Interview mit DORNENREICH - Gänsehaut statt Gänsemarsch
Mit neuem Album („In Luft geritzt“) im Gepäck gastierten DORNENREICH im Rahmen ihrer Akustiktour am 22.5. in Wien im Viper Room. Bandkopf Jochen „Eviga“ Stock nahm sich nach dem Soundcheck Zeit für ein Gespräch über das neue Album, Inspirationsquellen, und die Rückkehr von Moritz „Gilvan“ Neuner. Lang, lang ist es her: 2001 sah ich euch das letzte Mal live, im Rahmen der „Her von welken Nächten“ Tour. In der Zwischenzeit hat sich bei DORNENREICH ja ziemlich viel getan. Zuerst dauerte es gut vier Jahre bis zum nächsten Output „Hexenwind“ und auch dieses Mal ist mir zu Ohren gekommen, dass der Veröffentlichungstermin für „In Luft geritzt“ verschoben wurde…Da hast du Recht, obwohl da nicht viel dahinter steckt. Wir hatten Jänner als Veröffentlichungstermin im Sinn, doch schließlich dauerten die Aufnahmen etwas länger. Dadurch verschob sich das Ganze auf April.Ihr habt „In Luft geritzt“ in Live–Takes aufgenommen. Kannst du etwas über den Entstehungsprozess bzw. die Aufnahmen erzählen?Ursprünglich habe ich schon 2005 angefangen an den Songs für dieses Album zu schreiben. Schließlich haben wir uns einen Raum fernab der alltäglichen Hektik gemietet, um uns voll und ganz auf die Aufnahmen zu konzentrieren. Leider konnten wir nur an den Wochenenden in den Raum, wodurch der ganze Prozess gut ein halbes Jahr dauerte.Der Albumtitel, speziell das Wort „ritzen“, verkörpert meiner Meinung nach etwas Zerstörerisches, Verzweifeltes. Diese Elemente werden auch musikalisch umgesetzt, wobei man sich jedoch nie gänzlich in Pessimismus bzw. Aussichtslosigkeit verliert.Es war mir auch sehr wichtig stets ein gewisses Gleichgewicht zu wahren. Die Musik als auch die Texte sollen nicht zu sehr ins Negative gehen, das liegt mir wirklich am Herzen. Der Albumtitel „In Luft geritzt“ selbst, beschreibt eine Art Paradoxon. Jeder der das schon einmal ausprobiert hat wird feststellen, dass man in Luft nicht ritzen kann (lacht). Vielmehr beschreibt der Titel das Unscheinbare, Sachen oder Vorgänge die man nicht sofort auf den ersten Blick erkennt bzw. sieht.Die Titel „Drang“ und „Meer“ handeln offensichtlich von der Suche nach sich selbst oder einem Sinn. Liege ich da richtig?Das Album basiert auf meinen eigenen Erfahrungen und ist deswegen sehr persönlich. Die Lyrics handeln ausschließlich von Empfindungen und Themen, die mich in den letzten Jahren beschäftigt haben. „Leben ist und Sein ist Ziel. Auf tausend Wegen kehr ich heim“ von „Drang“ beschreibt die Suche nach dem individuell richtigen Weg. Es fasziniert mich immer wieder aufs Neue, Interpretationen meiner Texte von anderen Menschen zu hören. Es gibt einem das wunderschöne Gefühl nicht alleine zu sein. So wie ich das beurteilen kann, ist die Schaffensphase DORNENREICHs in zwei Phasen zu unterteilen: Die ersten drei Alben, welche eindeutig für Black bzw. Dark Metal stehen und die darauf folgenden exzentrischen, sehr tiefgründigen Werke. Wie konnte es zu so einer starken musikalischen Veränderung kommen? Welcher Faktoren zeichnen sich dafür verantwortlich?Nach „Her von welken Nächten“ wollte ich unbedingt was Neues ausprobieren. Ich glaube, dass wir in dieser Stilrichtung zu diesem Zeitpunkt die für DORNENREICH realisierbaren Möglichkeiten ausgereizt hatten. Wir wollen nicht auf der Stelle treten, sondern uns und den Fans ständig neue Facetten präsentieren. Wenn du nach den Faktoren fragst, die unsere Musik beeinflussen kann ich dir nur sagen, dass unsere bzw. meine größte Inspiration das Leben und die damit verbundenen Erfahrungen sind.Ich würde deine Musik als extrem eigenständig bezeichnen. Daher ist DORNENREICH nur sehr schwer mit anderen Bands vergleichbar. Am ehesten fallen mir im Zusammenhang mit dem neuen Album noch ULVER ein. Welche Musik hörst du eigentlich privat?Den vergleich mit ULVER habe ich in letzter Zeit des Öfteren gehört und er ehrt mich ein bisschen. Denn ULVER gehören zu meinen Faves, ebenso wie DEAD CAN DANCE. Ansonsten höre ich jede Musik, die mich berührt bzw. inspiriert. Das geht von Twist bis hin zu Weltmusik. Ich finde es am schönsten, wenn man von einem Song Gänsehaut bekommt. Wenn das der Fall ist, ist es mir völlig egal um welche Art von Musik es sich dabei handelt. Das Line–up von DORNENREICH ist bekannter weise stets im Wandel. Inve gehört jetzt wieder zur fixen Besetzung. Wie erlebst du die sich ständig verändernde Bandsituation?Phasenweise ist es sehr schwierig. Als ich 2005 vor den Aufnahmen zu „Durch den Traum“ quasi völlig alleine da stand, war das schon ein seltsames Gefühl. Ich schnappte meine Gitarre und hab versucht mich auf meine Anfänge bzw. das Essentielle zu konzentrieren, mich zu erden. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Ideen für „In Luft geritzt“.Angesichts der Tatsache, dass du für alle kreativen Belangen verantwortlich bist: Würdest du DORNENREICH als Ein–Mann–Projekt bezeichnen?Nein, auf keinen Fall. Inve gehört ja zum festen Line–up und bringt sich auch immer mehr ein. Er ist auf jeden Fall ein fester und auch sehr wichtiger Bestandteil der Band. Klar bin ich derjenige, der für Musik und Texte verantwortlich ist und den Hauptteil der Arbeit macht. Diese Tatsache mag den Anschein machen, dass es sich bei DORNENREICH um ein Ein–Mann– Projekt handelt. Das entspricht aber nicht der Realität.Hast du zu den ehemaligen Bandmitgliedern eigentlich noch Kontakt?Moritz Neuner habe ich 2005 bei der Prophecy Konzert Nacht seit langem wieder gesehen. Wir haben ein sehr intensives Gespräch geführt und uns sehr gut verstanden. Er wird demnächst wieder zu DORNENREICH zurückkehren! Heißt das ihr ward zerstritten und habt euch nun wieder versöhnt?In erster Linie haben uns terminliche und musikalische Differenzen auseinander gebracht. Moritz ist ein viel beschäftigter Musiker, der in etlichen Bands zur gleichen Zeit zockt…Das tut er aber heute auch noch.Natürlich hat es zwischenmenschlich auch nicht mehr gepasst. Wir mussten eine Zeit lang auf Abstand gehen und auf uns selbst konzentrieren. Doch die Probleme konnten wir bei unserem Wiedersehen aus dem Weg räumen.Bedeutet das, DORNENREICH werden in Zukunft wieder als richtige Band auftreten? Was hat die Integration eines Drummers für eine Auswirkung auf dein Songwriting?Ich kann dir so viel verraten: Mit „Flammentriebe“ werden wir wieder ein Album aufnehmen, das mehr in Richtung Metal geht. Gleichzeitig arbeiten wir aber auch an einem weiteren akustischen Longplayer. DORNENREICH werden in Zukunft auch personell wieder als richtige Band auftreten.Ist es deiner Meinung nach gerechtfertigt DORNENREICH als Metal Band zu bezeichnen? Inwiefern sind stilistische Kategorisierungen für dich wichtig?Dieses kategorisieren bzw. das Schubladen denken hat für mich als Musiker keine große Bedeutung. Es ist wahrscheinlich nur für Plattenläden und Musikzeitschriften von Bedeutung. Ich persönlich finde „In Luft geritzt“ kann man ruhigen Gewissens als Black Metal Album sehen. Für mich ist Black Metal mehr als Corpsepaint und Kunstblut. Viel mehr verstehe ich darunter das Ausleben künstlerischer Freiheit, der keine Grenzen gesetzt ist und wo es möglichst wenige bis gar keine Tabus gibt.Wird es nach der bereits angelaufenen Akustik Tour wieder DORNENREICH Konzerte geben, bei denen ihr mit Schlagzeuger etc. als Band auftritt und nicht ausschließlich akustische Stücke zum Besten geben?Auf jeden Fall, obwohl wir z.B.: „Hexenwind“ live nie richtig umsetzen werden können. Das würde unser Budget eindeutig sprengen. Außerdem ist es sehr schwierig, die laut/leise Effekte, mit denen wir auf diesem Album verstärkt gearbeitet haben, live umzusetzen.Das hört sich ja sehr viel versprechend an…auf jeden Fall bedanke ich mich für erste für das aufschlussreiche Gespräch und wünsche dir alles Gute für deine Vorhaben mit der Band.Alles klar, danke und Ciao. Ich hoffe, man sieht sich bald wieder! www.dornenreich.com
Autor:
Gunther Weitere Beiträge von Gunther
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