Interview mit AYIN ALEPH - ...mehr als eine Musikerin


Ganz offen und ehrlich gesagt ist die Musik auf deinem Debüt überhaupt nicht mein Ding. Ich bin jedoch sehr von deiner Biographie beeindruckt und ehrlich davon überzeugt, dass du eine großartige Musikerin bist. Lass uns also bitte das Rad der Zeit zurückdrehen, um deinen Werdegang zu erkunden.



Du hast schon recht früh deine Vorliebe für Musik entdeckt und im zarten Alter von vier Jahren mit dem Pianospiel begonnen. Mit acht Jahren hast du dann sogar schon deine eigenen Kompositionen in der „Composers Union“ in Moskau vorgetragen. Welche Beweggründe gab es für diese frühen Schritt hin zur Musik?


Es war nicht wirklich meine eigene Entscheidung so früh eine musikalische Laufbahn einzuschlagen. Mein damaliger Klavierlehrer hat mir den Vorschlag unterbreitet und ich habe ihn befolgt. Zum Glück, denn alles lief wunderbar.

Du wurdest in Moskau, damals noch UdSSR, geboren – einem Land, das nicht unbedingt für seine Offenheit und demokratischen Ideen bekannt ist. War die Musik in gewisser Weise eine Flucht vor der damaligen Realität?

Wenngleich die UdSSR sicher nicht gerade demokratisch eingestellt war, so zähle ich meine Kindheit die ich dort verbracht habe zu den schönsten Lebensabschnitten - hauptsächlich aber deswegen, weil die musikalische Erziehung gratis war. Ich habe viel von meinen Lehrern profitiert, die etliche Stunden unentgeltlich unterrichtet haben. Zur damaligen Zeit konnte ich schon im TV auftreten und es gab wirklich nichts in meiner Kindheit, an dem es mir gemangelt hätte. Die politische Situation die in Russland geherrscht hat, nahm ich nur am Rande wahr. Im Grunde genommen lebte ich das Leben einer Prinzessin und genoss die beste Ausbildung – so gesehen wirklich die beste Periode meines Lebens.

Doch es war nicht nur die Musik alleine, zu der du dich hingezogen gefühlt hast. Neben dem Besuch einer Schauspielschule schriebst du auch jede Menge Gedichte. Verspürtest du den inneren Zwang deine Gefühle auf irgendeinem künstlerischen Weg raus zu schreien? Vielleicht auch, um einen Beitrag im Kampf gegen das regierende System zu leisten?

Ich hatte jede Menge Freunde und Bekannte, die am Theater, der Oper oder in der Filmbranche gearbeitet haben und kannte einige Gitarristen, die regimekritische Songs zum Besten gaben. All diese Begleitumstände haben wesentlich zu meiner Entwicklung beigetragen. Es gab für mich keinen Grund gegen das System aufzutreten, da ich in gewisser Weise der künstlerischen Elite angehört habe. Wann immer ich wollte, konnte ich jeden erdenklichen Film ansehen, „verbotene“ Bücher lesen und ich hörte auch die verpönte Rockmusik aus dem Westen. In mir kam also nie das Gefühl auf, dass es mir an irgendetwas mangeln könnte. Da ist es nur selbstverständlich, dass ich nie gegen das Regime angekämpft habe, das mir die beste Ausbildung ermöglicht hat und die Menschen in meiner Umgebung haben mir viel Liebe und Zuneigung entgegengebracht, wie ich sie in dieser Intensität nirgendwo anders auf der Welt bis jetzt noch einmal erleben durfte.

Später bist du dann in Kontakt mit russischen Rockmusikern gekommen und hast auch einige Texte für deren Bands beigesteuert. Ich kann mir vorstellen, dass diese Art von Unterstützung in Russland nicht gerade gerne gesehen wurde. Gab es für dich daraus resultierend irgendwelche Probleme?

Die Rockbands waren alles unbekannte Undergroundacts, die nie vor einem breiteren Publikum gespielt haben. Es gab lediglich Konzerte von Freunden für Freunde. Ich habe auch nie politisch orientierte Texte verfasst, da mich Politik nicht interessiert und ich sie deswegen auch gar nicht richtig verstehe. Meine Lyrics drehen sich um Dinge fernab geschäftlicher und politischer Interessen. Es geht mir vielmehr um eine emotionale Liaison. Mich interessiert, was in den Seelen der Menschen bezüglich der Themen Liebe und Tod so vorgeht.

Die erste Fusion deines klassisch angehauchten Barockstiles mit kommerzieller Musik war die Kooperation mit einem französischen Rap-Label. Wie kam es zu dieser Idee und welche Eindrücke hast du von dieser Zusammenarbeit für dich gewinnen können?

Ich konnte jede Menge Lehren für mich aus diesem Experiment mit der Rap-Musik ziehen, wenngleich es definitiv nicht mein bevorzugter Stil ist. Bei dieser Zusammenarbeit habe ich eine Arie von Händel in den Rap-Song integriert und ich muss sagen das Endergebnis hatte jede Menge Groove in sich. Ehrlich gesagt bin ich mir aber gar nicht sicher, ob das Lied jemals offiziell veröffentlicht wurde.

Wie sieht deine Vision von Musik aus? Gibt es darin Grenzen die nicht überschritten werden dürfen oder von vornherein unvorstellbare Konstellationen?

Musik ist für mich die stärkste Ausdrucksform von Kunst. Sie wirkt als Brücke zwischen der wahrnehmbaren und der übernatürlichen Welt, die wir nicht in Worte fassen können. Nimm zum Beispiel die Liebe her. Wenn du in jemanden verliebt bist, reicht es dir nicht nur mit demjenigen physikalisch zusammen zu sein, sondern willst mit ihm auch spirituell eins werden. Da beginnt für mich die Definition von Musik – du beginnst für jemanden oder für etwas Spezielles zu leben, nicht nur um seines selbst Willen. Wenn man diese Grenze überschritten hat, kann man beginnen Musik zu machen. Wahre Musik und Melodie (welche am schwierigsten zu realisieren ist) kommen nämlich aus der spirituellen Welt und wir setzen sie lediglich so gut als möglich um. Nimm zum Beispiel die Musik von Bach. Wie viele Bücher wurden darüber geschrieben, in denen der Versuch gestartet wurde zu erklären, wie sie geschrieben wurde. Jeder Ansatz von A bis Z wird seit 300 Jahren analysiert, jedoch hat es bis heute keiner zustande gebracht etwas Ähnliches zu erschaffen. Die göttliche Logik ist eben nicht mit der menschlichen gleichzusetzen. Ist es möglich Neid oder Schönheit zu messen? Wer schafft es die Energie der Liebe in eine Flasche abzufüllen? Jedwede erdenklichen Grenzen und Zeit existieren für mich nicht. Doch gilt dies nicht nur für mich – jede Person auf Erden lebt im Grunde genommen ohne natürlichen Grenzen. Auf der anderen Seite ist keiner von uns Jesus und es steht somit keinem das Recht zu andere in irgendeiner Art zu kritisieren, da jeder in seiner ganz eigenen Welt lebt. (wobei ich das gerade bei Themen wie Gewaltverbrechen oder ähnlichen Abartigkeiten anders sehen würde – Anm. d. Verf.). In den seltenen Momenten, in denen man mit einem Paralleluniversum oder dem Teil eines Universums einer anderen Person verschmilzt, wächst man über die sterbliche Hülle eines Menschen hinaus. Man wird Teil dieses Universums und erweitert somit seinen eigene Spiritualität und kann sich selbst dadurch in künstlerischer Manier verwirklichen.

Die Kombination aus Metal, Klassik und Barock ist eine sehr mutige und folgt einem außergewöhnlichen Konzept. Wie kamst du auf die Idee einer derartigen Verschmelzung?

Danke sehr für dein Verständnis, es freut mich, dass du das so siehst. Wenn ich Musik mache, dann denke ich nie darüber nach was ich da jetzt machen werde. Von daher gibt es auch keine bestimmten Ideen wie ich an das Songwriting herangehe. Ich mache was ich fühle und überlasse es den anderen meinen Hybriden zu analysieren. Genau genommen verstehe ich selbst nicht was ich da fabriziere. Gut ich könnte dir zwar die einzelnen Elemente Note für Note benennen, den Stil hier und da genau beschreiben doch mache ich es nicht, weil ich es nicht für notwendig erachte. Ich strebe in diesem Punkt nicht nach Verständnis. Es ist auch komplett gleichgültig, ob du nun meine Texte oder Melodien verstehst. Das einzig wichtige dabei ist, wie du diese Dinge fühlst. Wenn es jemanden zu etwas positiven oder negativen hin bewegt bedeutet das, dass ich mein Ziel erreicht habe.

Es gibt einen Songtitel auf der CD – „Es muss sein“ - der in Deutsch gehalten ist. Warum war gerade bei diesem Track ein deutscher Titel nötig?

„Es muss sein“ ist ein berühmter Satz von Beethoven. Im Chor darin beschreibe ich das Ende der Menschheit und die Zukunft nach dem Tod… und im Grunde geht es darum – du willst etwas oder nicht; es passiert so und man hat das Resultat daraus zu akzeptieren.

Wie können wir uns einen typischen AYIN ALEPH Liveauftritt vorstellen? Welche Choreographie erwartet den Besucher?

Was die Choreographie angeht so gibt es nicht wirklich viel aufregendes zu sehen, da ich neben dem Singen auch noch am Klavier spiele und auch alle anderen Musiker mehr als ausgelastet sind. Wenn es jedoch eine ausreichend lange Show ist, versuche ich Dinge aus meinen Videos zu integrieren und mit neuen Elementen zu ergänzen.

Auf dem Frontcover kann man eine Frau (eventuell eine Hexe?) sehen, die im Feuer gefangen ist und auf dem Backcover erblickt man eine tote Frau. Sind diese Bilder Metaphern für das Fegefeuer und den unausweichlichen Tod?

Ich versuche dies kurz zu erklären – es ist eine Allegorie. Zuerst brennt man vor Liebe und Schönheit und im Anschluss daran ist man tot, weil man die Quelle der Existenz verloren hat.

Welche Zielgruppe soll deine Musik überhaupt ansprechen – sind es die Metalheads oder doch eher Anhänger der Klassischen Musik?

Es ist Musik für Menschen die sensibel auf das Universum reagieren, ganz egal welchen Stil von Musik sie sonst bevorzugen. Zu meinen Fans zählen nicht nur Metaller oder Klassikfreunde, es sind zum Beispiel auch Jazzfans oder Rapper darunter. Natürlich gibt es auch genügend Metalfans die meine Version von Metal nicht lieben und Klassikfans, die den Klassikanteil nicht leiden können. Aber das ist ganz normal finde ich. Es ist nicht mein Wunsch von jedem geliebt zu werden. Mein Wunsch an mein Publikum ist lediglich, dass sie mir die Energie geben, die ich zum Leben benötige.

Ist dieses Album der erste und einzige Output, der in diese unkonventionelle Richtung tendiert oder wirst du diesen eingeschlagenen Kurs weiterverfolgen?

Ich bin nicht Jesus Christus – ich kann meine Zukunft nicht vorhersagen. Zurzeit gibt es ein Akustikalbum das in Bälde veröffentlicht werden soll. Auf diesem wird es Arrangements von einigen Stücken meines Metalalbums zu hören geben, die nur auf dem Klavier vorgetragen werden. Es sind zwar dieselben Melodien aber unterschiedliche Ausdrucksweisen und nehme mir heraus Metal auf dem Klavier zu spielen. In kürze werdet ihr euch selbst ein Bild machen können. Ich war überrascht, als ich die Stücke meinen Freunden vorgespielt habe, die dem Metal zugetan sind, denn ihnen hat die Umsetzung sehr gut gefallen. Metal hängt schlussendlich nicht nur vom metallischen Sound ab, es geht um das Gefühl das dabei versprüht wird. Aber hört und bewertet selbst.

Welchen Hobbies gehst du neben der Band nach?

Der Liebe.

Welche Ziele und Wünsche hast du für die nahe Zukunft. Was gilt es für die 2008 zu erreichen?

Zu allererst möchte ich meine Metaloper fertig stellen und wenn Gott will, möchte ich genug Geld finden, um einen Film drehen zu können. Für mich ganz persönlich wünsche ich mir aber, dass ich mit all jenen zusammentreffe, die ich liebe.

Deine letzten Worte an unsere Leser.

Ihr müsst mich nicht lieben, aber ich bitte euch mich so zu akzeptieren wie ich bin. Baut euer Leben auf die Liebe auf und ihr werdet sehen, dass die meisten schlimmen Dinge sich in sehr schöne verwandeln werden.

www.ayinaleph.com

Autor: Juergen

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Beitrag vom 14.05.2008
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