Interview mit CHARON - Fröhliche Gesellen aus dem Norden Finnlands


Click. Ich schalte mein Aufnahmegerät in den Wiedergabemodus. Es ist Zeit, mein äußerst amüsantes Date mit der finnischen Band CHARON, die im Zuge ihrer ersten eigenen Europa-Tour im Wiener Monastery aufspielten, der Nachwelt zu eröffnen. Im Hintergrund hört man lautes Reden, Fluchen, Klatschen und Trommeln der anderen Bandmitglieder…

J-P: He Jungs, wir machen jetzt das Interview. Setzt’s euch doch ins Stiegenhaus, falls es euch dort nicht zu kalt ist…
Teemu: Ja, oder haltet’s die Klappe!
J-P: Ja genau, oder haltet’s die Klappe *lacht*!
Pasi: Na gut, dann geh ich halt. Ich sag sonst sowieso wieder irgendwas Blödes *lacht*.
J-P: *bekommt einen Lachkrampf* Vielleicht solltest du dann ja doch dableiben…





Ja, bleib da!... *Pasi setzt sich*
Wie geht’s euch denn so?


J-P: Also ich muss sagen, jetzt im Moment ist es gerade sehr lässig, mal seit langem mit jemandem anderen Finnisch zu reden und nicht immer unserem blöden Gebrabbel zuhören zu müssen *lacht*.
Pasi: Ja... Wir sind ein bisschen müde wegen der ganzen Reiserei.
J-P: Aber es ist cool nach langer Zeit, wieder mal Mitteleuropa zu erkunden. In Finnland haben wir am Ende des Sommers unsere neue Platte veröffentlicht (*Anm.: „Songs For The Sinners“*). Seitdem haben wir dort eigentlich bis zu dieser Tour jedes Wochenende gespielt und nach der Tour geht’s genauso weiter. Dann machen wir ein Monat Pause und im Sommer spielen wir auf den Festivals in Finnland, hoffentlich kommen auch noch welche anderswo in Europa dazu. Wir sind auf jeden Fall in Tschechien, beim „Masters of Rock“.





Erzähl doch mal ein bisschen was über eure Band, für diejenigen, die noch nie was von euch gehört haben…

J-P.: Die Jungs haben 1992 die Band gegründet. Da war ich noch nicht dabei, aber dafür alle anderen, bis auf Late (*Anm.: = Lauri*)…
Pasi: Ja, der ist erst 2002 gegen Jasse eingetauscht worden. Und J-P kam 1995 dazu.
J-P.: Nach einiger Zeit hat uns eine dänische Firma einen Plattenvertrag angeboten. Nach zwei Alben hat uns dann Spinefarm unter die Fittiche genommen. Einen Booker haben wir im Jahr 2000 gekriegt, Dex Viihde. 2002 waren wir das erste Mal auf Europa-Tour, zusammen mit NIGHTWISH.


Ach ja, davon kann man sich ja auch auf der DVD von NIGHTWISH ein Bild machen. Apropos, gab’s auf dieser Tour schon ein ähnlich lustiges Erlebnis wie damals, als Marco Hietala bei „Little Angel“ als Engel verkleidet zu euch auf die Bühne gesprungen ist?

J-P.: *lachend* Nein, noch nicht. Aber den letzten Gig dieser Tour haben wir ja auch noch nicht gespielt…
Pasi: Technische Schwierigkeiten haben wir dafür aber mehr als genug gehabt…
J-P.: Ja, es kommt uns so vor, als seien die Venues hier in Mitteleuropa technisch schlechter ausgestattet als in Finnland. Vom Monastery haben wir bis jetzt noch den positivsten Eindruck von den Orten, wo wir jetzt gespielt haben, obwohl es hier auch einige Problemchen gab.
Aber was soll’s, das ist ja trotzdem erst die erste eigene Europa-Tour für uns und so viel können oder dürfen wir uns davon nicht erwarten. Wir versuchen eigentlich nur unseren Namen publik zu machen, steigen dabei mit annähernd +/- null Euro aus. Unsere Band hat bis jetzt auch immer nur kleine Schritte vorwärts gemacht und wir haben nie etwas geschenkt bekommen. Aber das ist eigentlich ganz gut so, dadurch haben wir CHARON zu einem konstanten Namen machen und uns einen treuen Fankreis erspielen können.


Dann mal zu eurem neuesten Album, „Songs For The Sinners“. Wodurch unterscheidet es sich eurer Meinung nach von denen davor?

J-P.: Naja, zuerst einmal durch die Schaffensart, wie wir das Ganze angegangen sind. Das Songwriting war vom ersten bis zum letzten Moment die reinste Freude. Vor allem, weil eben Late neu dazugekommen ist, wir davor schon viele Gigs mit ihm gespielt haben und dann beim Proben für die neue Platte einfach munter drauf loslegen konnten.
Pasi: Late hat so viel neue Energie mit sich gebracht, es fühlt sich an, als hätten wir eine neue Band gegründet.
Teemu: Ja, und mit ihm haben wir auch einen neuen Songwriter in der Band. Das bringt einen neuen Kick in das Ganze.
Pasi: Außerdem unterscheidet sich das neue Album ja auch dadurch von den anderen, dass wir es nicht so wie die davor in unserer Heimatstadt Raahe aufgenommen haben. Deswegen haben wir weniger Zeit zum Aufnehmen gehabt, haben einfach sofort zwei ordentliche Demobänder produziert und uns dann für ein Monat ins Studio verschanzt. Es war also ein gewisser Druck dahinter…
J-P.: Dafür war das Material aber schon fertig, als wir ins Studio gingen… Aber ich finde, dass „Songs For The Sinners“ auch facettenreicher als die Vorgänger ist. Wir haben uns getraut, Dinge auszuprobieren, für die wir früher zu feig waren. Die Songs „Air“, „House Of The Silent“ oder „Bullet“ sind gute Beispiele dafür. Wir haben dadurch irgendwie unseren Horizont erweitern können und sind jetzt erst so richtig draufgekommen, dass man auf so viele verschiedene Arten Musik machen kann.
Wir haben dieses richtige Rock’n’Roll-Feeling bekommen und damit sozusagen auch den Mut, mal auch was sehr Langsames, fast schon Akustisches auszuprobieren, wie zum Beispiel eben den Song „Air“. Aber um ehrlich zu sein, bei genau diesem Lied haben wir uns dann echt schon gefragt, ob wir es auf die CD pressen können. Dann haben wir uns aber gedacht, na klar können wir das.
Teemu: Also ich finde nicht, dass wir uns überhaupt irgendwann wirklich Gedanken darüber gemacht haben.
J-P.: Ich schon. Ich hab wirklich verdammt lang gezögert.
Pasi: Aber alles in allem war es leicht für uns, zusammen die Songs einzuspielen, weil wir uns schon sehr lange kennen und wirklich eine Einheit bilden.
J-P.: Und schlechte Ideen werden sehr schnell von den anderen zensuriert. Wir müssen uns keine Gedanken mehr darüber machen, ob wir uns trauen, dem anderen zu sagen: „Das ist totale Scheiße“ *allgemeines Lachen *.
Ich hab mal ein Riffing zum Training mitgebracht, an dem ich mindestens eine Woche gearbeitet hatte und von dem ich geglaubt hab, er sei der beste, den ich jemals erfunden hab. Dann hab ich ihn Pasi vorgespielt, der gemeint hat: „Das ist so ungefähr das Schlechteste, was ich je von dir gehört hab'!“…
Äh, ja, ich glaub wir sind jetzt ein wenig vom Thema abgekommen *lacht*.





Macht ja nix… Habt’s ihr eigentlich auch noch andere Berufe oder seid’s ihr Vollzeitmusiker?

J-P.: Ich hab einen Halbtagsjob in einer Buchdruckerei.
Pasi: Antti ist Elektriker.
J-P.: Wir haben schon alle eine Ausbildung…
Pasi: Außer ich…und Teemu *lacht*.
J-P.:…Da ist wohl immer die Tour dazwischengekommen *lacht*….Aber mal schauen, ob ich meinen Job noch hab, wenn ich nach Hause komm’ und verkünde, dass ich im Herbst wieder auf Tour geh. Jetzt lach ich noch, aber wenn’s dann wirklich soweit ist und sich die Rechungen zu Hause stapeln denkt man anders darüber. Aber was soll’s, irgendwie kommt man immer durch.
Pasi: In Finnland ist es so verdammt schwierig, im Musikbusiness so viel Geld zu verdienen, dass man davon leben kann. Aber die Musik ist das Einzige, in das wir immer investiert haben, das was immer da war und der Stützpunkt in unserem Leben.
J-P.: Es ist das geistige Etwas, ohne das wir nicht leben können und Musik machen ist das, was wir können, weil uns die Schule nicht interessiert hat…Das hört sich jetzt nach Paul Stanley an *lacht*…Oder vielleicht waren wir auch nur so scheiße in der Schule, dass wir keine andere Möglichkeit hatten. Wie auch immer, wir haben kein zweites Mal über unseren Entschluss für die musikalische Laufbahn nachgedacht, auch wenn das Geld manchmal knapp ist.
Es ist ja auch so, dass keiner von uns, so wie viele Musiker in Südfinnland zehn Nebenprojekte hat, die zwar ganz okay sind, aber in die kein Herzblut fließt, sondern die einfach zusätzliche Einnahmequellen darstellen.
Pasi: Ja, und in Nordfinnland, wo wir herkommen, leben ja auch nicht so viele Leute, dass man viele Nebenprojekte zusammenstellen könnte. In Helsinki ist es eben ganz anders, da kannst du, wenn du willst, ein Duo gründen und jeden Abend irgendwo einen Gig spielen. Aber Raahe hat 20000 Einwohner…
J-P.: Und der Grund, warum in unserer Band gerade ich, Teemu, Pasi, Antti und Late spielen ist eben der, dass es in Raahe keine anderen Musiker gibt *lacht*.
Teemu: Oder falls es mal welche gegeben hat, dann sind sie auf jeden Fall nicht so blöd gewesen, so wie wir weiterzumachen *allgemeines Lachen*… Und das hier zeugt auch von Blödheit *zeigt seine, vom Bassspielen aufgeschürften, mit Blasen übersäten Finger her und fängt an, sie mit einer Nadel zu malträtieren*…
J-P.: Ich glaub die müssen amputiert werden…


Allerletzte Frage: Stichwort Olympische Spiele. Was sagt ihr dazu, dass Schweden im Eishockey gegen Finnland gewonnen hat?

...*längere Gedenkminute in Anbetracht des heiklen Themas*
J-P.: Voi vittu! (*Verfluchte Scheiße!*)
Pasi: Wir waren da gerade mit dem Bus unterwegs und die Internetverbindung hat gestockt.
J-P.: Wir haben wirklich alles versucht, um das Spiel zu sehen, ein Freund von uns hat sogar seine Webcam auf den Fernseher gerichtet, aber das hat auch nicht funktioniert.
Pasi: Sagen wir’s mal so: Es hat uns schon verdammt geärgert.
J-P.: Aber wenigstens haben wir gegen Russland gewonnen…


Naja, aber gegen Schweden verlieren ist doch schon sehr heftig…

J-P.: Ja, na klar, das war das Schlimmste, was uns überhaupt passieren konnte!
Teemu: …Aber wir warten schon darauf, wenn wir wieder mit dem schwedischen Schiff von Schweden zurück nach Finnland fahren *zustimmendes Lachen*.
J-P.: Die Rache lebt!!!...Wir müssen halt aufpassen, dass wir zu dem Zeitpunkt noch genug Kraft haben, um dort ordentlich auf den Putz zu hauen. Deswegen feiern wir jetzt auch nicht so viel…




www.charon.fi

Autor: Kristina

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Beitrag vom 29.03.2006
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