Interview mit ATTILA CSIHAR – SUNN O)))


Zwar gelingt es mir im Chaos des Donaufestivals nicht, Greg Anderson oder Steve O’Malley als eines der Urmitglieder von SUNN O))) festzumachen, aber im Plastikstuhl auf der Wiese hinter der Minoritenkirche, den letzten Strahlen der Abendsonne zusehend, hat Attila Csihar ein paar Minuten für mich Zeit. Mit Löwenzahn im Knopfloch zeigt sich der Ungar wach und redselig, neben ihm dafür ein schätzungsweise sechzigjähriger Mann mit kaum einem Zahn mehr im Mund, den Attila als guten alten Freund vorstellt.


Also, ihr spielt heute in einer Kirche – das erste Mal für euch?


Nein, nicht ganz! Das hier ist die „Church Tour“, wir haben auch schon in Bergen in einer Kirche gespielt. Aber hey, das ist einfach eine Konzertlocation; ich bin kein religiöser Mensch, gebe inzwischen keinen Dreck mehr auf Religion!
Es sind aber lustige Gegensätze, diese Gebäude sind heute völlig nutzlos, also lasst sie uns für was cooles verwenden, nicht? Ich bin kein Satanist oder sonst wie abgefuckter Typ (haha!); als Kind hat mich das vielleicht interessiert, aber heute ist es mir nicht mehr wichtig. Und Satanismus ist auch nur eine Religion, der Name „Satan“ kommt von den gleichen Wurzeln, es kommt vom gleichen Scheiß. Ich versuche auf andere Art zu denken, Religionen blockieren unser Denken.
Aber das hier ist echt nur eine Location! Die in Bergen war interessant, die hatte die zweitgrößte Kirchenorgel in Skandinavien, und wir konnten sie benutzen! Wir probierten das aus, und ich ging beim Soundcheck mit einem Spliff hin und spielte 30 Minuten, und … uaaaaahhhh! Fucking amazing. Und natürlich benutzten wir sie dann bei der Show. Das liebe ich an SUNN O))), solche Experimente könnte ich mit MAYHEM nicht haben!
Wir hatten diesen ersten Part, bei dem nur die Orgel mit meiner Stimme eingesetzt wurde, der fucking cool war, und dann einen zweiten, „normalen“ Part, aber immer noch mit Orgel. Es war wirklich cool!
Ein bisschen besorgt war ich auch, ich meine, es war Bergen, da gibt es inzwischen Sightseeing-Trips zur Ex-Kirche (er dürfte Fantonft meinen, bekannt vom „Aske“-Cover), die niedergebrannt wurde! Das ist inzwischen eine Touristen-Attraktion, sie wurde 1:1 wieder aufgebaut. Aber ich geb da keinen Scheiß mehr drauf. Wir hatten auch keine Probleme, es hat einfach nicht so viel Promotion gegeben, und offiziell sind einfach Steven (O’Malley) und Greg (Anderson) aus den USA in Erscheinung getreten. Ich rede auch gern (merkt man!), aber die haben obendrauf das gute Englisch und können alles besser erklären, hehe!(Attila spricht eigentlich tadelloses Englisch).



Anschließend geht Attila weiter auf SUNN O))) ein:

Es ist sehr experimentell, psychedelisch, viele freie Elemente; ich würde es nicht mal mehr als Musik bezeichnen. Es balanciert mich gegenüber MAYHEM aus. Es ist nicht mehr Musik, sondern „Schwingungen“, dieses Ding im Moment, auch wenn es natürlich gewisse Strukturen hat. Ich liebe Zeug wie alte CURRENT 93, die kamen vom Doom, pitchten die Musik herunter, und als ich das Zeug das erste mal hörte und eingeladen wurde, mit CURRENT 93 aufzutreten (was auch noch am selben Abend stattfinden sollte), dachte ich: ja klar, lasst uns das machen! Es sind wichtige Industrial-Experimental-Pioniere, jetzt spielen sie hauptsächlich akustisch, aber es ist nicht cheesy und ich mag es!
Ja, ich mag die Experimente. Aber irgendwie ist es doch das gleiche wie bei MAYHEM, gleiches Ding von verschiedenen Aspekten. Aber hier kann ich viel freier Singen.



Das würde mich interessieren: Sind die Songstrukturen bei SUNN 0))) (besonders im Liveeinsatz) fest vorgegeben, oder wird da improvisiert? Es fällt beim Anhören schließlich schwer, Strukturen auszumachen?


Also, live ist das natürlich immer ein bisschen anders, aber es gibt schon fixe Songs, aber wir lassen auch Dinge frei und machen dann spontan was draus.


SUNN O))) – eine Band zwischen zwei Welten. Einerseits diese Metal, sogar Black Metal-Einflüsse, aber im Kontext der experimental-Sparte, die ja auch weitaus akzeptierter ist. Du könntest hier wohl kaum mit MAYHEM spielen. Hier mischen sich die Genres?


Jaja, Stephen und Greg sind große Black Metal-Fans; Greg macht Southern Lord Records mit Stoner und Psychedelic, aber auch ein paar Black Metal Sachen, LEVIATHAN, URGEHAL und so weiter. Sie mögen es, und es geht uns um das gleiche Ding, aber das ist kein religiöses, insofern ist die Philosophie schon verschieden. Aber es ist interessant, wie wir in diese experimentelle Richtung gekommen sind. Stephen macht ja auch großartige Grafik (so gut wie alle Southern Lord-Bands), was ja auch zeigt, dass es nicht nur in eine Richtung gehen muss! Die beiden sind der harte Kern; ich bin vor 5 Jahren bei „White 2“ dazugestoßen. Dann hatten sie noch John Wiese (BASTARD NOISE), Oren Ambarchi, Thomas (Thomas Nieuwenhuizen) aus Holland (Moog-Synths), die MELVINS-Jungs, … was weiß ich, ich bin nicht gut mit den Namen! Aber es können bis zu 6 Leute auf der Bühne werden, und dann geht es schon sehr weit vom Metal weg. Aber ich bin happy mit den Experimenten; dank SUNN O))) kann ich heute mit David Tibet bei CURRENT 93 auftreten!


(Attilas Telefon klingelt)

Die Freunde stressen schon, sie warten auf mich! Na, sie werden sich gedulden müssen.


Der Punkt ist; ich mag es: Wir gehen nach Japan, werden mit BORIS spielen; und es wird einen geheimen Gig in Tokyo geben (!). Ja… ich weiß auch nicht was da passieren wird, in Japan kann alles passieren! Aber es ist sehr cool, wir spielen auf experimentellen Festivals, auf dem Transmedialen in Berlin, da machten wir nur mit Greg und Oren BURIAL CHAMBER TRIO, schon wieder was anderes!
Aber als ich neben dem extremen Metal mit Industrial-Sachen bekannt gemacht wurde, dachte ich: Fuck, es schmeckt letztlich gleich! Das gleiche Ding, aber von zwei völlig verschiedenen Standpunkten.



Ich würde sagen, Metal uns Experimental/Ambient dieser Art sind sich in der Atmosphäre, die sie erzeugen können, sogar recht ähnlich?


Ja, aber das Experimentelle ist multidimensionaler als der Black Metal, der ist eher Fantasy, aber nicht nur, da er mit tatsächlicher Religionen zu tun hat und gegen diese motzt, und das ist cool, das ist gesund! Ich für mich bin jetzt offener, aber ich verleugne es natürlich nicht, deshalb bin ich ja bei MAYHEM. Die Leute werden überrascht sein, wie herausfordernd das neue Album („Ordo ab Chao“) ist, es ist gänzlich unkommerziell!


Ich glaube, dass „Chimera“ sehr, sehr stark war, aber für MAYHEM-Standards ist es fast schon „easy listening“?


Ja (lacht), da mussten wir was ausbalancieren! Ich würde es als komplizierter als alles andere von MAYHEM bezeichnen, man könnte es mit „Grand Declaration“ vergleichen. Das ist gut so, das ist MAYHEM, das bringt uns weiter!


Dann bist du ja ordentlich eingespannt! MAYHEM werden wohl auch touren?


Ja, es gibt zuerst eine US-Tour, dann dürfte Europa kommen… Sorry, jetzt muss ich aber wirklich, die Freunde, du weißt schon… Danke, machs gut!


www.southern.net/southern/band/SUNNN/

Autor: marian

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Beitrag vom 30.04.2007
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