Interview mit APOCALYPTICA, CHILDREN OF BODOM, TURMION KÄTILÖT - Tuska, des einen Freud’, des andren Leid’


Um ein korrektes Bild über die finnischen Festivals auch von der Artistenseite aus zu erhalten, hielt ich an den drei Tagen purer Qual drei Bandmitglieder auf, die ich bat, ihren Standpunkt zu Finnlands Metal-Hauptevent des Jahres abzugeben.


Als erster wurde APOCALYPTICAs Perttu nach dem Gig in die Büsche gezerrt (*nicht so wie ihr denkt* ;).



Magst du tuska? (*zur Erklärung: der Name des Festivals bezieht sich auf die gleichlautende finnische Bezeichnung für Qual oder Leiden*)

(*grinsend*) Ja, besonders mag ich alle Arten von Schmerzen. Der Schmerz ist mein Freund, weil wenn einem etwas wehtut, weiß man, dass man lebt und das ist ein schönes Gefühl.

Und Tuska als Festival?

Ich finde es ist sehr gut organisiert und die Zuhörerschaft ist sehr gut drauf.
Dieses Mal war es sehr schön zu sehen, dass das Publikum nicht so homogen war. Ich habe das Gefühl, dass dieses Jahr im Gegensatz zu denen davor auch viele Leute da sind, die nicht unbedingt metal-orientiert sind, ich weiß nicht woran es liegt. Unsere Musik mögen ja auch verschiedenste Sorten von Menschen, und das ist mir heute besonders aufgefallen.


Ja, mir ist auch aufgefallen, dass heute ältere Leute da sind.

Ja, genau das meine ich. Eben ältere Menschen und auch Teenager, also Menschen, die man nicht gewöhnt ist auf Metal-Festivals zu sehen.

Welche finnischen Festivals würdest du empfehlen?

Die legendärsten sind definitiv Provinssirock und Ruisrock, die werden mit dem größten Kaliber aufgefahren und schaffen es die größten Namen, auch aus der internationalen Musikwelt für ihre Festivals zu gewinnen. Dieses Jahr waren ja zum Beispiel RAMMSTEIN am Ruisrock.
Das Provinssirock geht eigentlich noch mehr in die Heavy Metal-Richtung als das Ruisrock. Am Ruisrock findet man doch noch mehr „finnische Schlagerstars“ und so.
Ja, und dann würde ich natürlich noch das Tuska empfehlen, hier sieht man sowohl finnische Metal-Bands wie uns und dann auch solche Bands wie MONSTER MAGNET, TESTAMENT uns so weiter.
Und dann sind ja auch die ganzen kleineren Festivals interessant, weil man dort Bands antrifft, die man woanders nicht sieht. (*lacht*) Finnland ist ja voll mit seltsamen Artisten oder Bands. Es ist eben das Heimatland von Bands wie ELÄKELÄISET, MIESKUOROHUUTAJAT und auch von einer verdammten Cello-Band, die versucht sch*** Musik zu machen…


Ihr versucht absichtlich sch*** Musik zu machen?

(*lacht*) Naja, nein, nicht so wirklich, aber ich meine ja nur, dass aus Finnland sehr viel eigenartige, in irgendeiner Weise auch originelle Musik kommt.

Was ist deiner Meinung das Beste an den Festivals hier?

Also dieses Jahr speziell das unglaublich prächtige Wetter. Leider waren wir ja jetzt nicht hier um es zu bezeugen, aber was ich gehört habe, soll es so schön wie selten hier gewesen sein.
Die Leute hier in Finnland gehen auf ein Festival, um viel Spaß zu haben, was sowohl eine gute aber auch eine schlechte Seite hat, die man dann merkt, wenn man in Erbrochenem spazieren darf.
Aber im besten Fall ist ein finnisches Festival ein großes Fest…Und verprügelt wird man hier auch nicht so oft…nur manchmal (*lacht*).




Danach ging`s mit Alexi Laiho von C.O.B. auf den Backstage-Rasen.



Magst du tuska, als Festival und auch so?

Ja, ich hab das Tuska wirklich gern als Festival. Das ist jetzt das dritte Mal, dass wir hier sind, beziehungsweise mein persönliches viertes Mal, aber als C.O.B. das dritte.
Insofern ist es extrem angenehm, weil das unsere Heimatstadt ist. Es ist ein Festival mitten in der Stadt und die Atmosphäre hier ist immer rundum verdammt gut. Alle wollen nur Spaß haben.
Und ob ich tuska ansonsten mag? Ja, klar, ein wenig Leid und Schmerzen müssen immer sein (*lacht*).


Welche finnischen Festivals würdest du unseren Lesern empfehlen?

Naja, das Tuska zu erwähnen ist wahrscheinlich jetzt unnötig, aber dennoch sag ich’s. Dann wären da noch das Ruisrock in Turku und das Ilosaarirock, wo wir gestern waren. Diese drei sind wirklich verdammt okay.

Möchtest du deinen österreichischen Fans etwas mitteilen und wann darf man euch wieder in Österreich erwarten?

Wir kommen im Januar dorthin. Die Europatour startet am 25. Dezember. Wir spielen zuerst in Deutschland, kommen aber auch nach Österreich, wahrscheinlich wieder ins Planet Music.
Und was ich noch allen Österreichern mitteilen möchte: Ich weiß nicht woran es liegt, aber seit unserer ersten Europatour 1998 haben wir eine spezielle Sympathie für die Österreicher, wir mögen es wirklich in Österreich zu spielen. Ich möchte jetzt damit keine anderen Länder beschimpfen. Aber es ist einfach so, dass Österreich nicht so „boring“ ist, dort gibt’s coole Leute und irgendwie kommt es mir so vor als wären sie relaxter als zum Beispiel die Deutschen.


Gut, dann danke ich schön fürs Interview.



Mein letztes Opfer war Sänger Tuomas der Band „Hebammen des Verderbens“, sprich von TURMION KÄTILÖT.



Ich nehme mal an, dass ihr für viele im Ausland noch kein Begriff seid, könntest du deshalb für alle Unwissenden kurz eure Musik beschreiben?

TURMION KÄTILÖT ist Musik der Entbindungsstation. Du als Frau weißt, oder kannst auf jeden Fall erahnen (du hast sicher selbst noch nicht diese Erfahrung gemacht), wie es sich anfühlt ein Kind zur Welt zu bringen. Jemand ist da, der das Kind entgegennimmt, das geboren wird. Diese Freude und das Glück, dass ein neuer Mensch in diese Welt geboren wird, aber gleichzeitig der Schmerz beim Entbinden sind TURMION KÄTILÖT. Ich finde den Namen so schön, weil er das alles widerspiegelt und wenn du über ihn nachdenkst, drehst du dich gedanklich im Kreis, du findest die Lebensfreude, die ja eigentlich der Sinn des Lebens ist. Wenn du ein Kind bekommst, wirst du Mutter oder Vater. Jemand nimmt das Kind entgegen, du hilfst einem Wesen auf diese Welt zu kommen und freust dich natürlich darüber. Aber gleichzeitig ist es verdammt schmerzhaft. DAS ist TURMION KÄTILÖT.

Auch an dich die Frage: Magst du tuska?

Äähm…Wie könnte ich das jetzt ausdrücken…Ja. Aber heute sind so viele wunderbare Menschen auf der falschen Seite (*des Backstage-Zauns*). Ich wäre lieber mitten im Publikum, denn ich mag es nicht, dass die Leute zu uns, also zu den finnischen Bands hoch schauen. Sie trauen sich oder wollen nicht mit uns reden. Ich meine, wir sind eine Band aus Kuopio, Siilijärvi, mit uns kann man unbezwungen plaudern! Man braucht dafür keine Bewilligung. Man muss uns nicht fragen, ob man ein Bild von uns machen kann, sondern du kannst einfach nach unserem Arm greifen und uns vor die Kamera zerren. Sowas vermisse ich hier. Aus dieser Sicht betrachtet hasse ich dieses Festival, weil es den Anschein hat, dass es zu einem „Tribal-Logo-T-shirt-Festival“ wird. Es gibt Leute, die sich mehrere Bands anhören, GAMMA RAY, TERÄSBETONI, was auch immer, andere wiederum kommen nur wegen einer Band her. Alle dürfen machen was sie wollen, aber ich frage mich „Hey, can you festival?“. Das ist das richtige Festivalfeeling!... Ich schätze das Grundprinzip von Festivals. Aber das Tuska ist vielleicht irgendwie ein bisschen zu sehr im Zentrum der Stadt. Von hier ist es leicht nach den Gigs in eine Bar zu kommen.

Ja, klar…Ein Festival auf dem Land, zum Beispiel ein sehr kleines wie Aitoon Kirkastusjuhlat ist schon was ganz anderes…

Genau das meine ich. So ist es zum Beispiel auch am Nummirock. Es ist mitten im Nichts. Wenn die Konzerte aus sind, gehen die Leute zum Lagerfeuer am Campingplatz und machen was auch immer sie machen. Man setzt sich nieder und plaudert mit neu getroffenen Leuten. DAS ist der Grundgedanke eines Festivals, dass man neue Menschen kennenlernt und nicht so wie hier, dass man nichts vom anderen wissen will. Das vermisse ich hier wirklich.

Das ist mir allerdings auch aufgefallen. Man kennt die Leute nicht und vor allem hier auf der „anderen Seite des Zaunes“ „traut“ man sich nicht so wirklich mit den Leuten zu reden, weil man denkt, dass man ihnen sowieso egal ist.

Ja, man traut sich nicht oder es ist eben nicht wie zum Beispiel am diesjährigen Nummirock. Die Leute und Bands sind gekommen und gegangen wie sie wollten, alle waren willkommen und zufrieden. Bis auf ein Mal, kurz bevor TURBONEGRO auf die Bühne gestiegen sind. Alle waren schon total in diesem Erwartungsfeeling und dann kommen ein paar Burschen auf die Bühne und sagen: „ Hallo, wir haben eine Band gegründet. Ihr Name ist TERÄSPEDET. Dürfen wir euch einen Song spielen?“. Wohl alle im Publikum haben sich gedacht: „Ihr seid’s ja wirklich die totalen Witzbolde, TURBONEGRO spielen gleich, also zieht’s Leine.“ Ich finde aber, dass solche Ex tempore-Sachen ganz gut sind, allerdings sollte man sich dann schon etwas Originelleres einfallen lassen als „Hallo. Wir haben eine Band gegründet. Ihr Name ist TERÄSPEDET.“
Aber diese menschliche Nähe und Offenheit wie am Nummirock fehlt mir hier.


Und was denkst du über das Ruisrock, wo ihr dieses Jahr ja auch gespielt habt?

Das ist fast ein Fitnesstrainingsfestival. Ich verstehe es nicht, dass sich alle darüber aufregen, dass man „so verdammt lange“ gehen muss (*um die 40 Minuten von der letzten Busstation aus*), bis man dort ist. Aber he, du kannst dich während dem Gehen ansaufen, triffst Menschen und dass aufs Gelände keinen Alkohol mitnehmen darf ist ja auch nicht so schlimm, es ist ja nicht die Hauptsache auf einem Festival.
Im Gegensatz zum Tuska ist das Ruisrock um so viel sozialer, vor allem wenn man sich die Frage „Can you festival?“ als Leitsatz zu Herzen nimmt und sich nicht um unnötige Dinge kümmert. Du kannst (*auf dem Ruisrock*) in aller Ruhe auf einer Wiese einschlafen, anders als hier. Wenn du hier dasselbe machst, wird mit größter Wahrscheinlichkeit innerhalb kürzester Zeit deine Geldbörse gestohlen. Es ist dieses Solidaritätsgefühl, das hier ein wenig fehlt.


www.tuska-festival.fi

Autor: Kristina

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Beitrag vom 18.09.2005
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