Interview mit UNDERTOW - Psychologie oder Frühlingsquark


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Allem voran einmal ein kräftiges „Hallo“ und herzliche Gratulation zum neuen Album und nun nichts wie los:


Oh, danke für die Blumen und heyho, let’s go!


UNDERTOW existiert nun seit mittlerweile über zwölf Jahren und kann seit einigen Jahren als fixer Bestandteil der metallischen Szene gezählt werden. Welche Kurzbeschreibung könnt ihr unseren Lesern geben, die noch nicht so recht mit euch vertraut sind?


Metal mit viel Hingabe, Seele und Groove. Ein ordentliches Pfund Thrash trifft auf doomige Passagen gepaart mit ner Menge Aggression und aber auch immer Melodie und Melancholie fürs Herz und Ohr. Shit, das war nicht wirklich kurz... sorry!


Im Jahre 2002 kam "Unit E" in die Läden und gleich 12 Monate später konntet ihr mit "34CE" erneut einen Release aus dem Ärmel schütteln. Welche Gründe waren denn ausschlaggebend, dass es nun bis „Milgram“ für eure Verhältnisse relativ lange gedauert hat?


Naja, dazu muss man wissen, dass da auch immer viel Business mit rein spielt. Mit „Unit E“ haben wir das Label gewechselt, das heißt, es wurde noch fürs alte Label aufgenommen. Das hatte dann aber, huch, plötzlich keinen Vertrieb mehr und so haben wir bei Silverdust angedockt. Wir haben für „34CE“ aber auch gute zwei Jahre Sngwriting getrieben, nur ging das halt schon los, als wir noch auf die Veröffentlichung von „Unit E“ gewartet haben. Diesmal kam einerseits ein Drummerwechsel dazu, zudem ist Joschi Vater geworden und unsere Labelkollegen KORODED haben mehr Zeit als geplant gebraucht und so mussten wir, da wir gemeinsam promotet werden, eben auch notgedrungen länger warten mit dem Studiobesuch.


Den Posten am Schlagzeug bei euch kann man überspitzt eher als Schleudersitz, denn eine fixe Konstante bezeichnen. Ein Line-Up-Wechsel ist immer unangenehm, doch Bands, die wie ihr als klassische Dreierbesetzung agieren, muss der Abgang eines Bandmitgliedes doppelt treffen oder?


Stimmt schon, sieht komisch aus: drei Drummer, wenn Umbesetzung, dann immer an den Kesseln... Aber nö, das hat mit der Dreierbesetzung wenig zu tun. Es war aber schon ein Schock für uns, da wir das nie als Business, sondern immer als Herzensangelegenheit gesehen haben. Wir hatten auch richtig Sorgen, ob wir das Loch menschlich adäquat stopfen können. Mit Rainer sind wir aber sowohl spielerisch als auch menschlich mehr als glücklich, wenn er brav ist, darf er auch länger als fünf Jahre bleiben! :O)=


Der Ausstieg von Oliver wurde im Dezember 2003 für Sommer des darauf folgenden Jahres angekündigt. Von einer überstürzten Handlung kann da also keineswegs die Rede sein. Warum haben sich denn eure Wege seinerzeit eigentlich getrennt und gibt es noch freundschaftlichen Kontakt mit ihm?


Das hatte wohl hauptsächlich familiäre Gründe, seine Freundin war damals zum ersten Mal schwanger. Kontakt ja, unter Freundschaft versteh ich persönlich dann doch etwas mehr. Wir sehen/hören uns ab und an mal, Joschi noch am ehesten.


Ist die momentane Besetzung nun jene, mit der ihr hofft euer 20-jähriges Bandbestehen feiern zu können? Welche Vorzüge habt ihr in dieser Besetzung als Team momentan, die es vorher eventuell nicht gegeben hat?


Wie gesagt, wir sind sehr happy dieser Tage. Ich finde, dass das Zusammenspiel noch nie so gut war, wie heute mit Rainer. Was nicht heißen soll, dass Kuddel ein schlechter Drummer ist, ganz im Gegenteil, der Mann ist eine absolute Präzisionsmaschine. Mit Rainer hat das ganze aber mehr Leben, ist abwechslungsreicher und bunter und fühlt sich einfach richtig an. Besonders live ist es die pure Freunde, mit ihm zu spielen – und wer ihn mal am Schlagzeug gesehen hat, weiß vielleicht, was ich meine...


Was bei der neuen Scheibe sofort ins Auge sticht ist die Tatsache, dass ihr euch für den Titel dieses Mal kein Wortspiel ausgesucht habt. Wurdet ihr des Ganzen überdrüssig, oder hat euch einfach die nötige Inspiration gefehlt?


Oh ich denke, mir wäre schon wieder was eingefallen, aber weil eben viele damit gerechnet haben, wollten wir das bewusst nicht noch mal machen.


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Der Albumtitel gepaart mit dem Cover lässt mich zu dem Schluss kommen, dass ihr euch dieses Mal eingehend mit Stanley Milgram und seinem umstrittenen Psychologieexperiment beschäftigt habt. Seht ihr diese Themenwahl als längst fälligen Weckruf, um die inzwischen schon ungeniert durchgeführte Manipulation der Menschen durch die Medien anzuprangern?


Also erst mal Gratulation, Du gehörst Du zu einer kleinen, aber feinen Schar von Journalisten, die offensichtlich ihre Hausaufgaben gemacht hat und den Titel richtig zugeordnet hat – irgendjemand hat doch tatsächlich unterstellt, dass wir da was mit Milram-Frühlingsquark machen wollten! Weckruf ist übertrieben, ich fand das Experiment einfach nur unglaublich und finde, dass man diesen blinden und unreflektierten Gehorsam leider auch sehr gut auf so viele andere Bereiche transferieren kann, nimm Politik, Religion, Musik oder eben Wissenschaft.... einer schreit und die Schafe traben brav in die geforderte Richtung, gerne auch mal zur eigenen Schlachtbank.


Eure Songs weisen zum einen beinahe fragile Elemente wie zum Beispiel in „This Is The Worst Day… Since Yesterday“ auf, um an anderer Stelle nur so vor Wut und Aggression zu kochen. Wie sieht da die private Gefühlsebene der Protagonisten aus und welchen Gemütszustand habt ihr beim Komponieren eurer Songs?


Tja, im Gegensatz zu unserer Musik sind wir privat, denke ich, sehr umgängliche Typen mit ihrem ganz eigenen Humor und vielleicht einer etwas speziellen Sicht auf die Dinge. Die Musik ist dann wohl das Ventil, die Plattform um all das, was uns umtreibt, ärgert oder einfach beschäftigt zu kanalisieren und kontrolliert zu entsorgen.


Euch in gängige Schubladen einzuordnen fällt (für euch glücklicherweise) ziemlich schwer. Das Grundgerüst eurer Tracks besteht zumeist jedoch aus den Gitarren, die für eine fette Basis sorgen. Wie wichtig ist es euch musikalisch aus der Masse hervorzustechen? Oder anders gefragt: Käme eine Kurskorrektur in Frage, nur um damit 1000 Einheiten eines Albums mehr absetzen zu können?


Wir sind gar nicht so glücklich über diese „zwischen den Stühlen“-Situation. Andererseits stand es eben auch niemals nicht zur Debatte sich zu verstellen oder zu verleugnen nur um vielleicht ein paar Einheiten mehr zu verkaufen. Klar sind Verkäufe wichtig, aber ich glaube, wenn wir anfangen würden, uns darüber Gedanken zu machen, was die Leute unter Umständen gerne kaufen würden, dann hätten wir schon vor dem Start verloren. Wir haben einfach immer nur unser Ding durchgezogen und glücklicherweise hat das wohl den ein oder anderen überzeugt und so haben wir irgendwann mal nen ersten Plattenvertrag unterschrieben und so gings grad weiter. Wir haben nie krankhaft versucht, etwas Bestimmtes zu erreichen, uns aber sehr gefreut, wenn mal wieder was passiert ist, von dem wir früher nie geträumt hätten, dass wir das je schaffen würden. Als wir uns zu unserer ersten Probe in ner Waschküche eingefunden haben, hat keiner geahnt, dass uns das mal auf große Touren, Festivalbühnen und in die Hefte bringen würde, die wir damals quasi als die heilige Schrift betrachtet haben. Ich weiß noch, dass ich völlig fasziniert war, als ich damals unser erstes Demo-Tape in der Hand hatte... und jetzt, Jahre später, die vierte Platte über ein Label, kurz vor ner Nightliner-Europatour mit PRO-PAIN - wie krass ist das denn!?


Die Songtitel lassen, für mich zumindest, keinen direkten Zusammenhang mit dem Albumtitel ersehen. Worum dreht es sich bei ihnen hauptsächlich und welchen Stellenwert nehmen Texte für euch persönlich ein? Sind sie nur schmückendes Beiwerk zur Musik oder sind sie eher als zusätzliches und unersetzbares Instrument zu werten?


Dazu ist es zunächst mal wichtig zu wissen, dass Joschi und ich uns die Textarbeit teilen. Somit könnte ich auch nur zu den Texten was sagen, die ich selbst geschrieben habe – was in etwa 70 Prozent der Texte auf „Milgram“ ausmacht. Die Texte sind keineswegs nur schmückendes Beiwerk, wir geben uns da sehr viel Mühe, aber unersetzbares Instrument? Hmm. Es gibt Texte, auf die ich halbwegs stolz bin, weil sie mit dem Song verschmelzen und wie der Arsch auf den Eimer passen (auf dem neuen Album z.B. „Stomping Out Ignorance“, „This Is The Worst Day...“, „Buried In Snow“ und „D.Mood“), andere sind einfach nur okay. Manches finde ich mit Abstand dann auch schnell etwas zu platt, aber so ist das halt manchmal, wenn es aus einem herausbricht...


Für die Aufnahmen habt ihr erneut auf Roger Grüninger und dessen 141-Studio zurückgegriffen. Welche Herangehensweise habt ihr arbeitstechnisch im Studio und gibt es nennenswerte Zwischenfälle dazu zu berichten?


Wir haben uns wieder für Roger entschieden, weil wir einerseits sehr zufrieden mit „34CE“ waren und andererseits mit seiner Arbeitswiese vertraut sind. Wir nehmen die Instrumente nacheinander auf und spielen die Songs nicht live ein. Das ermöglicht ein sehr wirtschaftliches und effektives Aufnehmen. Manche Sachen kann man allerdings nicht planen, manche Parts, wie etwa der Mittelpart von „Crawler“, sind erst im Studio entstanden und wir mussten auch hier und da mal unterbrechen weil Roger andere Jobs hatte oder Joschi krank war.


Stand es jemals zur Diskussion einen anderen Produzenten zu wählen und ein anderes Studio zu buchen?


Nicht wirklich.


Kann es sein, dass ihr beim Endmix zu „Buried In Snow“ etwas herumexperimentiert habt, da der Song eine etwas ungeschliffenere und rohere Handschrift trägt als der Rest?


Das mag damit zusammen hängen, dass der Song einerseits mit für Undertow bisher eher untypischem Riffing arbeitet und zudem mit anderem Tuning als das restliche Material daher kommt, das ist der einzige Song, der in D ist – ist auch der erste Song, der für „Milgram“ entstanden ist.


In eurer langjährigen Laufbahn habt ihr schon Gigs mit Kalibern wie CROWBAR, DANZIG, HYPOCRISY oder SENTENCED gespielt. Welchen unerfüllten musikalischen Traum gibt es für euch noch?


Tja, ich denke, wenn man mal aufhört zu träumen, kann mans auch gleich vollends sein lassen. Es gäb da schon noch ne Menge Bands, mit denen wir uns gerne mal die Bühne teilen würden, METALLICA als die Helden unserer Jugend dürfen da ebenso wenig fehlen, wie langjährige Helden wie MACHINE HEAD, HELMET, KATATONIA oder auch Bands, die wir erst vor kurzem für uns entdeckt haben wie zum Beispiel MASTODON, THRICE, DREDG und ISIS. Dann gibt’s ja auch noch so viele coole Festivals, auf denen wir natürlich auch gerne mal spielen würden, das With Full Force zum Beispiel und last but not least gibt’s auch noch so viele Länder, die wir gerne mal mit der Band besuchen würden... Realistisches wie England oder die Niederlande wär doch auch mal cool, aber natürlich auch exotisches wie Japan, Island oder von mir aus auch Russland oder Südamerika... Ein paar Wünsche erfüllen sich schon im August, wenn wir beim Summer Breeze auf der gleichen Bühne wie THE HAUNTED, GOJIRA, FEAR MY THOUGHTS und VOLBEAT stehen.


Was hat es verdammt noch mal eigentlich mit dem UNDERTOW-Auto auf sich, von dem auf euerer Homepage die Rede ist?


Hihi, der Weg dorthin ist nicht mehr so ganz einfach, weil die News aus dem letzten Jahr ist. Du musst unter „Pics“ erst mal das Jahr 2005 auswählen und dann den Eintrag Bildermix suchen, das zehnte Bild zeigt dann glaub ich den schwarzen Flitzer mit den breiten Schlappen – gehört übrigens einer jungen Dame aus Hamburg.


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Nach dem offiziellen Veröffentlichungsdatum von „Milgram“ wird es vermutlich eine ausgedehnte Präsentationstour geben. Wo wird sie euch hinführen und worauf freut ihr euch dabei schon besonders?


Wir sind froh, dass es zeitnah zum Veröffentlichungstermin, also Mitte April, zusammen mit PRO-PAIN auf Tour geht. Sehr cool ist, dass uns die Tour durch sechs europäische Länder führt und wir zum Beispiel in Frankreich oder der Tschechei vorher noch nie gespielt hatten. Ich freue mich aber auch zum Beispiel sehr auf die Show in Hannover, weil da viele Leute kommen, die ich lange nicht mehr gesehen habe!


Wenn ihr zum Schluss nun im Stile eines Autoverkäufers euer neues Werk mit drei handfesten Argumenten an dem Mann bringen müsstet, welche wären das?


1. großes Leistungsspektrum bei gleichzeitig geringem Bierverbrauch (Drei-Zylinder) 2. fette Anlage mit abwechslungsreichem Soundspektrum 3. ein treues Gefährt mit viel Charakter, Herz und Identität – also ich würd das kaufen!!!


Gibt es noch Ungefragtes, das sich unbedingt den Weg an unsere Leser bahnen muss?


Nö, ich könnt hier zwar locker noch ein paar interessante Fragen von Dir beantworten, aber das war doch jetzt schon deutlich überdurchschnittlich! D.h., halt: unsere Freunde von KORODED bringen dieser Tage auch ein überfettes neues Album heraus, da ruhig auch mal ein, zwei Öhrchen reinhalten!


Ansonsten möchte ich mich für eure Zeit für das Interview bedanken, viel Erfolg mit dem neuen Album wünschen und euch die Schlussworte übertragen.


Wie gesagt, hat Spaß gemacht, ich danke DIR für die Fragen und die Möglichkeit uns und unser neues Album zu präsentieren! Thanx and take care, UnderTOM

www.undertow.de

Autor: Juergen

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Beitrag vom 14.04.2006
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