Interview mit KAIZERS ORCHESTRA - 10 Dinge, an die man sich erinnert


Vor ihrem Konzert sprach Earshot mit Janove Ottesen, Sänger von KAIZERS ORCHESTRA über den „besten Weg“ an Fans zu kommen und ihre Einzigartigkeit. Und warum TOM WAITS ihr Fan ist.



Wie läuft die Tour bisher?

Die ersten paar Wochen waren wir in Norwegen unterwegs – eine Tour zu Hause also – das war sehr gut. Es ist aber keine Releasetour, da wir gerade kein neues Album haben. Normalerweise kommen dann mehr Leute, aber es läuft trotzdem ganz gut.



Sprechen wir vielleicht ein bisschen über eure Einflüsse! Eure Musik ist ja so eine Art Mischung aus Alternative Rock und TOM WAITS, wenn er in Osteuropa geboren worden wäre, stimmts?

TOM WAITS macht die Art Musik, die wir sehr mögen. Natürlich, er ist alt und hat in seinem Leben viele unterschiedliche Dinge gemacht: Seine ersten vier Alben hat er so circa in unserem Alter - so mit 35 – rausgebracht. Diese hatten diesen Singer-Songwriter-Stil. Dann war er ungefähr vier Jahre weg und als er wiederkam mit „Swordfishtrombones“, „Rain Dogs“ und „Frank’s Wild Years“, klang er ganz anders – das ist der Style, den wir sehr mögen. Es sind ja auch nicht nur für uns, sondern auch in der Musikgeschichte sehr wichtige Alben gewesen. TOM WAITS' Musik ist sehr speziell und klingt wie nichts anderes. Nur er klingt so.

Aber das Coole ist: TOM WAITS ist ein KAIZERS ORCHESTRA Fan. Er hat auch uns entdeckt und er muss wohl ähnlich gefühlt haben wie wir. In einigen Interviews hat er darüber gesprochen – das freut uns riesig. Er hat nie so etwas gehört, was wir machen. Was auch stimmt, es gibt oder gab keine zweite Band, die diese Musik macht und noch dazu norwegisch singt. Im Vergleich zu TOM sind wir aber mehr Band: Bei TOM WAITS dominiert die Stimme; die Musik ist eher im Hintergrund. Wir sind da gerade das Gegenteil, wir haben eine extreme Band, bei uns liegt die Kraft in der Musik – die Stimme ist ein Zusatz. Wir sind vielleicht mehr Punk … mehr SEX PISTOLS.

Zu den osteuropäischen Einflüssen: Also, so wie wir es sehen, haben wir nicht so viel von osteuropäischer Musik. Ich glaube wir machen Alternative Rock mit vielen Beats, abwechslungsreichen Rhythmen, und vielen Hooklines und Melodien. Und manche Melodien sind vielleicht so, wie Melodien, die man in osteuropäischer Musik finden könnte. Das ist aber eigentlich schon alles … und ja, manchmal ist unser Rhythmus vielleicht verwandt mit osteuropäischer Musik. Aber im Grunde wissen wir nicht viel über osteuropäische Musik, wir hören sie auch nicht. Wir hören eigentlich ganz normale Pop- und Rockmusik. …






War es für euch von Anfang an klar in Norwegisch zu singen?

Für mich war es klar norwegisch zu singen, ich habe nicht darüber nachgedacht;


Hatte es einen Einfluss auf eure Popularität?

Naja, davor es hat keiner gemacht. Aber es ist kein Vorteil nicht in Englisch zu singen; doch das ist eigentlich nicht der Punkt. Ja – es hilft uns einzigartig zu sein; würden wir auf Englisch singen, stünden wir in einem größeren Wettbewerb … und würden vielleicht noch mehr nach TOM WAITS klingen.


Ist es nicht Ausdruck eines norwegischen Selbstwertgefühls oder Stolzes? Vor ein paar Jahren gab es ja besonders in Deutschland viele junge Bands die wieder Deutsch sangen und plötzlich mit mehr Stolz auf ihre Heimat verwiesen.

Also in Norwegen gibt es das nicht. Alle singen auf Englisch. Es gibt vielleicht die eine oder andere Ausnahme, aber wir sind eigentlich die einzige junge Band die norwegisch singt.


Sprechen wir ein bisschen über eure Liveshows. Es scheint, als legt ihr auf eure Performance besonderen Wert. Wie wichtig ist euch die Performance auf der Bühne?

Uns ist das sehr wichtig. Da wir keine Hits haben, hört man uns eher nicht im Radio. CDs verkaufen wir auch nicht so viele – man entdeckt uns also eher nicht Zuhause oder in Clubs, weil wir sehr selten gespielt werden. Die einzige Möglichkeit für uns, an neues Publikum und neue Fans zu kommen, ist live zu spielen. Dann kommen wir zurück und spielen noch einmal und ich schätze, die meisten Fans wissen das zu schätzen. Würden wir damit aufhören, dann würde sicher auch das Interesse an unserer Musik zurückgehen; außer uns promoted ja niemand unsere Musik. Also je mehr wir live spielen, desto mehr Musik verkaufen wir auch und desto mehr Fans bekommen wir, die wiederum Werbung für uns machen … Es ist vielleicht ein langsamer Weg, aber sicher der beste und sicherste Weg. Also ich denke, unsere Popularität wird nicht über Nacht verschwinden. Denn wenn du einen Hit hast, dann heißt das eigentlich noch nichts – wir dagegen haben jetzt viele Fans die nächstes Jahr sicher wiederkommen, auch wenn wir keinen Hit landen.


Und so Dinge wie eure Instrumentierung: Ist das ein Teil eurer Show?

Nein das ist ein Teil des Sounds, den wir haben wollen. Wir wollten einen Kontrabass, weil wir den Sound mögen: man kann damit soviel mehr machen als mit einem E-Bass. Und wir wollten ein Harmonium statt einem Keyboard, weil das auf gewisse Weise authentischer ist. Also wenn man Rock’n’Roll-Riffs auf einem Harmonium spielt ist das nicht so alltäglich. Genauso beim Schlagzeug: wir fanden es irgendwie langweilig nur straighte Rockrhythmen zu spielen, deshalb bauten wir mehr Perkussionelemente ein. Die Fässer beispielsweise, haben wir in unsere Show eingebaut, weil die Musik es gebraucht hat, und dann haben wir bemerkt, dass es auf der Bühne gut aussieht. Das Publikum sieht so etwas nicht allzu oft.

Wir hatten eigentlich von Anfang an ziemlich Glück. Es gelang uns schon am ersten Album den Sound zu bekommen, den wir mögen. Es gelang uns vom ersten Album an, die Instrumentierung zu bekommen, die wir wollten und die einzigartig ist. Wir hatten Glück mit unserem Produzenten, wir kannten ihn vorher nicht, aber er ist einer der besten. Der Sound und alles andere ist perfekt auf unserem ersten Album. Es war das bestverkaufte Debütalbum in Norwegen; das war alles eine Überraschung für uns.

Manche Bands müssen darum kämpfen, dass man sich an sie erinnert. Wenn uns Leute live sahen, dann haben sie 10 Dinge an die sie sich danach erinnern. Also wenn man eine Nummer von Kaizers Orchestra hört, dann ist das erstmal ein Englischer Name und als wir starteten hassten die Leute norwegische Bands, und ein englischer Name klang irgendwie spannend in Norwegen; zu diesem Zeitpunkt haben wir noch nicht daran gedacht irgendwo anders, in Deutschland oder Österreich zu spielen. Die Instrumentierung war besonders, man konnte sich daran erinnern. Das Logo hatten wir vom ersten Tag an – durch Zufall sind wir irgendwie auf die Gasmaske gekommen; an diese Dinge kann man sich erinnern. Und natürlich der Sound und die Vocals, ich singe einen norwegischen Dialekt, keine Band hat das vorher gemacht. Dann verwenden wir noch die Ölfässer als Perkussioninstrumente, und so weiter. Es gibt so viele Dinge, an die sich unser Publikum erinnern kann.



Zur Gasmaske: euer Harmoniumspieler trägt sie. Macht er das immer, oder nur teilweise?

Ich weiß nicht. Ich sehe die Band nicht, ich sehe das Publikum. Er trägt sie, wenn wir auf die Bühne gehen, mehr kann ich dazu nicht sagen.
Aber es ist alles irgendwie natürlich geworden. Nichts davon ist geprobt oder nur Show. Diese Besonderheiten sind da, weil die Songs das brauchen, nicht weil es cool anzusehen ist. Das ist nur ein ganz gutes Extra. Mit Ausnahme der Gasmaske: die brauchen wir nicht für die Musik. Aber sie ist wichtig für unsere Identität, sie ist unser Logo. Sie ist auf unserem ersten Album und deshalb erinnert man sich – wenn man sie sieht – auch an die Musik. Das ist ein Teil der Marke KAIZERS ORCHESTRA.



Du hast zuerst gemeint: bei KAIZERS ORCHESTRA kommt zuerst die Musik und dann erst Stimme und Text. Wie wichtig ist dir der Text der Songs?

Es ist nicht so wichtig, dass jeder versteht, was ich singe; aber die Texte sind sehr wichtig für uns und für die Fans, die sie verstehen. Sie lieben die Texte, was vielleicht ein weiterer Grund ist, warum sie so große Fans sind. Die Lyrics sind ebenfalls ganz anders als bei anderen Bands. Natürlich versteht das Publikum außerhalb Norwegens den Text nicht, aber das macht nichts. Wir haben trotzdem einen ganz guten Erfolg. Aber in Norwegen sind die Texte wichtig.


In deinen Texten geht es um Geschichten von Menschen, die real existiert haben, oder du verwendest reale Namen.

Die Songs sind alte romantische Geschichten über verrückte Ereignisse, die natürlich so nie passierten. Aber es ist auch nicht zu sehr Fiktion, es basiert alles in gewisser Weise auf Alltagsgeschichten. Es ist wie in einem Film, es geht um alltägliche Geschichten, die natürlich nie so passiert sind. Aber sie könnten so passiert sein. Ich glaube, deshalb singen die Leute die Texte auch mit – in Norwegen – sie singen jeden Song mit, nicht nur den Refrain, sondern auch die Strophe. Ich glaube, dass würde keiner machen, wenn die Geschichten nicht gut ist. Wenn man dumme Lyrics hat, würde keiner mitsingen, dass wäre ja irgendwie peinlich.





Wie geht es weiter mit KAIZERS ORCHESTRA? Gibt es schon fixe Pläne für die Zukunft?

Wir werden dieses Jahr die Tour beenden, wir hatten jetzt so in etwa 100 Shows dieses Jahr. Wir haben auch bereits viele neue Songs, und das einzige was ich jetzt sagen kann ist: wir wollen viele Alben machen und die etwas schneller hintereinander herausbringen. Also nicht wieder drei Jahre zwischen zwei Alben haben. Vielleicht schaffen wir es in Zukunft, jedes Jahr ein Album herauszubringen. Aber noch nicht nächstes Jahr, wir müssen es erst erarbeiten.



www.myspace.com/kaizerso

Autor: doubleRR

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Beitrag vom 28.11.2008
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