Interview mit LAPKO - Beaucoup mad shit


Dienstagabends, im Monat Jänner dieses Jahres hetze ich den Wiener Gürtel entlang, verfluche meine Unpünktlichkeit und stehe dann doch nur um drei Minuten zu spät im Eingangsbereich des B72, wo Ville, Sänger und Gitarrist der Band LAPKO gerade den winzig-kleinen Merchandising-Stand aufbaut. Er begrüßt mich freundlich, wir wechseln einige Worte, bevor er mir etwas zu trinken anbietet und mir den Weg zu den anderen Bandmitgliedern weist, mit denen ich das Interview führen soll und macht sich dann wieder daran, T-Shirts aufzuhängen.



Drinnen im Bühnenraum warten bereits Drummer Janne und Bassist Anssi, scherzen gleich zu Beginn, schieben mir gentlemanlike den Sessel zurecht und warten gespannt auf meine Fragen.
Richtig bodenständige Typen, vor allem in Anbetracht dessen, dass sie in Finnland regelrecht einen Massenhype in der alternativen Musikszene ausgelöst haben, denke ich mir und beginne das aufgezeichnete Gespräch.

Traditionelle Höflichkeitsfrage, wie geht es euch?


J: Hm, ich bin so müde, dass ich gar nicht mehr denken kann.
A: Ja, gestern war’s so wahnsinnig geil.



Wieso, wo ward ihr?


J: In Stuttgart. Stuttgart hat uns komplett überrascht. Da war’s letztes Mal auch schon so lustig. Aber das gestern hat’s noch übertroffen. Diesmal sind wir ja alleine auf Tour, und wir müssen für jede einzige Person, die auf unser Konzert kommt dankbar sein. Und obwohl wir in Mitteleuropa noch nicht so bekannt sind, war die Stimmung gestern „trotzdem“ ein Hammer.


Ja, darauf wollte ich euch gerade ansprechen. Hier kennt man euch ja noch nicht so gut, könnt ihr eure Musik ein wenig beschreiben und warum ihr euer Schaffen so auslegt…


A: (*grinsend*) Wir machen relativ einfache, melancholische Melodien…
J: …die wir einfach falsch zusammensetzen, damit sich das Ganze ein wenig eigenartig anhört.
A: Eine unserer stärksten Waffen ist sicher, dass wir schon so lange spielen und daher schon einen sehr eigenständigen Stil entwickeln konnten. Wir machen niemanden nach, außer uns selbst.
J: Tja, und was wollen wir jetzt mit unserer Musik aussagen…



Hier vergleicht die 08/15-Gesellschaft alle finnischen Bands mit HIM und THE RASMUS. Vielleicht seid ihr ja die beiden gemeinsam, nur rückwärts gespielt…


A: Ja, unsere Musik ist der Love Metal der Bubenliebe…


(*grinsend*) Okay…
*allgemeines Gelächter*



A: Nein, aber jetzt im Ernst. Einige Elemente an unserer Musik sind sicher denen von HIM ähnlich. Hinter der Oberfläche dieser Elemente findet man immer wieder komplexere Gebilde. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weswegen unser Publikum einerseits aus 13-jährigen Mädels, aber auch aus 40-jährigen Junggesellen besteht, die eben nach komplexerer Musik suchen.


Was sind dann eigentlich eure eigenen Vorbilder? TOOL, nehme ich mal an, oder?


J: Ja, früher waren die auf jeden Fall eine große Sache.
A: PLACEBO, um noch so eine Band zu nennen…



Ach ja, da hab ich ein Gerücht aus dem Internet aufgesaugt…Dass PLACEBO euch angeblich in Finnland als Vorband wollte, aber ihr wolltet nicht…


A: WAS? Nein, als sie in Finnland waren haben sie uns zum ersten Mal gehört, also leider ist das nur ein wildes Gerücht, das aber gern weiterverbreitet werden darf....Wir winken ihnen natürlich immer, wenn sie mit dem Tourbus vorbeifahren (*grinsend*).


…und seid natürlich jeden Tag in Kontakt mit ihnen…


A: Natürlich, und in Briefkontakt. Wir haben gerade vorhin überlegt, dass es nett wäre, einen völlig unbekannten Brieffreund zu haben. Grüße also an alle Leser eurer Homepage, wer unser Brieffreund werden möchte, soll uns per E-Mail kontaktieren!...Und am besten wär’s wenn ihr auf Deutsch schreiben würdet!


Könnt ihr denn überhaupt Deutsch?


A: Ville kann’s…schlecht…sehr schlecht. Janne und ich haben in der Schule Französisch gehabt. Das können wir bis jetzt auch weiterhin nur sehr schlecht.
J: Meine Note in Französisch war glaub’ ich ‚fünf’.
A: Unser Französischlehrer war der Meinung, dass ich entweder wirklich wahnsinnig schlecht bin, oder aber der Philosoph unserer Französisch-Klasse. Ich habe immer solche Sätze geschrieben wie „Das Auto ist blau“…Also auf eine gewisse Art und Weise sehr tiefsinnig.



Naja, der „kleine Prinz“ kommt ja auch mit ganz einfachen Sätzen aus…

*allgemeines Lachen*



J: Genau! Meine Französischkenntnisse wiederum beschränken sich darauf, dass ich als Junggeselle in Frankreich eine Frau anbraten könnte, allerdings nur wie Jari Sillanpää (Anm.: finnischer Schlagerstar) in seinen Liedern…Je t’aime...


Ihr seht aus, als würdet ihr euch nicht allzu sehr an von der Gesellschaft auferzwungene Konventionen halten. Täuscht der Eindruck und wenn nicht, versucht ihr diese Einstellung in eure Musik mit einzubauen?


A: Ach, wenn’s doch nur so wäre. Ich weiß nicht woran es liegt, aber unser Leben ist doch so eine Art „down to earth“-Kommunikation. Wir reden darüber, wie wir mit unserem Leben klarkommen und was wir essen.


Apropos, esst ihr Fleisch?


A: Nein, essen wir nicht.


Sehr schön.


J:Andererseits denke ich mir schon oft, dass wenn ich nicht Musik machen würde, ich meine Zeit sicher auf Demonstrationen verschiedenster Art verbringen und mit Polizisten rangeln würde.
Auf jeden Fall sind meine Wurzeln stark von der linken Seite. Mein Opa war ein eingefleischter linker Kommunalpolitiker und von daher habe ich ziemlich seine Einstellungen übernommen.
Privat höre ich auch typisch linke Punk-Bands, nur kann man die meiner Meinung nach nicht mit unserem Tun in Verbindung setzen. Aber es wäre sicher ein interessantes Experiment mal in Musik wie die unsrige politische Ansichten einzubringen. Nur schreibt Ville den größten Teil unserer Lyrics und der hat mit Politik nichts am Hut.
A: Ja, der sagt, dass er die Politik einfach noch nicht als von ihm zu behandelndes Thema aufgegriffen hat *Lachen*.
Er liest immer die Tageszeitung, aber er lässt zum Beispiel die „Ausland“-Seiten immer aus und geht gleich auf die „Kultur“-Seiten über.



J:War’s hier eigentlich kalt?



Nein, bis jetzt eigentlich nicht.


J: Ich hab es mich nur gefragt, weil ein Bekannter aus Bratislava kein Gas mehr hat. Und von hier ist es ja nicht allzu weit dorthin.


Warten wir’s ab, vielleicht schaut es nächste Woche schon anders aus.
Jetzt aber zu eurer neuesten Platte, „Young Desire“. Worum geht es und wie sollten die Menschen sein, denen das Album gefallen könnte?



A: Naja, also es geht um heranwachsende Burschen, die sich mit raschen Schritten auf das Erwachsenenalter hin zu bewegen und in das Thema der Verherrlichung der Jugend verliebt sind und sich mit den Problemen des Älterwerdens beschäftigen.




Werdet ihr also langsam aber sicher alt?


J: Schaut leider fast so aus. (*Gelächter*)
A: Dann geht’s noch um Mobbing in der Schule,…
J: Mutterbeziehungen,…und alles was sich dazwischen abspielt.
A: Ex-Freundinnen, Hausmeister,…Schwer zu sagen, wie wir uns definieren sollen. Wir haben mittlerweile auch schon so eine breitgefächerte Hörerschaft. Auf unsere Gigs kommen Leute, die so ausschauen, dass du vorher gar nicht geglaubt hättest, dass es so was gibt. Gestern waren zum Beispiel zwei Polizisten, die uns sogar ihre Ausweise gezeigt haben auf unserem Gig um Party zu machen.
J: Der eine hat seinen Namen auf meine Hand geschrieben – er hat Mouja geheißen, ich hab ihn heute in der Früh weggewaschen.
A: Wow, das ist ja eine tolle Geschichte! *Lachen* Wir sollten aus diesem Interview ein Hörspiel machen.



Wie fühlt es sich eigentlich an, wieder auf so kleinen Bühnen so wie hier im B72 zu spielen, wo ihr doch in Finnland schon auf den größten Festivals wie Ruisrock und Ilosaarirock gespielt habt?


J: Sehr gut! Es ist viel fordernder. Wenn wir in Helsinki spielen, können wir uns sicher sein, dass auf jeden Fall 500 Leute da sein werden, und hier sind wir über 30 froh! Und es ist einfach komplett anders als in Finnland. Wir haben gerade mal einen Typen fürs Mischpult mit, aber die Bühnentechniker etc. sind alle zu Hause geblieben. Es fühlt sich so an wie damals, als wir in Finnland noch „nichts“ waren.
A: Fast 30-jährige Typen fühlen sich wieder wie mit 20….Wo wir wieder bei der Identitätskrise wären, aber diesmal nicht im negativen Sinn.
J: Es ist auch einfach angenehmer in kleineren Lokalen zu spielen, hier kann mit 30 Leuten eine gute Stimmung aufkommen, aber wenn wir mit den 30 Hörern zum Beispiel im Flex oder in der Szene spielen würden, wäre es wahrscheinlich ein eher negatives Erlebnis.
A: Und am Ruisrock mit ein paar Tausenden von Zuschauern ist ein Gig einfach ein Konzert, das du spielst, aber hier kannst du, wenn du gut bist mit deinem Auftritt wirklich noch was erreichen.
J: Auf so großen Festivals kommt auch selten Stimmung auf, jeder erwartet sich wahnsinnig viel davon und zum Schluss sind alle enttäuscht. Wir sind auch nur sehr selten bei einem Festivalauftritt mit uns selbst zufrieden. Vielleicht ist auch nur die Bühne zu groß und wir zu klein…



Die nächste Frage ist von einer Band, die ihr auch persönlich kennt (*Anm.: die Rede ist von DISCO ENSEMBLE, mit denen LAPKO im Herbst letzten Jahres auf Europatour war*): Was war euer beschissenster Auftritt und warum?
*wahnsinnig lange Nachdenkpause*



J: *murmelnd*…da gibt’s verdammt viele…Provinssirock 2007, sag ich. Weil die Erwartungen zu hoch waren.
N: Ja, und das Konzert am Vortag in Riga.
J: Wirkliche Katastrophen haben wir noch nicht erlebt…
N: Also jetzt so, dass komplett nichts mehr funktioniert.
J: Aber alle meine derzeitigen körperlichen Defizite berücksichtigend könnte es sein, dass das heutige Konzert scheiße wird.



Gut, dass du uns vorwarnst!


J: Naja, in der rechten Hand habe ich eine Sehnenscheidenentzündung und die linke ziert eine riesige Blase. Mit der einen Hand kann ich die Drumsticks also nicht halten, weil es so wehtut und die andere funktioniert nicht richtig.
*Ville betritt den Raum und setzt sich neben ihn*
Hey, ich brauch’ übrigens deine Vaseline…
A: Ich bin überzeugt, dass der Gig heute gut wird!





Zum Schluss würde ich euch bitten, eine Frage für die nächste Band, die ich interviewe auszudenken, was wolltet ihr schon immer gefragt werden?


J: How much is the fish?
A: In freudiger Erwartung auf die Antwort…





Wer jetzt neugierig auf die Band geworden ist, dem sei die offizielle Homepage www.lapko.com beziehungsweise die Myspace-Seite www.myspace.com/lapko empfohlen. Ville wirkt übrigens auch unter anderem bei der fantastischen Koproduktion mit „Joa“ Korhonen und Antti Tuomivirta, PEDESTRIAN’S MOTOR mit (www.myspace.com/pedestriansmotor).

www.lapko.com

Autor: Kristina

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Beitrag vom 03.03.2009
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