Interview mit SCARGOD - passender kann der Bandname nicht gewählt werden...




Hallo Martin!
Gleich vorweg einmal herzliche Gratulation zu deiner äußerst bewegenden EP „Schmerz“, die auf intensive Art und Weise Gefühle wie Wut, Schmerz, Trauer, Verzweiflung aber auch Hoffnung vermittelt.


Hallo Jürgen.
Herzlichen Dank. Es freut uns sehr, dass dir das Album gefällt und du auch genau weißt, was die EP vermitteln soll.


Schildere uns doch zu Beginn bitte gleich einmal die Hintergründe, warum es SCARGOD in dieser Form überhaupt gibt und welche Gedanken und Gefühle ausschlaggebend für die Bandgründung waren.

SCARGOD wurde ursprünglich gegründet, um noch 2 Songs meines umfangreichen Songrepertoires zu veröffentlichen. Dies hatte 2006 folgenden Hintergrund: Meine Freundin war zum zweiten Mal schwanger und dies mit Zwillingen. Wir hatten ja schon einen größeren Sohn. Ich bekam aber die volle Torschlusspanik und war der Meinung, nie wieder Musik machen zu können, geschweige denn für irgendetwas Zeit zu haben. Aus diesem Grund habe ich SCARGOD gegründet. Die CD-R „Tattooed Life“ wurde eingespielt und fand bei den Leuten und bei einigen Zeitschriften starke Anerkennung.
Somit konnte ich SCARGOD einfach nicht wieder sterben lassen. Damals war es auch so, dass ich in einer anderen Besetzung die beiden Nummern aufnahm und der Stil noch sehr viel straighter und progressiver war. Aufgrund der Kritiken und der Möglichkeit, doch für Musik Zeit zu finden, musste ich mir dann auch überlegen welche Richtung ich eigentlich gehen wollte, wohin sich SCARGOD von nun an bewegen sollte… 2008 hatten wir das Ergebnis!


Aus dem einstigen Studioprojekt ist ja mittlerweile ein vollständige Band herangewachsen, die aufgrund deiner Mitstreiter ein wenig den Charakter eines nationalen All-Star-Projektes innehat. Wie haben sich all diese Kontakte angebahnt und befürchtest du nicht, dass die teilweise Doppel- oder gar Mehrfachbelastung in verschiedenen Bands nicht zu Schwierigkeiten führen könnte?

Wir sind mittlerweile zu Freunden geworden. Den Martin kenne ich ja nun schon seit über 10 Jahren und den Dominik seit dem Zeitpunkt als ich damals mit meiner eigenen Firma die letzte THIRDMOON Scheibe „Sworn enemy:HEAVEN“ auf den Markt brachte. Mein Produzent meinte, dass der Dominik die beste Wahl wäre, da er mich und mein Denken sowie meine musikalische Arbeit am besten versteht und auch umsetzen kann. Robert und Martina sind zum Schluss dazu gestoßen und ich muss sagen, ich hätte keine bessere Wahl treffen können.
Natürlich wird es so sein, leider, dass sich zwangsläufig Probleme ergeben werden. Wir müssen zurzeit, wahrscheinlich auch in Zukunft auf LIVE-Präsenz verzichten, aber Sag niemals nie! Wenn wir eine Scheibe aufnehmen wollen, dann muss immer erst lange alles vorher koordiniert werden. Aber wir halten zusammen und geben alle für SCARGOD unser bestes, da wir alle zusammen Perfektionisten sind. Ich denke einfach, dass wir auch in Zukunft mit einer guten Koordination mit den anderen Bands wie THIRDMOON, EDENBRIDGE, OLEMUS und IN SLUMBER, sowie auch WYDFARA´S PROPHECY alle zusammen stark sein werden. Wir unterstützen uns ja gegenseitig. Also darf das Ganze nicht negativ gesehen werden sondern äußerst positiv - es ist ein gemeinsam und kein einsam.


Wie ich in Erfahrung bringen konnte, haben sich die letzten Jahre recht turbulent gestaltet. Du hast mittlerweile 3 Kinder, doch gesellte sich zu all dem Licht auch jede Menge Schatten, der sich in einem längerem Klinikaufenthalt bemerkbar machte. Wenn es dir nicht zu persönlich ist, würde ich dich bitten hier ein wenig Aufklärungsarbeit zu leisten, da diese Momente sicherlich für deinen musikalischen Werdegang und auch die Ausrichtung prägend waren.

Das mit den Kindern ging sehr schnell hintereinander und ich konnte dies alles nicht mehr verkraften. Ich wurde psychisch sehr instabil und depressiv sowie aggressiv. Ich schnitt mich selber am ganzen Körper auf und ich wollte mehr als einmal mein Leben beenden. Weiters schlug ich meine Frau und schlug Türen aus den Angeln und Wände hatten Löcher. Ich war am Ende und meine Familie auch, dies war eine verdammt harte Zeit für jeden von uns. Also beschloss ich mir Hilfe zu suchen, ich kam dann für fast ein Jahr, wie du bereits erwähntest, auf die "Psychotherapiestation" der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg, eine Intensivtherapie wurde gestartet. Ich wollte mir helfen lassen! Nicht aus Zwang, freiwillig, ich wollte ja zu meiner Familie zurückkehren und das gesund. Heute geht es mir ganz gut und ich verkrafte viel mehr als früher, habe meine "Skills" dazu und auch Tabletten. Und diese Zeit gebe ich in meinen Texten wieder, diese Zeit spiegelt sich in der ganzen Musik wieder, diese Zeit war eigentlich die Zeit warum und wie es SCARGOD in der heutigen Form eigentlich gibt. Diese Zeit hat mich geformt. Anfangs war es der reine SCHMERZ, jedoch mittlerweile will ich den Leuten damit helfen, denn indem ich meine Zeit der Hilflosigkeit reflektiere, möchte ich anderen Menschen Auftrieb geben, dass sie nicht alleine da draußen sind und immer, wenn Sie aber auch selbst wollen, Hilfe da ist. Es gibt andere Wege als die (Selbst)-zerstörung)!!!




Wenn man deine private Vergangenheit etwas näher betrachtet, ergibt sich der Bandname quasi als logische Konsequenz daraus beinahe wie von selbst. Siehst du SCARGOD in gewisser Weise ein wenig als Möglichkeit, um deine Erlebnisse ver- und abarbeiten zu können und was bedeutet der Name für dich persönlich?

Ja da hast du Recht. Anfangs war es nur die schnelle Suche nach einem „coolen“ Namen, um eben die beiden Songs aufzunehmen. THIRDMOON haben ja einen Song gemacht, der SCARGOD heißt, und der war so gut, dass ich ihn haben wollte. Ich rief Wolfgang an und der meinte „OK“. Nach einer Weile, kam ich drauf, dass er wirklich wie die Faust aufs Auge passt und er so etwas wie mein Zweites ICH ist. Ich bin voller Narben, physisch und psychisch…. Der Name passt einfach und ich kann in SCARGOD alles hineinschreiben, schreien … was ich im „richtigen Leben" nicht darf und kann. Besser kann man einen Namen nicht wählen.

Welchen Einfluss nehmen die restlichen Bandmitglieder auf die Gestaltung der einzelnen Songs? Hältst du als alleiniger Initiator von SCARGOD die Zügel immer noch fest in der Hand und lenkst alle maßgeblichen Entwicklungen von den Lyrics bis hin zum Songwriting, oder erfolgt dies alles auf einer demokratischen Basis?

Ohne mich geht nichts… (haha) Nein, wir sind sehr demokratisch und jeder steuert seinen „Senf“ dazu bei. Ohne die „Kochkünste“ der anderen bzw. dem gemeinsamen Arbeiten wäre SCARGOD sicher nicht dort, wo wir momentan stehen. Ich mache halt die ganzen Basics. Mein Dank geht an dieser Stelle an alle Bandmitglieder und den Gernot, unseren Produzenten.

Nachdem du deine inneren Wunden und Schmerzen sehr emotional auf dem aktuellen Werk ausdrücken und hoffentlich heilen konntest, würde mich interessieren, in welche Richtung die kommenden Stücke tendieren werden? Wirst du der eingeschlagenen Linie treu bleiben und wenn ja, woher beziehst du deine Inspiration?

Ich habe noch nicht alles verarbeitet. Da ich seit meinem 13. Lebensjahr mit Problemen kämpfe, jedoch mittlerweile sehr gut damit zurecht komme - muss ich ja, da ich auch Kinder habe, die einen Vater brauchen - halte ich die Linie schon, zumindest auf dem ersten Longplayer von SCARGOD. Ich möchte Leuten aber eben auch damit helfen. Es ist noch gar nicht so lange her, als mich ein Fan anschrieb und meinte, er habe sich den Song „HURT“, nachdem er die Einstellung meinerseits mitbekommen hatte, erneut angehört und kam aus seiner Trauer heraus und sah dies als sehr positiv an. Ich werde jetzt nicht als „Prediger“ herumlaufen, aber wem unsere Musik hilft andere Wege einzuschlagen, sehr gerne. Dafür stehe ich gerne zur Verfügung, auch persönlich. Meine Inspiration hole ich also einfach aus solchen Geschichten und meinen eigenen. Und wer weiß, eines Tages mache ich dann ein „HAPPY ALBUM“ *g*




Sollen deine Musik und die Texte für eine Gruppe von Menschen ein Denkanstoß sein, um ihr Leben und gewisse Handlungen darin zu überdenken, damit sie es in bessere oder geregelte Bahnen lenken können?

JA. Ich bin aber kein „Prediger“ und „Therapeut“ wie oben schon gesagt. Jeder muss letztendlich selbst wissen, was er will und macht. Es gibt nun mal die Eigenverantwortung, aber ich sehe es schon so, dass sich die Leute mit meiner/unserer Musik identifizieren sollen und einen positiven Weg einschlagen werden, zumindest für den Moment z.B. die Scherbe weglegen….

Welchen Stellenwert nimmt für dich das literarisch anmutende gesprochene Intro auf der EP ein? Ist die Musik für dich untrennbar mit den Texten verbunden, oder kann sie auch mit x-beliebigen Inhalten derart intensive Gefühle vermitteln und auslösen?

Nein, x-beliebige Texte werden nicht passen. Es muss eine Einheit sein, ein Gesamtkonzept bilden. Das Intro nimmt, egal ob es jemanden gefällt oder nicht, für mich persönlich einen hohen Stellenwert ein und ich wollte es einfach deshalb als Anfang auf der CD haben. Für mich persönlich, ja, ganz allein.

Gibt es eine spezielle Gemütsverfassung, in der deine kreative Ader besonders angeregt wird, oder ist die Gefühlslage nachrangig, wenn dir ein besonderes Thema in den Kopf kommt?

Schwieriger Punkt, mit dem ich erst umgehen lernen muss. Meine kreative Ader war bis jetzt nur vorhanden, wenn ich selbst sehr traurig oder depressiv war, ich habe mir immer wieder Menschen gesucht, die mich fast zerstört haben und deshalb konnte ich schreiben oder Musik machen. Dies darf ich einfach nicht mehr machen! Ich muss mich so konzentrieren können, auch ohne Depression meine Muse zu finden. Es gelingt mir schon ganz gut, aber der Kick fehlt mir einfach. Aber daran arbeite ich bereits, natürlich nicht alleine, sondern schon mit Hilfe in Form einer Therapeutin.

Was gilt es in Zukunft noch zu verbessern, um SCARGOD einen Schritt weiter nach oben auf der Karriereleiter zu führen?
Aufgrund der mannigfaltigen Bandzugehörigkeiten deiner Kollegen werden Liveauftritte ja nicht gerade an der Tagesordnung stehen. Gibt es in diese Richtung überhaupt Pläne deinerseits, oder findest du dich damit ab, dass SCARGOD „nur“ eine Studioband ist?


Abfinden tu ich mich mit nichts. Aber ich werde wohl akzeptieren müssen, dass Live eben kaum was los sein wird, zumindest jetzt noch. Einen Schritt nach oben… das mache ich gerade. Ich halte SCARGOD im Gespräch und wir sind auf der Suche nach einem Deal der uns dabei hilft. Aber wir werden ganz schnell untergehen, wenn wir nicht stetig an uns selbst arbeiten würden, dies bringt uns nach oben.




Welche Ideen, Wünsche und Vorstellungen hättest du überhaupt für die Bühnenshow, damit sie perfekte mit der Musik harmonieren würde? Die finanziellen Aspekte würde ich an dieser Stelle mal ausklammern…

Ich würde die Show wie ein Theaterstück aufbauen. Sehr dunkel, mit richtigen Schauspielern, die zwischendrin Dialoge führen und die Band bei oder nach gewissen Szenen spielt „Musiktheater“ das wäre der blanke „Wahnsinn“ für mich persönlich

„Schmerz“ musstet ihr noch in Eigenregie auf den Markt schmeißen, doch sollten die Anfragen der Labels aufgrund der darauf gebotenen Qualität nicht lange auf sich warten lassen. Welche Ansprüche stellt ihr in eine eventuelle Zusammenarbeit und welche Forderungen würdet ihr auf keinen Fall akzeptieren?

Die Anfragen sind nicht so da wie man vielleicht glaubt. Leider. Es hat aber auch seine Gründe, darüber habe ich mich mal mit dem Wolfgang von THIRDMOON und IN SLUMBER fast eine Stunde lang unterhalten. SCARGOD steht auf der Schneide. Eine kleine Plattenfirma wird es sich dreimal überlegen uns zu signen, da diese garantiert zu viel an Werbung hineinstecken müsste, da wir Richtung Kommerz gehen. Eine große Firma wird es sich ebenfalls 2mal überlegen, da wir für Millionenplattenverkäufe zu wenig Pop machen…. Also stehen wir genau in der Mitte. Schwierig. Wir gehen selbst Kompromisse ein, jedoch nehmen wir keinen Vertrag an, wie uns dies schon angeboten wurde, in dem in etwa stand (zusammengefasst): „Die Band bezahlt alles, von uns kriegt Ihr unser Logo…“

Wie ist es deiner Ansicht nach momentan um die heimische Szene bestellt? Welche Lichtblicke und Schmankerln kannst du anführen und werden sich österreichische Bands in Zukunft auch international im vorderen Feld positionieren können?

Um es kurz zu machen: Die Szene selbst ist hervorragend. Es gibt viele hervorragende Bands, die das Zeug haben, sich nach ganz vorne durchzuboxen, jedoch haben die Plattenfirmen, vor allem die österreichischen, dies noch nicht erkannt und darum müssen wir Bands 5x so hart arbeiten wie eine schwedische oder deutsche Band!!

Schmankerln: (persönliche Faves)
1.) In SLUMBER
2.) DISTASTE
3.) SCARGOD
4.) Alle Bands in Österreich, die verdammt hart kämpfen und deren Zeit kommen wird!!


Welche Vorhaben und Ziele gilt es für euch in naher Zukunft zu erreichen?

1.) Einen Deal
2.) Den Bekanntheitsgrad so ausbauen, dass wir nicht vergessen werden
3.) damit wir in Ruhe eine Platte aufnehmen können und diese auch verkaufen können.


Wenn die liebe Metalfee kommen würde und euch drei Wünsche im Bezug auf das Musikbusiness erfüllen könnte, mit welchen Änderungen müssten wir in Zukunft leben?

1.) Das SCARGOD die Band Nr. 1 auf der ganzen Welt wäre, alle Menschen dieser Welt würden unsere Musik hören
2.) Konzerte, völlig ausverkauft, auf die nächsten 80 Jahre
3.) der wohl wichtigste Wunsch: dass meine Kinder gesund bleiben und richtig schön glücklich sind.


Nenne mir doch zum Abschluss drei gute Gründe, warum man sich „Schmerz“ unbedingt anschaffen sollte.

Die drei Songs: COLD, HURT, LOVE IS SUICIDE!

Die letzten Worte an eure Fans gehören natürlich dir.

Ich bedanke mich bei dir Jürgen, dass ich das Interview machen konnte, ich bedanke mich bei meiner Familie die trotz aller Probleme immer hinter mir stand. Ich bedanke mich bei all meinen Mitmusikern, ohne deren Hilfe SCARGOD nicht da wäre wo wir nun sind. Ich bedanke mich bei all unseren Fans da draußen für die gewaltige Unterstützung!!!


www.myspace.com/mazepayne

Autor: Juergen

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Beitrag vom 31.03.2008
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