ende wäre, nein also ich glaube das so eine Tour super wäre, wenn ich da nur an Akustik Tours von Anathema oder Opeth denke...


Jonne (grinst): Yeah, war nur `n Witz!! (setzt wieder ein ernstes Gesicht auf). Ich denke es würde toll werden, wie Nirvanas Unplugged New York, das war immer etwas ganz Spezielles für mich. Irgendetwas in diese Richtung... eines Tages vielleicht... Es wäre toll etwas in diese Richtung zu machen... Für eine DVD vielleicht, mal schauen.

Larry Love: Oder etwa für eine TV Show.
Jonne: Jaa, genau.
Larry Love: Also Stuff in diese Richtung..
Jonne: Ich würde niemals nie sagen, in 4-5 Jahren vielleicht, wir sind da sehr offen.



Auf eurer 2. Veröffentlichung "Sweet & Deceitful" hattet ihr dieses Duett mit Ville Leihiala von SENTENCED und POISONBLACK (Anmerkung: "Until you´re mine") – Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und habt ihr etwas Änhliches für die Zukunft geplant?


Jonne: Auf jedem Album gibt es einen Song, der etwas Besonderes ist und dann war es Ville für "Until you`re mine". Es passierte einfach so, es hörte sich an wie Sentenced.
Larry Love: Der Arbeitstitel für diesen Song war Sentenced. Es war die beste Entscheidung überhaupt.
Jonne: Im Grunde war es Anttis Idee. Es war halb im Scherz... „Wir sollten Ville fragen“ und dann bekam ich seine Nummer und ich rief Ville an und er sagte: „Was zur Hölle“ und im Endeffekt war er positiv überrascht, dass der Song so gut war. Er dachte wohl, was für einen „Teenie Cheesy Pop Kacke“ geben sie mir da, aber er sah ein, dass er sich getäuscht hatte.



Apropos Sentenced: Was sagt ihr zum Tod von Miika Tenkula?


Jonne: Ich war sehr geschockt, es ist immer sehr traurig, wenn Leute sterben... in diesem Alter...
Larry Love: Ja, es ist sehr traurig.
Jonne: Ja, sehr schade.



Es heißt, er hatte ein Alkoholproblem...


Jonne: Mmh...
Larry Love: Yeah... Ich glaube, alle Jungs von Sentenced haben ein Alkoholproblem (lacht)
Jonne: Yeah...
Larry Love: Heutzutage.
Jonne: Yeaah...



By the way: Wie handhabt ihr es mit Alkohol im Allgemeinen und auf Tour?


Larry Love: Heutzutage besser.
Jonne: Mmmmh...
Larry Love: Ein paar Jahre zuvor, da haben wir mehr getrunken... mmmh...
Jonne (verschwörerisch): Wie du auf der DVD sehen kannst... (wieder ernst) Aber es macht dich traurig, man realisiert, das ist das Leben... Es ist das Leben und nur eine kurze Zeit, die wir hier verbringen. ...es ist... (sinniert)



Vergänglich?


Jonne: Ja, genau. Man weiß nie wann ein Flugzeug abstürzt... oder unser Bus verunglückt... Hoffentlich gibt es da ein paar Schutzengel... (lächelt)


Nun zu etwas Anderem: In Österreich und Deutschland bezeichnen viele der typischen Metalheads finnische Bands wie H.I.M., THE RASMUS und wahrscheinlich auch eure Musik als „Popmusik“ und „schwul“ und es scheint, dass sämtliche finnische Musik auf H.I.M. und CHILDREN OF BODOM reduziert wird.


Jonne (reißt übertrieben die Augen auf und lacht ungläubig): Schwul?


Jaaa, wirklich.


Jonne : Ich habe eine Antwort auf diese Frage. In Finnland gibt es nur wenige "Top-High" Produzenten und sie arbeiten für diese berühmten finnischen Bands – das ist der rote Faden dahinter denke ich und Skandinavier sind alle sehr melancholisch, das kommt durch die langen, dunklen Winter... die fesselnde Melancholie, es ist diese Kombination. CHILDREN OF BODOM unterscheidet sich total von unserer Musik.


Jep, definitiv!


Jonne: H.I.M. war die erste Band, die diesen „Stil“ gespielt haben.
Larry Love: Es ist normal und ganz typisch für Menschen, dass sie Dinge miteinander vergleichen. Es ist einfach zu sagen, dass sich jemand wie der oder der anhört.



Harald: Nur werden diese Vergleiche hier meist im negativen Sinne gezogen.


Jonne: Es ist Teil der menschlichen Natur, aber es ist mir egal, es interessiert mich nicht, denn ich weiß, dass wir eines Tages die Nr.1 sein werden (hält inne). Ach nein, wir sind es ja bereits (grinst). War nur ein Witz!
(wieder ernst) Es verhält sich wie bei BON JOVI, CINDERELLA, all diesen 80er Bands, wo quasi alle untereinander verglichen werden und so ist es auch bei uns.

Larry Love: Ich erinnere mich an dieses Buch von AEROSMITH, welches ich gelesen habe. Steve Taylor wurde am Anfang seiner Karriere stets mit Mick Jagger verglichen. „Du hörst dich an wie Mick Jagger, du siehst aus wie Mick Jagger. Immer nur Mick Jagger, Mick Jagger, Mick Jagger...“
Jonne: Mmmmh...



Okay, wollt ihr auf diesem Wege dem österreichischen Publikum was sagen?


Jonne: Ich möchte den österreichischen Fans für ihre Geduld danken, da wir es nicht schaffen jedes Jahr hier zu sein; manchmal dauert es zwei Jahre, ein Jahr, ein halbes Jahr... Es ist toll zu sehen, dass es nach wie vor ein paar „Negative people“ gibt, die uns sehen wollen (grinst).
Ich bin sehr zufrieden, denn das ist der letzte Teil der Tour mit "Karma Killer" und die Show war überall toll – in Mexiko, Russland, Finnland, Schweden, Japan – einfach überall. Wir haben mit diesem Album in mehr Ländern als jemals zuvor getourt und jetzt wollen wir uns auf neue Songs konzentrieren, wenn wir zurück in Finnland sind und wir sind schon alle sehr aufgeregt, denn es wird bald ein neues Album geben - das heißt noch in diesem Jahr und ich hoffe wirklich, dass die Leute auch in Zukunft kommen um uns zu sehen.



Da bin ich mir sogar ziemlich sicher!
Harald: Wie ist das eigentlich, macht ihr vor euren Shows einen Plan oder lässt ihr es auf euch zukommen, weil ich doch viele Shows von euch gesehen habe, die sehr unterschiedlich waren. Euer erster Gig damals in Wien war sehr Rock`n`Roll lastig und am Ruisrock war er doch eher poppig und ihr habt Rosen verteilt?



Jonne: Am Anfang unserer Karriere, als wir angefangen haben zu touren, gab es viele kleine Mädchen, die uns Rosen gegeben haben und wir machten es, weil Guns`n`Roses es gemacht haben, also wir haben es quasi von ihnen gestohlen (grinst).

Larry Love: Und dann gibts da Bands in Finnland, die gehört haben, dass wir Backstage Rosen haben...
Jonne: Und sie dachten, dass sie für sie gedacht waren…

(Allgemeines Gelächter)

Jonne: Sie dachten wohl „Was für Schwuchtln“ (lacht immer noch)
Larry Love: Aber die Rosen waren für das Publikum...
Jonne: Es ist oder war Teil der Show. Aber heutzutage, hmm... Man muss seinem Mojo folgen, jede Show ist anders. Je öfter man eine Show macht umso öfter wiederholt man sich selbst. Man muss bei jeder Show seine Gewohnheiten durchbrechen - auf irgendeine Art und Weise. Wenn man anfängt zu viel nachzudenken, merkt das das Publikum, es wirkt dann zu aufgesetzt.



Harald: Man sieht es einfach, ob es von Herzen kommt oder eben nur ein Job ist.


Jonne: Genau! Es kommt zum größten Teil von Herzen – ich habe so großartige Atmosphäre auf der Bühne. Weißt du, letztens habe ich nen Cymble Stand von Jay genommen und habe das Schlagzeug zerdroschen, aber es war nichts „Negatives“ dabei (lacht über sein Wortspiel), es geschah alles aufgrund guter Stimmung. Alles was passiert, hängt sehr von Stimmungen ab...


Harald: Und, das nächste Mal werft ihr dann einen Fernseher aus dem Fenster?


Jonne(lacht): Das haben wir auch schon gemacht, zwei oder drei Mal. Wir haben das Hotelzimmer zertrümmert und das natürlich auch aufgrund von positiven Vibrationen. Es war nichts Negatives... es war einfach nur Spass haben, eine gute Zeit haben und wie gesagt, man muss seinem Mojo folgen.


Okay zum Schluss noch eine witzige Sache – auf eurer Homepage habt ihr diese Werbung von Elixia.


Jonne: Whaaa?


Exlixia, du weißt schon der Fitnessclub. Trainiert ihr dort?


Jonne: Aaaah, alles klar. Ich habe es ein paar Mal versucht, eigentlich öfter als nur ein paar Mal, denn ich habe meine Phasen, wo ich bewusst auf mich schau, mehr als für gewöhnlich. Ich liebe Laufen und es ist gut für meine Stimme und mein Asthma, aber wie ihr sehen könnt, trainiert unser Drummer für uns alle (lacht). Er ist fast jeden Tag dort. Also, ja wir haben diesen Deal mit Elixia.

Larry Love: Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass Leute unsere Musik hören, während sie trainieren.
Jonne (fröhlich): So viele hunderte von Leuten kommen an einem Tag und hören unsere Musik dabei!!



Hört sich gut an!


Allgemeines Gelächter.

Okay, dann bleibt mir zum Schluss nur noch übrig euch für das tolle, witzige Interview und die Zeit, die ihr euch dafür genommen habt, zu danken. Paljon kiitoksia! Genießt euren Gig!!


Jonne: Kiitos!





Fazit: Sehr, sehr sympathische, tiefsinnige und humorvolle Jungs, die trotz großem Erfolg, authentisch geblieben sind (!).

www.negative.fi

Autor: Irina

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Beitrag vom 21.03.2009
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